Karoline Kmetetz-Becker: Die Konzeption des Ausstellungsraumes im Louvre des 19. Jahrhunderts und seine mediale Entwicklung (= Museen - Geschichte und Gegenwart; Bd. 5), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2005, 147 S., ISBN 978-3-8258-8895-4, EUR 14,90
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Der Louvre gehört zu den berühmtesten und ältesten Museen der Welt. Daher erscheint eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte seiner musealen Nutzung als eine anspruchsvolle und gewinnbringende Forschungsaufgabe. Mit diesem Thema und der damit verknüpften Konzeption der Ausstellungsräume im 19. Jahrhundert beschäftigt sich die leider nur mit sehr grobkörnigen schwarz-weiß Abbildungen versehene Schrift von Karoline Kmetetz-Becker.
Zunächst behandelt sie die mit der Revolution von 1789 verbundene Umwandlung des königlichen Schlosses in ein Kunstmuseum. Einen Schwerpunkt setzt sie im Folgenden mit der Beschreibung des Musée Napoléon der bonapartistischen Periode, die von einer engen Verbindung zwischen Kunstpräsentation und Politik geprägt ist. Zwei kürzere Kapitel folgen: Eines zur Entwicklung des Ausstellungsraumes während der Restauration, des Julikönigtums und des Zweiten Kaiserreichs sowie ein Zweites zur kulturellen Identität Frankreichs. Dabei wird vor allem die Position des Kunstkritikers als Vermittler zwischen Künstler und Publikum herausgestellt. In ihrem Resümee schlägt die Verfasserin einen Bogen von den Kunstausstellungen des 19. Jahrhunderts zu denen der Jetztzeit, beispielsweise zur Kasseler documenta 11. Hierbei betont sie die Rolle, die in beiden Epochen die "Fundamente der Vergangenheit [als] Rüstzeug für die Gegenwart" (124) spielen.
Leider ist bereits der formale Aufbau des Buches unschlüssig und sprunghaft. Die Unterkapitel werden nicht sinnvoll miteinander verknüpft, sodass oft unklar bleibt, warum plötzlich Themen gewechselt werden oder Exkurse erfolgen. Personen wie Pierre Joseph Proudhon oder die Brüder Goncourt werden charakterisiert, ohne dass eine Verknüpfung zwischen ihnen hergestellt wird. Diese Grundtendenz setzt sich auch im Text selbst fort, der sprachlich außerordentlich unbefriedigend ist und sprunghaft Einzelheiten vor dem Leser ausbreitet, deren Bezug zum Text nicht immer klar wird. Zudem sorgt das Fehlen sinnvoller Absätze zusätzlich für Verwirrung. Ein Beispiel: "Der Begriff Louvre scheint sich von Louverie abzuleiten und bezeichnet den Sammelplatz der Wolfsjäger. Etymologisch ist der Begriff "Ort" ein altgermanisches Wort, ..." (6). Abschweifend werden Aspekte erläutert, die entweder nichts zur Sache beisteuern oder die lexikalisches Allgemeinwissen referieren - bezeichnenderweise finden sich auch Konversationslexika in der Bibliografie ("Über viele Jahrtausende wurde Geschichte in Form und Erinnerung mündlich überliefert.", 122). Oft erscheinen die Inhalte der als Quellen fast ausschließlich genutzten Sekundärliteratur nicht durch ein eigenes in sich schlüssiges Konzept synthetisiert. Den umfangreichen deskriptiven Passagen zu den einzelnen Aspekten folgt oft genug keine Analyse. Hinzu kommen seltsame Schachtelsätze mit häufig unsinnigen Verknüpfungen ("Die politische Möglichkeit, einen Museumsraum einzurichten, war das erste mal [sic] unter Louis XVI., durch Comte d'Angiviller, Präsident der königlichen Gebäude und Kunstminister, ins Auge gefasst worden, der die königliche Kunst zeigen wollte, um durch die Kunstschätze die Macht des Königs zu präsentieren, und um ihm ein politisches Forum einzurichten.", 15). So bleibt festzuhalten, dass es dem Text bis ins Detail an Stringenz mangelt.
Allein dies würde genügen, Unleserlichkeit zu attestieren, aber zusätzlich findet sich eine Fülle sprachlicher Mängel: Naiv anmutende Wendungen ("Das Sammelsurium galt als erfindungsreiche und geglückte Repräsentation.", 16; "Als der Kunstbegriff sich zu dehnen beginnt...", 17) erscheinen im Wechsel mit unpassenden Wortkombinationen in gestelzten Formulierungen ("In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keimten in Paris zum ersten Mal die zentralen Themen der Museumspraxis auf."; "Meist hatte man den alten Baustil überbaut.", 14). Fortgesetzt schiefe ("Die Vorboten des revolutionären Louvremuseums...", 14) oder schlicht falsche Bezeichnungen ("Dies ist insofern hervorzuheben, da vor 1775 diese Technik [die Gemälderestaurierung], und vor allem die der Transformation von Holz auf Leinwand, verpönt war.", 15) werden verwendet sowie fehlerhafte ("Panini [...] hat verschiedene Innenraumansichten von antiken Galerien festgehalten.", 13) bis falsche Sachverhalte konstruiert (in Wunderkammern waren "hauptsächlich afrikanische Objekte ausgestellt", 10).
Die Mängel des Buchs sind so gravierend, dass man über eine Veröffentlichung der - als solche nicht gekennzeichneten - Magisterarbeit (Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Institut für Kunstwissenschaft) in dieser Form nur staunen kann. Ein durchgreifendes Lektorat scheint ebenso wenig erfolgt zu sein, wie eine korrigierende wissenschaftliche Begleitung. Dies alles ist umso bedauerlicher, als die Thematik der Kunstpräsentation heute im Zeitalter international agierender Museumskonzerne und zeitgleicher Museumskrise keineswegs an Bedeutung verloren hat. Das vorliegende Buch trägt leider nichts zur Erhellung dieser Sachverhalte bei.
Andreas Baumerich