Ralf Giermann: Moritzburger Festkultur im augusteischen Zeitalter. Die Sorgen an den Nagel hängen, Dresden: Sandstein Verlag 2005, 46 S., ISBN 978-3-937602-34-9, EUR 5,00
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Hof und Hofkultur gehören nunmehr schon seit längerem zum festen Kanon der historischen und kunstgeschichtlichen Forschung. Nachdem sich die Geschichtswissenschaft infolge der Abqualifizierung des Hofes als Hort von Intrigen, Sittenlosigkeit und Verschwendungssucht kaum der Hofproblematik angenommen hatte, konnten in der jüngsten Vergangenheit gerade interdisziplinäre Ansätze unser Verständnis über die in vielem so anders geartete höfische Welt des Ancien Régime fördern.
Eingedenk der Tatsache, dass es sich bei der vorliegenden Publikation um eine eher auf eine breite, allgemein interessierte Leserschaft zielende Veröffentlichung handelt, wird man nicht allzu strenge Maßstäbe anlegen dürfen. Es erscheint vor diesem Hintergrund verständlich, dass die Beschreibung dominiert und nicht die Analyse. Der Autor versteht es durchaus, seine Leser in gefälligem Stil über das Treiben der illustren Gäste auf Schloss Moritzburg im Augusteischen Zeitalter zu informieren. Ralf Giermann folgt dabei dem chronologischen Prinzip und wählt jene Phasen der Schlossgeschichte aus, in denen die Häupter des Hauses Wettin über einen längeren Zeitraum auf Moritzburg verweilten bzw. herausragende Hoffeste ausgerichtet wurden.
Nach einigen einleitenden knappen Bemerkungen über die Funktion solcher "Lustschlösser" - wie Moritzburg im Gesamtensemble der Dresdener Residenzlandschaft - stehen zunächst die im Schloss Moritzburg ausgerichteten Feste für die erste Mätresse Augusts des Starken, die Gräfin Königsmarck, im Mittelpunkt der Darstellung, für die es allerdings keine quellengestützten Belege gibt. Es folgt die Beschreibung der 1714 auf Moritzburg zelebrierten Hochzeit zwischen Moritz von Sachsen, einem unehelichen Sohn Augusts, und dem Fräulein Johanna Victoria Tugendreich von Loeben. Im Anschluss wird die Aufmerksamkeit dann jenen Feierlichkeiten gewidmet, die von der engen Liaison des Königs zu seiner Mätresse Maria Magdalena Gräfin von Dönhoff kündeten. Den Festen des Spätherbstes 1727 wohnte dann schon ein gesundheitlich angeschlagener König bei. Den Abschluss bildet der dreimonatige Aufenthalt des nachfolgenden sächsischen Kurfürsten bzw. polnischen Königs im Sommer 1738, gefolgt von einem Exkurs über das Schicksal der 1933 während der Ausstellung "August der Starke und seine Zeit" präsentierten Hoftafel inklusive des Tafelsilbers aus der Dresdener Hofsilberkammer.
Die sechs Kapitel stehen mitunter recht unverbunden nebeneinander, so dass der mit der kursächsischen Geschichte nicht so vertraute Leser etwas allein gelassen wird. Man wird die eher spärlich bleibenden Erklärungen zum zeitlichen Hintergrund der Ereignisse bzw. zum biographischen Kontext der auftretenden Protagonisten aber wahrscheinlich nicht dem Autor allein anlasten dürfen, sondern muss dies wohl auf den - im Interesse der Zielgruppe - bewusst gewählten beschränkten Umfang der Darstellung zurückführen.
Ebenso scheint die Einordnung der Vorgänge auf Schloss Moritzburg innerhalb des Ensembles der höfischen Gesellschaft Kursachsens, abgesehen von einigen knappen Bemerkungen (5), recht blass. Da die Darstellung konsequent deskriptiv bleibt, wird auch nicht versucht, die mitunter interessanten, teilweise aus Primärquellen gewonnenen Details der Festgestaltung einer Analyse zu unterziehen, so wie es neuere Ansätze zur Erforschung höfischer Zeichensysteme und Symbolik eigentlich angeraten erscheinen lassen würden.
Der geneigte Leser dürfte dennoch auf seine Kosten kommen, denn Giermann versteht es, das Treiben der Hofgesellschaft auf Schloss Moritzburg vor unserem Auge lebendig werden zu lassen. So manch amüsantes Detail wie der Verstoß des kränkelnden Königs gegen die "Statuten der Gesellschaft zur Bekämpfung der Nüchternheit" (30) oder der immer wieder bei den Festgelagen zu rügende Diebstahl von Teilen des königlichen Tafelsilbers (42) wird sicher zum Schmunzeln anregen. Besonders hervorhebenswert erscheinen dem Rezensenten die Auswahl und hervorragende Qualität der Illustrationen. Vor allem die hier wiedergegebenen Bildvorlagen über das Interieur des Schlosses und die die Festkultur illustrierenden Gemälde laden förmlich dazu ein, dies "vor Ort" in Augenschein zu nehmen.
Ungeachtet der hier nicht oder zu kursorisch behandelten Problemkreise bietet die vorliegende Darstellung gleichwohl die eine oder andere Facette für denjenigen Forscher, der sich dem kursächsischen Hof (bzw. den Höfen) analytisch nähern möchte. Denn eine heutigen wissenschaftlichen Standards genügende Gesamtdarstellung zur kursächsischen Hofgesellschaft im Ancien Régime steht bekanntlich, ungeachtet einiger bemerkenswerter Einzelbeiträge von Historikern (K. Czok, K. Keller u. a.) und Kunsthistorikern (H. Lorenz, H. Magirius, M. Schlechte u. a.), noch aus.
Frank Göse