Burkhard Meißner / Oliver Schmitt / Michael Sommer (Hgg.): Krieg - Gesellschaft - Institutionen. Beiträge zu einer vergleichenden Kriegsgeschichte, Berlin: Akademie Verlag 2005, 448 S., ISBN 978-3-05-004097-4, EUR 69,80
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Sacha Zala / Sabine Rutar / Oliver Schmitt (Hgg.): Die Moderne und ihre Krisen. Studien von Marina Cattaruzza zur europäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen: V&R unipress 2011
Michael Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. Palmyra - Edessa - Dura-Europos - Hatra. Eine Kulturgeschichte von Pompeius bis Diocletian, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005
Michael Sommer: Der römische Orient. Zwischen Mittelmeer und Tigris, Stuttgart: Theiss 2006
Krieg war in den antiken Kulturen allgegenwärtig. Dies bezeugen nicht nur die antiken Autoren, angefangen von Homer bis in die Spätantike, sondern auch Inschriften, Papyri und Felsbilder. Eine Beschäftigung mit antiken Kulturen führt somit auch zu einer Beschäftigung mit deren Kriegen. Dass an dieses Thema mit durchaus unterschiedlichen Ansätzen herangegangen werden kann, zeigt schon das Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Sammelbandes. Darin sind die Ergebnisse einer gleichnamigen Tagung festgehalten, die von 1. bis 4. Mai 2003 in der Lutherstadt Wittenberg stattgefunden hat.
Die gesammelten Beiträge beschränken sich nicht auf Griechen und Römer, sondern vielmehr werden auch andere Kulturen der Mittelmeerregion behandelt, "um die jeweiligen Kriegskulturen erstmals aus einer vergleichenden Perspektive betrachten zu können" (12). Allein die aufgezählten Problemkomplexe (12-14) versprechen eine anregende Lektüre der einzelnen Beiträge.
Im ersten eigentlichen Themenbeitrag zeigt Imanuel Geiss, der sich selbst als "Generalist" bezeichnet (32), interkulturelle und epochenübergreifende Parallelen im Kriegswesen auf. Seine Beispiele sind anschaulich und global gewählt. So reflektiert er in aller Kürze ebenso Parallelen zwischen Chinesischer Mauer und römischem Limes wie zwischen antiker und moderner Kriegsführung.
Andreas Fuchs geht in seinem Beitrag der Frage nach, ob das Neuassyrische Reich ein Militärstaat war. Durch vier von ihm aufgestellte Kriterien kommt er zu einer zustimmenden Antwort. Der Beitrag reflektiert verschiedene Merkmale (Aufbau und Größe des Heeres; Krieg als Wirtschaftsfaktor u. a.) der erfolgreichen Militärpolitik anhand anschaulicher Beispiele.
Mythologische Parallelen und damit die göttliche Legitimation für Kriege erarbeitet Dominik Bonatz schlüssig anhand von Palastreliefs. Durch diesen Vergleich wird Krieg im assyrischen Reich als zivilisatorischer und eine allgemeine Ordnung sichernder Faktor dargestellt. Eine ähnliche Legitimation weist Marcus Müller für die altägyptischen Reiche nach. Anhand von Quellenzitaten zeigt er die staats- und privatwirtschaftliche Bedeutung von Krieg auf. Dabei skizziert er die Entwicklung des Ägyptischen Militärwesens bis zu den Ptolemäern quellennah.
Thomas Krüger sieht in der hebräischen Bibel einen Entwicklungsstrang von einem durch militärische Macht gesicherten Frieden zu einem rechtlich definierten Frieden und damit eine Entwicklung zur gewaltlosen Schlichtung von Konflikten. Dieser Entwicklungsstrang wird anhand verschiedener Zitate schlüssig dargelegt, wobei der visionäre Charakter dieses Konzepts betont wird (132).
Maria Brosius zeigt einen Wandel in der Vorderasiatischen Königsikonografie auf. Wurden die assyrischen Könige als Vernichter ihrer Feinde dargestellt, wie u. a. bei Bonatz beschrieben, werden persische Könige oftmals bei Audienzen abgebildet. Dies darf aber nicht als Zeichen einer sinkenden Bedeutung des Militärs, sondern muss, wie betont wird, als Wechsel des königlichen Selbstbewusstseins gedeutet werden. Brosius zeigt, dass die Bedeutung des Militärs nicht sinkt, die Könige sich aber ihrer Bedeutung für das Reich bewusst werden. Als Grund hierfür wird die Einstellung der Eroberungskriege angedeutet, die aber, wie Brosius betont, kein Indiz für ein Sinken der Bedeutung des Militärs ist.
Stefan R. Hauser widmet sich in seinem Beitrag dem Arsakiden-Reich. Im ersten Abschnitt beschreibt er stichpunktartig die Quellen- und Forschungsproblematik, um im zweiten Teil die Herkunft die Arsakiden zu problematisieren. Deutlich wird hier die in den Quellen perpetuierte nomadische Herkunft (der Arsakiden) widerlegt. Im Folgenden geht Hauser auf den Adel ein. Die weit verbreitete Meinung eines Niedergangs der königlichen Macht wird schlüssig entkräftet.
Eine Entwicklung vom Privat- zum Gemeinschaftskrieg zeigt Victor Parker auf, wobei er die Ursache im starken Bevölkerungszuwachs der griechischen Gemeinden und dem damit verbundenen Bedarf an Land sieht. Verschiedene politische, aber auch kriegstechnische Folgen werden in gebotener Kürze referiert.
Kurt Raaflaub beschreibt die kriegerische Gesellschaft der homerischen Epen, wobei er seinen Blick nicht primär auf die Heroen, sondern auf die von ihm als "Heeresvolk" (230) bezeichnete Masse der Kämpfer und deren möglichen Einfluss auf Entscheidungen lenkt. Die Bedeutung dieser Masse von Nichtheroen für den Schlachtverlauf wird eindrucksvoll dargelegt, wobei die homerischen Kämpfer als Vorform der Hopliten gezeigt werden (258-262). Des Weiteren beschreibt und analysiert Raaflaub reale und epische Schlachtabläufe und gibt einen kommentierten Überblick über die Schlachtverläufe der Ilias. Dies geschieht stets mit Blick auf den aktuellen Forschungsstand.
Die Entwicklung der spartanischen Gesellschaftsstrukturen durch die Hoplitenkriegsführung ist das Thema des Beitrages von Nikos Birgalias. Er weist darauf hin, dass die notwendige Integration der Hopliten ins spartanische Bürgertum den Krieg und die Siege zu einer Angelegenheit der gesamten Bevölkerung machte. Ebenso wird auf eine Veränderung des spartanischen Erziehungswesens hingewiesen, die dieselbe Ursache hat. Die großen Verluste des Peloponnesischen Krieges mussten, wie zu Recht betont wird, ebenfalls zu einem erneuten Wandel in Sparta führen.
Burkhard Meißner problematisiert in seinem Aufsatz die Differenzierung zwischen politischer Führung, militärischer Mannschaft und strategischen Entscheidungen im klassischen und hellenistischen Griechenland. Er konstatiert eine Entwicklung von einem ritualisierten Krieg zu einem durch Raffinesse, Taktik und Technik geprägten Krieg. Ausschlaggebend waren hierfür ökonomische und politische Veränderungen. Anhand verschiedener Beispiele führt er dem Leser diese Entwicklung vor Augen.
Yann Le Bohec behandelt die wirtschaftlichen Faktoren von Caesars Krieg in Gallien. Er betont die Sorge Caesars für die Versorgung seiner Soldaten, ein Faktor, der sicherlich ausschlaggebend für die nachweisbare Loyalität der Soldaten war. Caesars Beschreibungen zeigen, dass vor allem die Lebensmittelbeschaffung kriegsentscheidend war. Das Verhältnis der Soldaten zu den Händlern wird behandelt und zu Recht die einseitige Abhängigkeit der Armee von den Kaufleuten hervorgehoben. Caesar, so Le Bohec, hatte kein Interesse an der Kontrolle des Handels, sondern nur an seiner persönlichen Bereicherung und der Versorgung seiner Soldaten (330). Allenfalls wollte er Einnahmen nach Rom schicken, allerdings ist von einer Auferlegung von regelmäßigen Tributen nicht die Rede.
Michael Sommer behandelt die soziale und kommunikative Bedeutung kaiserlicher Ansprachen an das Heer. Deren Bedeutung wird anhand literarischer, epigrafischer und numismatischer Quellen deutlich, wobei vor allem die politische Intention der Bilddarstellung betont wird. Schließlich stellt Sommer einen Wandel in der Darstellung der "adlocutio" fest, den er mit einem Verfall der Redekunst in Verbindung bringt (351).
Michael Whitby stellt nach einem kurzen Überblick über die spätantiken Kriege deren Einfluss auf das Militär und die Gesellschaft dar. Große Bedeutung wird dabei den aus fremden Völkern rekrutierten Truppenteilen beigemessen, deren Angehörige schnell bis in höchste militärische und damit auch politische Positionen gelangten. Des Weiteren wird eine Dezentralisierung des Kriegswesens konstatiert, die mit der Heiratspolitik der spätantiken Kaiser in Verbindung gebracht wird.
Frank Trombley untersucht die römische Kriegspraxis an der syrischen Grenze in der Spätantike. Nach einem Überblick über Quellenlage, geopolitische Interessen und militärische Strukturen widmet sich Trombley der Persischen Kriege von 540-44, wobei er einzelne Operationen genauer beleuchtet. Hierbei betont er die Bedeutung der Feldherren.
Oliver Schmitt behandelt die Kriegsführung tribal organisierter Gesellschaften und stellt heraus, dass Kriege gegen Rom hauptsächlich Beutekriege kleinerer Gruppen waren. Landnahmeversuche wurden nur unternommen, wenn sich die Gelegenheit bot. Kontakte mit der römischen Armee wurden, so Schmitt, vermieden (421 f.), es sei denn die Lage der römischen Truppen war evident nachteilig. Als Ausnahme werden die Hunnen und Mauren dargestellt (424). Die Struktur tribaler Gesellschaften wird ebenso behandelt wie die Bedeutung des Gefolgschaftswesens. Auch die Probleme, die Rom mit der Kontrolle tribaler Gesellschaften hatte, werden behandelt.
Die ausgezeichnete Qualität der Aufsätze sei an dieser Stelle hervorgehoben. Stets folgt ihnen ein ausführliches Literaturverzeichnis, das ein Weiterarbeiten am Thema ermöglicht. Leider muss Kritik am Verlag geäußert werden, der offenbar ein abschließendes Lektorat unterlassen hat. Ansonsten hätten die auffälligen Druckfehler, die alle auf Umformatierungen der gelieferten Manuskripte zurückzuführen sind, vermieden werden können. Dennoch ist dieses Buch jedem, der sich mit antiker Militärgeschichte beschäftigt, ohne Einschränkungen zu empfehlen.
Holger Müller