Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig (Hg.): 250 Jahre Museum. Von den fürstlichen Sammlungen zum Museum der Aufklärung. Ausstellung in der Burg Dankwarderode, Braunschweig (29.4. - 22.8.2004), München: Hirmer 2004, 320 S., 140 Farb-, 128 s/w-Abb., ISBN 978-3-7774-2155-1, EUR 34,90
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Die Braunschweiger Jubiläumsausstellung "250 Jahre Museum" und ihr Katalog stehen in einer gut zehn Jahre währenden Tradition, in der sich das Herzog-Anton-Ulrich-Museum mit der Geschichte seiner Sammlungen und den Kunstkammern der Braunschweiger Herzöge beschäftigte. [1] Gegenstand ist nun das Herzogliche Kunst- und Naturalienkabinett in der Zeit von 1754, als Carl I. (1713-1780) seine Einrichtung abschloss (12), bis zur Beschlagnahmung durch die Napoleonischen Truppen im Jahre 1806. Die noch erhaltenen Objekte sind heute zwischen dem Herzog-Anton-Ulrich-Museum, dem Staatlichen Naturhistorischen Museum, dem Landesmuseum und dem Städtischen Museum aufgeteilt. Der Katalog bietet somit eine Gesamtschau der historischen Braunschweiger Sammlungsbestände. Er wird ergänzt durch den im selben Jahr erschienenen und von Jochen Luckhardt herausgegebenen Band "Das Herzog-Anton-Ulrich-Museum und seine Sammlungen 1578 - 1754 - 2004".
Der Band ist in einen Aufsatz- und einen Katalogteil gegliedert. Die wechselvolle Geschichte des Kabinetts ist Gegenstand des Aufsatzes von Alfred Walz, dem auch die Ausstellungs- und Katalogkonzeption zu verdanken ist. Claudia Valter zeichnet den Wandel der enzyklopädischen Kunstkammern zu wissenschaftlich geprägten Spezialsammlungen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach. Andreas Büttner beschäftigt sich mit den Kunstkammern der Braunschweiger Herzöge und deren Beständen, die den Grundstock für das Kabinett Carls I. bildeten. Wolfgang Leschhorn behandelt die Münzen, die in den Kabinetten eine herausragende Rolle spielten. Irmgard Müsch untersucht die Naturaliensammlung, um deren Erweiterung und Präsentation sich Carl I. besonders bemühte. Michael Wenzel stellt die Bibliothek des Kabinetts vor, deren Schwerpunkt Stichwerke sowie antike und naturhistorische Literatur bildeten. Barbara Klössel bietet einen Einblick in die Baugeschichte und die Umbaumaßnahmen des Paulinerklosters zu musealen Räumen, in die das Kabinett 1765 einzog. Oliver Matuschek beschäftigt sich mit dem Besucherwesen, der Rolle des Aufsehers, der Berichterstattung über das Kabinett und der Ausleihe daraus. Susanne König-Lein schließlich stellt den Geschmack, die Kultur sowie die Förderung von Kunst, Kunsthandwerk und Bildung am Braunschweiger Hof vor.
Der Katalogteil bietet eine übersichtliche Vorstellung der breit gefächerten Bestände. In kurzen Essays mit reicher Bebilderung werden die ab 1753 aus den früheren Herzoglichen Kunstkammern übernommenen Gegenstände sowie die späteren Neuerwerbungen und Geschenke beschrieben. Zwei der älteren Kunstkammern trugen ganz wesentlich zu den Beständen des Kabinetts bei. Um 1700 hatte Herzog Anton Ulrich (1633-1714) das als Gegenstück zu Versailles errichtete Lustschloss Salzdahlum mit einer großen Sammlung ausstatten lassen. Carl I. holte diese zum größten Teil in sein Kabinett. Sie dominierte dort den Bestand allein durch die Anzahl der Objekte, besonders der Artefakte. Dazu zählten Majoliken, französische Maleremails, chinesische Specksteinfiguren und Skulpturen. Auch der von der Regierung ausgeschlossene Ferdinand Albrecht I. (1636-1687) hatte auf seinem Schloss in Bevern um 1650 eine Kunstkammer angelegt. Sie enthielt vornehmlich Artefakte, Naturalien und Grafiken. Sein wohl berühmtestes Stück war das antike "Mantuanische Onyxgefäß", das durch seine prominente Geschichte gewissermaßen ein Symbol der Braunschweiger Sammlungen geworden ist. Nach langen Erbstreitigkeiten konnte Carl I. im Jahre 1767 einen Teil der Beverner Bestände in sein Kabinett überführen.
Zu den Herzoglichen Beständen, die in den Besitz Carls I. übergingen, gehörte auch die Sammlung August Wilhelms (1662-1731) im Braunschweiger Stadtschloss. Sie enthielt Gemälde, Kleinplastiken und Preziosen, die heute größtenteils nicht mehr sicher zu identifizieren sind. Auf Schloss Blankenburg richtete Ludwig Rudolph (1671-1735) eine Sammlung ein, die als Schlossausstattung eher repräsentativen Zwecken diente. Sie bestand unter anderem aus Büchern, Bildern, Kleinplastiken, Uhren, Medaillen, Münzen, Grafiken und Zeichnungen. 1735 fiel sie als Erbe an Carl I., der Teile daraus 1753 in sein Kabinett überführte. Die Herzogliche Bibliothek Augusts d. J. (1579-1666) in Wolfenbüttel vergrößerte Carl I. durch Neuankäufe und die Übernahme hinterlassener Privatbibliotheken. Der größte Teil der dortigen Kunstkammer Rudolph Augusts (1627-1704) und Anton Ulrichs kam nach Salzdahlum, einiges blieb aber auch in Wolfenbüttel zurück. Teile davon gingen wiederum direkt in das Kabinett Carls I. über, darunter Marmorinschriften, Urnen, Öllampen, ein Tränengefäß und die Knochen eines Elefanten.
Das Kapitel der Neuerwerbungen ist in Objektgruppen gegliedert und mit ausführlichen Kommentaren zu den Stücken selbst, ihrer Geschichte und den Umständen ihres Erwerbs versehen. Unter den europäischen Erwerbungen finden sich die verschiedensten Gegenstände wie Gemmen, Fürstenberger Porzellan, Preziosen bis hin zu einer Ballonhülle. Objekte aus Nordamerika wie Birkenrindenarbeiten, ein Skalp und eine Tabakspfeife kamen durch Braunschweigische Söldner in den Besitz Carls I. Bei den zoologischen Erwerbungen handelt es sich um Tierpräparate, die heute zum größten Teil nicht mehr erhalten sind, Bücher, Zeichnungen, Gemälde und ein Paar Strümpfe aus Muschelseide. Die mineralogische Sammlung wurde im Zweiten Weltkrieg mitsamt dem Inventar vollständig zerstört. Erhalten sind aber noch Mineralien in Form von Tischplatten und Steinlegearbeiten. Aus dem eigenen Herzogtum stammten eine Sammlung an archäologischen Funden und ein Folterhalsband. Ein weiteres Kapitel zeigt, wie bedeutsam wertvolle Geschenke für den Zuwachs der Sammlungen waren. Braunschweig kann dabei auf eine seltene Quellenlage mit Angaben zu den Schenkern zurückgreifen. Es folgt schließlich eine detaillierte Vorstellung der umfangreichen Bestände an Druckgrafik und Handzeichnungen, die einen besonderen Sammlungsschwerpunkt Carls I. darstellten.
Mit der Beschlagnahmung von Teilen der Sammlung in Folge der Napoleonischen Kriege im Jahre 1806 endet die Geschichte des Herzoglichen Kabinetts. Der Katalog bietet dem Leser einen leicht fassbaren Überblick über die Geschichte der Sammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts sowie deren vielfältige Bestände. Die Auswahl der vorgestellten Objekte ist repräsentativ und führt die Charakteristika der Sammlungen vor Augen. Hervorzuheben ist auch die hervorragende Braunschweiger Quellenlage, die Archivalien und zahlreiche Inventare umfasst, und in der Forschung zur Sammlungsgeschichte ihresgleichen sucht. Nicht zuletzt diese Situation ermöglichte die gründlichen und aufwändigen Recherchen sowohl der eigenen Sammlungsgeschichte als auch einzelner Objekte und förderte neue Forschungsergebnisse zu Tage. Ausgenommen davon ist die Quellenlage zur Kunstkammer Herzog Augusts d. J. in Wolfenbüttel, über die auch im Rahmen dieser Ausstellung keine weiteren Aufschlüsse gewonnen werden konnten. Mit diesem Band schließt das Herzog-Anton-Ulrich-Museum in bewährter Weise die Erforschung seiner Sammlungsgeschichte ab und würdigt seine 250-jährige Geschichte, mit der es zu den ältesten europäischen Museumsgründungen zählt. Durch eine Zeitungsnotiz, die erst während der Ausstellungsvorbereitung zur Kenntnis gelangte (12), lässt sich die Gründung mutmaßlich sogar auf 1753 und somit in dasselbe Jahr wie die Gründung des British Museums vorverlegen.
Anmerkung:
[1] Alfred Walz: "Seltenheiten der Natur als auch der Kunst". Die Kunst- und Naturalienkammer auf Schloß Salzdahlum. Ausstellungskatalog, Braunschweig 1994; Rudolf-Alexander Schütte: Die Kostbarkeiten der Renaissance und des Barock. "Pretiosa und allerley Kunstsachen" aus den Kunst- und Raritätenkammern der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg aus dem Hause Wolfenbüttel. Sammlungskataloge Bd. 6, Braunschweig 1997; Weltenharmonie. Die Kunstkammer und die Ordnung des Wissens. Ausstellungskatalog, Braunschweig 2000.
Elke Bujok