Markus Eder: Crime and Punishment in the Royal Navy of the Seven Years' War, 1755-1763, Aldershot: Ashgate 2004, VII + 200 S., ISBN 978-0-7546-3507-9, GBP 49,99
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Horatio Hornblower, Cecil Scott Foresters berühmter Seeheld der napoleonischen Kriege, fürchtete zwei Dinge: seine eigene Unzulänglichkeit angesichts einer vor ihm liegenden Aufgabe und die Articles of War, die Kriegsartikel der Royal Navy. Immer wieder während seiner Zeit an Bord rief sich Hornblower ins Bewusstsein, dass selbst ein hoher Marineoffizier bei Verfehlungen von den Strafen der Kriegsartikel nicht verschont blieb. Als schlagender Beweis diente ihm das auf wahren Begebenheiten beruhende Schicksal des Admirals Byng, der, beschuldigt vor Minorca 1756 für ein siegreiches Seegefecht nicht sein Äußerstes getan zu haben, aufgrund der Kriegsartikel zum Tode verurteilt und an Bord der "Monarch" am 14. März 1757 erschossen worden war. Das Urteil und seine Vollstreckung löste bei den Zeitgenossen ein außerordentliches Echo aus, das selbst die deutschen Länder erreichte. Seither gilt die Gerichtsbarkeit der Royal Navy als drakonisch, als viel härter und weitaus grausamer als die zivile.
Aber stimmt dieser Eindruck? Diese Frage und alles, was mit ihr zusammenhängt, versucht Markus Eder in seiner Studie über Verbrechen und Strafe in der Royal Navy während des Siebenjährigen Krieges zu beantworten. Er kann sich dabei, wie er in seiner Einleitung darlegt, auf reichhaltiges Quellenmaterial stützen: "Nearly all naval court-martials have survived and ship's logbooks give us insight into those aspects of crime punished summarily at the captain's orders" (3 f.).
Eders Buch gliedert sich nach einer umfangreichen Einleitung in das Thema (1. Kapitel), die Probleme und Diskussionsstand, Quellen und Literatur und die Verwaltungsvoraussetzungen sowie, sehr knapp, die Lebensbedingungen in der Royal Navy vorstellt, in sechs weitere Kapitel. Im zweiten Kapitel untersucht der Autor die Wechselbeziehungen zwischen der Royal Navy und den zivilen Gerichten (24-40). Im dritten Kapitel verfolgt er die Entwicklung des Marinerechts (41-49), im vierten die Entstehung, Zusammensetzung und Beratung der Militärgerichte (50-62). Die Schemata von Verbrechen und Bestrafung in der Royal Navy analysiert Eder im fünften Kapitel (63-127), den Gebrauch des Gnadenrechts (128-149) betrachtet er im sechsten. Die Zusammenfassung der Ergebnisse im siebten Kapitel (150-157), ein Anhang, der aus dem vollständigen Text der Articles of War, wie sie 1749 vom englischen Parlament verabschiedet wurden, sowie aus statistischen Auswertungen von Verbrechen und Bestrafungen besteht (158-186), eine Bibliografie (187-194) und ein Register (195-200) schließen den Band ab.
Um es vorweg zu sagen: Wer erwartet hat, auf Grundlage der Prozessakten in dem Buch Eders etwas über die Probleme des Zusammenlebens der Besatzungen an Bord großer und kleiner Kriegsschiffe der Royal Navy zu finden oder einige Aufklärung und Gewichtung, warum, wo und wann es zu Straftaten kam, der wird enttäuscht werden. Ebenso derjenige, der hoffte, dass der Autor Verbrechen, Strafe und Funktionieren der Flotte in Zusammenhang bringt. Eder haben diese Dinge und damit im Grunde genommen die für die Marinegeschichte wichtigen Gesichtspunkte nicht interessiert. Ihm ging es einzig und allein um den juristischen Aspekt seines Themas. Den aber hat er sehr präzise untersucht.
So gelingt es ihm aufgrund seines Materials nachzuweisen, dass entgegen landläufiger Meinung die britische Navy keine in sich abgeschlossene Organisation war, die unabhängig von zivilen Gerichten handeln konnte. Beispielsweise wurden Offiziere, die ihre Mannschaft brutal behandelten, häufiger vor einem zivilen Assisengericht (Kriminalgericht) verklagt als vor einem Kriegsgericht der Royal Navy, was Eder zu dem "sicheren" Schluss führt, dass viele Seeleute offenbar wenig Vertrauen in die Bereitschaft der Court martials setzten, gegen brutale Offiziere rigoros vorzugehen (25-27). Da jedoch auch die Navy-Gerichte grausame Vorgesetzte verurteilten, scheint der Gang an Zivilgerichte eher darin begründet, dass diese gegen die Offiziere weit höhere Geldstrafen zur Wiedergutmachung verhängten.
Noch deutlicher wird die beschränkte Macht der Navy bei Gerichtsfällen, die im Zusammenhang mit Ausschreitungen seitens oder gegenüber press gangs (mit Gewalt Matrosen "werbende" Navy-Angehörige) stehen. So gelang es der Navy nicht, wie Eder zeigen kann, Mitglieder von press gangs, die in Ausübung ihrer Tätigkeit einen Zivilisten getötet hatten, gegen die Autorität ziviler Gerichte zu schützen. Umgekehrt vermochte die Navy nur sehr selten, einen Zivilisten, der ein press gang-Mitglied umgebracht hatte, vor Gericht zu ziehen. Dieser Befund gilt uneingeschränkt jedoch nur für England. In Übersee, zumindest auf den Stationen in der Karibik und in Ostindien, gelang es der Navy-Gerichtsbarkeit, sich gegen die kolonialen Zivilgerichte durchzusetzen (33 f., 65).
Und auch in einem anderen wichtigen Punkt konnte sich die Navy gegen zivile Instanzen durchsetzen: Weil sich seit etwa 1650 eine zur zivilen Jurisdiktion parallele Navy-Rechtsprechung entwickelt hatte, die sich nicht nur auf die Articles of War gründete, sondern auch auf die Sammlung sämtlicher, seit Jahrhunderten bestehender ziviler Gesetze, erreichte die Navy, dass gegen Entscheidungen des High Court of Admiralty keine Appellation an ein ziviles Gericht möglich war (41-43). Admiral Byng hatte in der ungünstigen Konstellation von 1757 also keine Chance, gegen sein Todesurteil Einspruch zu erheben.
Doch Byngs Schicksal blieb ein Einzelfall. Die Gerichtsbarkeit der Navy war wegen der Articles of War, so Eders Befund, nicht grausamer als die zivile. Ein wesentliches, auch von Forester in seinen Romanen immer wieder hervorgehobenes Vergehen, das Schlagen eines Offiziers, sollte nach den Articles von 1749 mit dem Tod bestraft werden. Doch viele Navy-Behörden waren mit dieser unerbittlichen Vorschrift nicht einverstanden, sodass die Todesstrafe sehr häufig nicht verhängt wurde. Hornblower fürchtete sich also oftmals grundlos vor den Konsequenzen der Kriegsartikel.
Jürgen Luh