Christoph Tepperberg / Jolán Szijj (Hgg.): Von der Revolution zur Reaktion. Quellen zur Militärgeschichte der ungarischen Revolution 1848-49, Wien: Böhlau 2006, CX + 878 S., 11 Farb-, 5 s/w-Abb., ISBN 978-3-205-77549-2, EUR 59,00
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Jürgen Müller (Bearb.): Der Deutsche Bund in der nationalen Herausforderung 1859-1862, München: Oldenbourg 2012
Walter Koring / Mikael Horstmann (Bearb.): Revolution! Das Jahr 1848. Das Tagebuch des David Adolph Zunz, Frankfurt/M.: Henrich 2016
Militärische Aktionen prägten die Revolution von 1848/49 in Ungarn in stärkerem Maß als auf den meisten anderen europäischen Schauplätzen: Zwar machte die Regierung in Wien der ungarischen Autonomiebewegung in der Anfangsphase weitreichende Zugeständnisse und stellte wegen fehlender Machtmittel die militärische Option der Problemlösung zunächst zurück; allerdings sah sich das im März 1848 gebildete Ministerium Batthyány schon bald mit innerungarischen Nationalitätenkonflikten konfrontiert, die es seinerseits mit Waffengewalt zu unterdrücken versuchte. Der Hauptträger des Widerstands gegen die mit der Revolution hervorgetretenen Magyarisierungstendenzen war die kroatische Nationalbewegung, deren Führer Jellacic eine militärische Offensive organisierte. Ihre Schlagkraft wuchs erheblich, als es im Oktober zum endgültigen Zerwürfnis zwischen Wien und Budapest kam und die kaiserliche Regierung sich der Kroaten bediente, um die nun offen nach Unabhängigkeit strebenden ungarischen Revolutionäre niederzuwerfen. Eine direkte Intervention österreichischer Truppen in Ungarn erfolgte nach der Niederschlagung des Wiener Oktoberaufstands am Jahresende 1848, als die kaiserliche Macht wieder gefestigt schien; sie führte allerdings zu keinem raschen Sieg. Das Blatt wendete sich erst gegen die ungarischen Freiheitskämpfer, als im Juni 1849 starke russische Truppen den Österreichern zur Hilfe kamen. Das Ende der ungarischen Revolution markierte die Kapitulation der Hauptmacht der ungarischen Truppen bei Vilagos vor den Russen Mitte August 1849.
Der anzuzeigende Quellenband, bei dem es sich um eine Koproduktion österreichischer und ungarischer Historiker handelt, umfasst 384 Dokumente, die den Verlauf dieser militärischen Konflikte dokumentieren, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit zwischen Oktober 1848 und August 1849 liegt. Den innerungarischen Kämpfen in der Anfangsphase der Revolution sind nur einige wenige Dokumente gewidmet, und das Nachspiel der militärischen Niederschlagung des Aufstands - im Zuge eines blutigen Rachefeldzugs gegen die Protagonisten des ungarischen Freiheitskampfs wurden im Oktober 1849 unter anderem 13 Generäle hingerichtet - bleibt ganz ausgeklammert. Das Gros der bislang unpublizierten Quellen, die zu ungefähr gleichen Teilen dem ungarischen und dem österreichischen Kriegsarchiv entstammen, stellen Berichte kommandierender Offiziere an ihre vorgesetzten Stellen über Verlauf und Ausgang einzelner Gefechte und Schlachten dar. Militärhistoriker mögen manche operative Details mit Interesse zur Kenntnis nehmen und auch für eine Gesamtbilanz des Krieges können die Aussagen über Einsatz und Verluste von Menschen und Material nützlich sein; darüber hinaus ist der Quellenwert dieser Berichte, in denen häufig Entschuldigungen für das Ausbleiben des Kriegsglücks vorgetragen werden, eher gering zu veranschlagen. Vergleichweise klein ist die Zahl der Dokumente, die über die Singularitäten des Kriegsverlaufs hinaus Bedeutung haben. Zu ihnen zählen etwa der Protokollsauszug des ungarischen Ministerrats vom 20. Mai 1849 über den unter dem Eindruck der angekündigten russischen Intervention revidierten Kriegsplan (Nr. 216), der Entwurf eines Operationsplans für die Donauarmee in Ungarn von Julius von Haynau vom 7. Juni 1849 (Nr. 224) oder Haynaus Bericht an Kaiser Franz Joseph über die vorentscheidende Schlacht bei Temeschwar vom 10. August 1849 (Nr. 360).
Welches Konzept der Auswahl der Dokumente zugrunde lag, bleibt unklar, da das Geleitwort lediglich mitteilt, die Quellen seien "nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt" (VII), ohne diese Kriterien näher zu erläutern. Ebenso ungewöhnlich wie dieser Verzicht auf eine Begründung des Editionsvorhabens im Ganzen sind die fehlenden Erläuterungen zu den Quellenstücken im Einzelnen. Der Band erscheint zwar mit umfangreicher Bibliografie, einem Glossar und mehreren stattlichen Registern wie ein wissenschaftliches Quellenwerk, lässt aber die bei solchen Publikationen üblichen Erläuterungen zu den Dokumenten vermissen. Zu den Quellenstücken werden in der Regel nur die jeweiligen Archivsignaturen angegeben, und in kurzen Überschriften wird mitgeteilt, wovon die Briefe oder Berichte handeln. Wenn zusätzliche Anmerkungen gemacht werden, beschränken sie sich fast ausnahmslos auf die Texte selbst und teilen zum Beispiel Marginalien mit oder korrigieren Schreibfehler. Ergänzende Informationen über die Kontexte, in denen die Quellen entstanden sind, oder über die Sachverhalte, von denen sie berichten, fehlen völlig. Gleiches gilt für die Verfasser der Texte, die nicht einmal mit ihren Lebensdaten und Ämtern vorgestellt werden - weder die weniger prominenten noch die militärischen und politischen Führer.
Wie man unter diesen Prämissen die Hoffnung hegen kann, "die Dokumente zur Militärgeschichte der ungarischen Revolution 1848/49 einem breiteren, insbesondere deutschsprachigen Publikum zugänglich" (VII) machen zu können, bleibt unverständlich. Zugänglich sind die Quellen in der vorliegenden Form nämlich nur Kennern der Materie; alle anderen Leser werden sie sich unter Zuhilfenahme verschiedener Nachschlagewerke - zum Beispiel eines historischen Atlasses, da in dem Buch keine einzige Karte abgedruckt ist, anhand derer sich Truppenbewegungen nachvollziehen oder Schlachten lokalisieren ließen - erst selbst erschließen müssen. Letzteren ist auch mit der etwa 40-seitigen Einleitung, die einen Überblick über die Revolution in Österreich und Ungarn gibt, nur wenig gedient, da sie mit dem Quellenteil kaum verknüpft ist. Der Eindruck, dass hier ein halb fertiges Produkt in den Druck gelangt ist, wird nicht zuletzt auch durch den Umstand genährt, dass ein beigelegtes Fehlerverzeichnis zwar einige kuriose Versehen im Abbildungsteil am Schluss des Bandes korrigiert, nicht aber die teilweise haarsträubenden Satzfehler in der Einleitung.
Frank Engehausen