Karl Heinz Kremer: Johann von den Birghden 1582-1645. Kaiserlicher und königlich-schwedischer Postmeister zu Frankfurt am Main (= Presse und Geschichte - Neue Beiträge; Bd. 15), Bremen: edition lumière 2005, 548 S., ISBN 978-3-934686-25-0, EUR 39,80
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Die Entwicklung des Post- und Zeitungswesens zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte kaum zu überschätzende Auswirkungen auf den öffentlichen Nachrichtenverkehr. Die Verdichtung der Postverbindungen beförderte den Austausch in Diplomatie, Handel und Kultur. Damit bildeten Post- und Zeitungswesen die Grundlage einer allmählich entstehenden kritischen Öffentlichkeit.
Eine zentrale Gestalt der frühen Postgeschichte war Johann von den Birghden (1582-1645). Er entwarf einen großen Teil der Postverbindungen im Reich, wobei er selbst stets in Frankfurt am Main agierte. Birghdens herausragende Rolle ist seit langem bekannt. [1] Kremer selbst hat bereits vor rund 20 Jahren eine biografische Skizze veröffentlicht. [2] Wenn er sich nun erneut mit Birghdens Biografie auseinandersetzt, dann auf der Grundlage eines ungewöhnlich reichen Materials, das über die Arbeiten früherer Historiker an vielen Stellen hinausgeht. Die vorliegende Biografie ist daher keineswegs die erste, mit Sicherheit aber die ausführlichste und gründlichste.
Die wichtigsten Quellen für Kremers Buch bilden die vielen Rechtsstreitigkeiten, in die Birghden zeitlebens verwickelt war, sowie mehrere autobiografische Verteidigungsschriften, die Birghden publizistisch eingesetzt hat. Die frühen Jahre bzw. die Herkunft Birghdens sind dennoch nur schwer zu erschließen.
Die Karriere Birghdens begann im Jahr 1599, als er im Alter von 17 Jahren bei der Post in Rheinhausen angestellt wurde. Hier blieb er bis 1610, um die Postverbindung nach Frankfurt am Main einzurichten. Anschließend wechselte er nach Frankfurt selbst, zunächst als Angestellter des kaiserlichen Postmeisters. Nachdem er sich mit diesem überworfen hatte, unterhielt er für einige Jahre eine eigene Postlinie (Frankfurt - Hamburg), die er vom letzten Betreiber gekauft hatte. Ab 1615 war er dann verantwortlicher Postmeister in Frankfurt am Main, bis zum Jahr 1628 im Auftrag der Familie Thurn und Taxis und damit unter dem Schutz des Kaisers, von 1631 bis 1635 im Auftrag der schwedischen Krone.
Die Arbeit Birghdens als Postmeister kann unter drei wichtigen Aspekten zusammengefasst werden. Da ist zum einen das große organisatorische Talent, das Birghden nach Ansicht Kremers wie anderer Biografen bewiesen hat. Hinzu kommen die engen Bindungen an den Kaiser und die Familie Thurn und Taxis bzw. später an die schwedische Krone. Sie waren gleichermaßen notwendig wie problematisch, denn einerseits brauchte Birghden den Schutz seiner Herren, andererseits war er in seiner Tätigkeit durch die Konjunkturen des Dreißigjährigen Kriegs sowie die genealogischen Zufälle in den Familien des Kaisers wie der Thurn und Taxis oftmals negativ betroffen. Hierbei ist stets auch mitzubedenken, dass Birghden als Lutheraner lange Zeit in kaiserlichen Diensten geduldet, dann aber nach dem Prager Frieden im Jahr 1635 doch entlassen wurde. Schließlich gestaltete Birghden die Post wie ein privates Wirtschaftsunternehmen. Das heißt, dass die Einnahmen der Post zum großen Teil seine privaten Einnahmen waren. Dasselbe galt freilich auch für die Ausgaben. Im Ergebnis war die Post freilich ein lohnendes Unternehmen.
Es waren insbesondere die wirtschaftlichen Aspekte von Post- und Zeitungswesen, die die Arbeit Birghdens äußerst kompliziert gestalteten. Zwar hat er wesentliche Aufbauarbeiten geleistet. Gleichzeitig existierten um 1600 bereits eine Vielzahl privater, landesherrlicher wie städtischer Botendienste, die sich durch ein kaiserliches Monopol nicht widerstandslos auflösen ließen. Birghden hat Prozesse geführt und Konkurrenzunternehmen aufgebaut. Sie stehen im Zentrum vom Kremers Darstellung, der sie mit großer Liebe zum Detail und anhand zahlloser Quellenzitate beschreibt.
Im Ergebnis mischten sich Erfolge mit Rückschlägen. Birghden ist persönlich reich geworden und besaß ein repräsentatives Haus in zentraler Lage. Zudem wurde er vom Kaiser nobilitiert. Gleichwohl, trotz aller Verdienste wurde er in den Jahren 1628 und 1635 entlassen. Daraufhin hat er die verbleibenden zehn Jahre seines Lebens der Verteidigung seines Rufs und seiner Einnahmen gewidmet.
Das Buch Kremers gibt einen tiefen und detaillierten Einblick in alle angesprochenen wie viele weitere Fragen. Dabei greift er stets auf Quellenzitate zurück, die teilweise mehrseitig sind. Sie werden in einem Anhang durch zusätzliche Quelleneditionen ergänzt. Das weitgehend chronologisch ausgerichtete Buch erhebt dabei den Anspruch, der "Versuch einer objektiven Beschreibung" (466) zu sein. Kremer wendet sich damit gegen die von ihm attestierte Vernachlässigung der Postgeschichte durch Allgemein-, Kultur- und Alltagsgeschichte. Dieser Bewertung ist prinzipiell zuzustimmen. [3]
Der Rezensent hätte sich freilich mehr Analysen gewünscht, sowohl der oftmals unkommentierten Quellenzitate als auch der oben beschriebenen grundsätzlichen Probleme. Birghden wehrte sich im Jahr 1615 gegen private Botenlinien mit dem Vorwurf, diese zielten ausschließlich "auf Particulargewinn und Geldsüchtigkeit" (62). Dabei wäre nicht nur zu bedenken, dass Birghden kurz zuvor ebenfalls eine solche Linie betrieben hatte. Darüber hinaus behandelte er die kaiserliche Post ebenfalls wie ein privates Wirtschaftsunternehmen, er agierte in Frankfurt in einer Art "self-government at the prince's command". [4]
An diesem Problem frühneuzeitlicher Herrschaft zeigt Kremer leider nur geringes Interesse. Auch der in der Forschung kontrovers diskutierte Zusammenhang von Post- und Zeitungswesen - Birghden gab über Jahre eine eigene Zeitung heraus - wird allenfalls konstatiert. Kremer beschränkt sich stattdessen auf die Feststellung von Tatsachen. Dabei bleibt trotz einer stupenden Fülle interessanter Aspekte letztlich ein gewisses Unbehagen an der Darstellung, die mit einer knapp zweiseitigen Zusammenfassung endet. In ihr kommt Kremer unter anderem zu dem Ergebnis, dass Birghden offenbar eine Art Charisma (467) gehabt habe, das seine Erfolge zumindest zum Teil erklären könne. Weitere Erklärungsversuche wären allerdings wünschenswert gewesen. Trotz dieser Kritik bietet die Biografie ein überaus spannendes und detailgenaues Bild von den Möglichkeiten und Grenzen eines frühneuzeitlichen Fürstendieners.
Anmerkungen:
[1] Ludwig Kalmus: Weltgeschichte der Post: Mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets, Wien 1937; Günter Barudio: Zu treuen Händen. Schwedens Postwesen im Teutschen Krieg, in: Wolfgang Lotz (Hg.): Deutsche Postgeschichte, Berlin 1989, 67-76.
[2] Karl Heinz Kremer: Johann von den Birghden 1582-1645. Des deutschen Kaisers und des schwedischen Königs Postmeister zu Frankfurt am Main, in: Archiv für Deutsche Postgeschichte 1984, 7-43.
[3] Für alle Fragen der Post- und Zeitungsgeschichte im 17. Jahrhundert grundlegend die Habilitationsschrift von Wolfgang Behringer: Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2003.
[4] Steve Hindle: County Government in England, in: Norman L. Jones / Robert L. Tittler (Hg.): Blackwell Companions to British History. A Companion to Tudor Britain, Oxford 2004, 98-115; hier 101.
Heiko Droste