Michael Kleinen: Bischof und Reform. Burchard II. von Halberstadt (1059-1088) und die Klosterreformen (= Historische Studien; Bd. 484), Husum: Matthiesen 2004, 208 S., ISBN 978-3-7868-1484-9, EUR 35,00
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Diese Magdeburger Dissertation befasst sich mit einem Thema, das in den vergangenen Jahrzehnten in der mediävistischen Forschung oftmals unter den verschiedensten Gesichtspunkten behandelt worden ist: mit dem Widerstand, der Heinrich IV. in Ostsachsen in den Jahren des so genannten Investiturstreits entgegenschlug, mit den Trägern dieses Widerstandes, ihren Mitteln und Zielen. Angesichts eines geradezu ausufernden Forschungsstandes mutet es ambitioniert an, diesem oftmals durchgearbeiteten Komplex noch wieder neue Aspekte abgewinnen zu wollen. Gerold Meyer von Knonau hatte vor 100 Jahren mit den "Jahrbüchern der deutschen Geschichte unter Heinrich IV. und Heinrich V." in sieben Bänden eine geradezu erdrückende Materialfülle annalistisch aufbereitet. Lutz Fenske hatte in seiner Dissertation "Adelsopposition und kirchliche Reformbewegung im östlichen Sachsen" geschildert (1977), Wolfgang Giese den "Stamm der Sachsen und das Reich in ottonischer und salischer Zeit" behandelt (1979). Die Erforschung der Klosterreform war durch Kassius Hallingers monumentales Werk "Gorze - Cluny" (1950/51) auf eine neue Basis gestellt worden und ist seither, vor allem durch Helmut Beumann und Karlotto Bogumil, durch eine große Zahl von Einzelstudien weiter vorangetrieben worden. Warum also - man muss es wiederholen - eine weitere Detailarbeit zu diesem Themenbereich?
Kleinen will nach der Stellung Bischof Burchards II. von Halberstadt zur Klosterreform innerhalb seines Bistums fragen, weil er die Positionsveränderungen des Bischofs so nicht als gegeben hinnehmen will, wie sie die bisherige Forschung gesehen hat. Die Vermutung, es sei dem Bischof um die Klosterreform an sich und damit primär um geistliche Ziele gegangen, decke - so Kleinen - nur einen Teil der Motivation ab und sei um andere, territorialpolitische Ziele zu ergänzen. Und schließlich seien auch die auslösenden Faktoren für den Sachsenaufstand gegen Heinrich IV. nicht mit wünschenswerter Klarheit herausgearbeitet. Es geht also, so kann man zusammenfassen, um den Feinschliff einer ohnehin bereits sehr weit ziselierten Forschung.
Die Durchführung der Arbeit ist durchweg konventionell, was nicht gegen den Verfasser spricht. Er sichtet zunächst die bisherigen Ergebnisse zur Klosterreform im Bistum Halberstadt, die oftmals mit dem Namen ihres wesentlichen Anregers, des gleichnamigen Abtes von Ilsenburg, als "Herrandreform" bezeichnet wird. Die Klöster Ilsenburg, Huysburg, Hillersleben und Wimmelburg und ihre unterschiedlichen Rechtsverhältnisse werden skrupulös untersucht (12-59). Die vermeintlich gleichgerichtete Reform im St.-Maria / Ägidien-Kloster in Braunschweig wird als Irrtum der Forschung entlarvt; als Teil des Reformkreises um Burchard und Herrand ist es zu streichen (45 f.).
Den größten Teil der Dissertation bildet eine detailgenaue Wiedergabe und Analyse des Lebensweges, der politischen Ziele und der geistlichen Stellung Burchards von Halberstadt (60-162). Burchards Position wandelte sich in den Jahren seines Pontifikats vom kompromissbereiten und auf Verhandlungen mit dem König angelegten Bischof zum unbedingten Gegner Heinrichs IV., als die mangelnde Kompromissbereitschaft des Saliers erkennbar wurde. Das in manchen Forschungsbeiträgen noch recht undifferenziert behauptete "Gregorianertum" des Halberstädters verliert angesichts dieser Analyse viel von seiner Berechtigung: Burchard modifizierte seinen Standpunkt eher graduell, war bei Weitem nicht unreflektiert antiköniglich und "gregorianisch", sondern mag die Interessen seines Bistums, auch die territorialen, lange Zeit für wichtiger gehalten haben als eine eindeutige kirchenpolitische Stellungnahme. Ein länglicher Exkurs innerhalb dieses Teils der Dissertation beschäftigt sich übrigens mit der schwierigen und in den Quellen durchaus nicht einheitlich beantworteten Frage, wer in den Konfrontationen der Sachsenkriege eigentlich als die Saxones bzw. als die Thuringi bezeichnet wurde (92-114).
Die zeitliche Aufeinanderfolge der einzelnen Reformmaßnahmen, die geografische Lage der Halberstädter Klöster, die Rolle Herrands bei der Reform bilden schließlich den Gegenstand des knappen dritten Teils (163-177). Besonders hier wird deutlich, dass über den bisherigen Forschungsstand kaum hinauszukommen ist, abgesehen von der allerdings wichtigen Beobachtung, dass die Lage der Reformklöster auch strategisch als Abwehrlinie gegen den von Südwesten an die Bistumsgrenze heranreichenden Burgenbau Heinrichs IV. zu denken ist. Hier haben die sorgfältig gezeichneten und instruktiven Karten (181 f.) ihre Bedeutung.
Eine besondere Erwähnung verdient die sprachliche Gestalt der Arbeit, die bei allem Wohlwollen nicht mehr als ausreichend bezeichnet werden kann. Fehler wie "Otto von Nordheim" (statt Northeim) oder "Herrmann Billung" (statt Hermann) sind noch die geringeren Verstöße. Die Interpunktion folgt über weite Strecken dem Prinzip des Zufalls, die Rechtschreibung ist streckenweise beängstigend (wiederholte Verwechslung von "dass" und "das" und vieles andere), der Stil ist hölzern (56: "Die von den Quellen diesbezüglich überlieferten Nachrichten wurden von der vorangegangenen Forschung wie gezeigt nur im Kontext eines religiös begründeten bischöflichen Reforminteresses gedeutet.") Die Arbeit ist zwar als Promotionsleistung anerkannt worden, aber hat die Fakultät wirklich hingesehen? Hat der Herausgeber der renommierten Reihe das Werk vor der Druckfreigabe nicht mehr gesehen? Schade.
Insgesamt bleibt der Eindruck zwiespältig: So verdienstvoll die Feinarbeit im Dschungel der Quellen ist, so wenig kommt letztlich an Erkenntniszugewinn zu Stande. Das Bild der Klosterreform oder der Sachsenkriege grundsätzlich zu verändern war ohnehin kaum möglich. Die Detailarbeit aber hat sich denn doch gelohnt, und dieser Details wegen wird man die Arbeit zur Kenntnis nehmen.
Thomas Vogtherr