Michael Fiedrowicz (Hg.): Christen und Heiden. Quellentexte zu ihrer Auseinandersetzung in der Antike, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004, 799 S., ISBN 978-3-534-15790-7, EUR 128,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Alfons Reckermann: Überzeugen. Rhetorik und politische Ethik in der Antike, Hamburg: Felix Meiner Verlag 2018
Dieter Flach (Hg.): Das Zwölftafelgesetz - Leges XII tabularum, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004
Hans-Ulrich Wiemer (Hg.): Staatlichkeit und politisches Handeln in der römischen Kaiserzeit, Berlin: De Gruyter 2006
Seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert versuchten christliche Autoren, ihre Religion gegen die Angriffe seitens der Heiden zu verteidigen, und setzten sich mit den Argumenten ihrer Gegner auseinander. Unter Verweis auf die Moralität der Christen, ihre Loyalität zum Reich oder das höhere Alter der christlichen Religion behaupteten sie die Überlegenheit ihres Glaubens. Nach seiner Habilitationsschrift aus dem Jahr 2000 widmet Michael Fiedrowicz erneut dieser Epoche der Kirchengeschichte eine Arbeit und versucht, diese Auseinandersetzung anhand einschlägiger Quellen von der Rede des Paulus vor dem Areopag bis ins fünfte Jahrhundert hinein nachzuvollziehen und einem breiteren Leserkreis die Geschichte der frühen Kirche und ihrer intellektuellen Auseinandersetzungen näher zu bringen. [1] Dabei sollen sowohl die "Fremdwahrnehmung des Christentums seitens der paganen Welt [...] als auch der Prozess christlicher Identitätsfindung" durch die ausgewählten Quellen nachgezeichnet werden (11).
Dazu gliedert sich die Quellensammlung in zwei Teile: In einem ersten wird ein historischer Überblick geboten, der - nach einer kurzen Behandlung der Auseinandersetzungen in der Urkirche (15-22) - sich unter den Überschriften "Das Entstehen der ersten Apologien" (23-40), "Die Entfaltung der apologetischen Literatur" (41-67), "Die Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus und Synkretismus" (68-97), "Die Apologie in der diokletianisch-konstantinischen Epoche" (98-122), "Die pagane Restauration unter Kaiser Julian Apostata" (123-152), "Die Auseinandersetzung mit der römischen Senatsaristokratie" (153-179) und schließlich "Geschichtstheologische Apologetik gegenüber neuen Angriffen nach dem Fall Roms" (180-194) mit der Entwicklung der Apologie vom zweiten bis zum frühen fünften Jahrhundert n. Chr. beschäftigt.
Im zweiten Teil werden hingegen systematisch "Argumentationsstrategien und Themen des Disputes" (11) verfolgt. Zunächst widmet sich Fiedrowicz den "Formen und Methoden der Auseinandersetzung", wobei er anhand von Quellenstellen von Tertullian bis Augustin den Fragen der "Grundorientierung der Apologeten" und den "Formen christlicher Selbstdarstellung nachgeht (197-249). Im Folgenden behandelt er "christliche Lebenspraxis" (250-332), die "Geschichte" (333-392) und "vernunftgemäßen Glauben" (393-606) als apologetische Argumente. Dabei stellt gerade der letzte Abschnitt eine umfangreiche Sammlung recht unterschiedlicher Einzelprobleme dar, was sich auch an den gewählten Unterpunkten vom "Disput mit der Philosophie" (433-529), über die "Kontroverse um die Bibel" (530-573), bis hin zum "Christentum als 'wahre Philosophie'" deutlich zeigt. (574-606) In einem letzten Abschnitt (607-632) wendet sich Fiedrowicz schließlich dem universalen Wahrheitsanspruch des Christentums zu.
Damit folgt Fiedrowicz im Wesentlichen der Gliederung, die schon seiner Habilitationsschrift zu Grunde lag, aus der er auch Teile der den jeweiligen Quellenstellen vorangestellten kurzen Einführungen übernommen hat. In diesen widmet sich Fiedrowicz den jeweiligen Autoren, gibt biografische Hinweise und ordnet die folgenden Quellen in die theologischen Diskurse ihrer Zeit ein. Dabei sind diese Einführungen zwar ausgesprochen knapp gehalten, erfüllen aber durchaus ihren Zweck, dem Leser eine erste Orientierung zum Verständnis der Quellen zu bieten.
Auf die Quellen folgt der Kommentar (633-768), der neben den notwendigen Sacherläuterungen auch Verweise auf Parallelstellen sowie weiterführende Literatur bietet. Der Band wird durch ein umfangreiches Quellen- (769-779) sowie ein knapp gehaltenes Literaturverzeichnis (779-781) ergänzt. Dabei bietet das Literaturverzeichnis zwar nur allgemeine einführende Literatur, was aber aufgrund der umfangreichen Literaturangaben im Kommentarteil unproblematisch ist. Ein Stellen- (783-791), Namens- (792-794) und Begriffsregister (795-799) beschließen das Buch, wobei leider der Kommentarteil hierbei nicht erfasst wird, was besonders angesichts der umfangreichen Quellenangaben innerhalb dieses Abschnittes bedauerlich ist.
Insgesamt handelt es sich um eine gelungene Sammlung von Quellen zur intellektuellen Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen: Die ausgewählten Quellenstellen bieten einen guten Einblick in die vorzustellende Epoche, und zudem liegen nicht wenige der präsentierten Texte hier erstmals in deutscher Übersetzung vor. Auch bietet sich für diejenigen Leser, die über die Einführungen und sachkundigen Kommentare hinaus Informationen zum dargebotenen Stoff wünschen, der Griff zu Fiedrowicz genannter Habilitationsschrift an, die sich durch ihren parallelen Aufbau und ihre Verständlichkeit als zusätzlicher Kommentar auch für ein breites Publikum durchaus eignet.
Ein Wort muss leider zur Preisgestaltung des Bandes durch den Verlag verloren werden. Zwar handelt es sich insgesamt um eine gelungene Zusammenstellung der Quellen, er ist mit knapp 800 Seiten auch recht umfangreich, und die Aufmachung des Buches ist solide, aber 128 Euro im freien Handel sind für das, was geboten wird, doch ein allzu stolzer Preis.
Anmerkung:
[1] Michael Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum. Die Kontroverse um den christlichen Wahrheitsanspruch in den ersten Jahrhunderten, Paderborn u. a., 2. Aufl. 2001.
Jan Timmer