Frank Büttner / Andrea Gottdang: Einführung in die Ikonographie. Wege zur Deutung von Bildinhalten, München: C.H.Beck 2006, 304 S., ISBN 978-3-406-53579-6, EUR 19,90
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Bettina Hagen: Antike in Wien. Die Akademie und der Klassizismus um 1800. Eine Ausstellung der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste Wien vom 27. November 2002 bis 9. März 2003 und der Winckelmann-Gesellschaft im Winckelmann-Museum Stendal vom 11. Mai bis 27. Juli 2003, Mainz: Philipp von Zabern 2002
Luba Freedman / Gerlinde Huber-Rebenich (Hgg.): Wege zum Mythos, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2001
Hermann Bauer / Frank Büttner / Bernhard Rupprecht (Hgg.): Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland. Band 7: Freistaat Bayern - Regierungsbezirk Oberbayern, Landkreis Erding. Bearbeitet von Anna Bauer-Wild und Cordula Böhm, München: Hirmer 2001
Andrea Gottdang: Vorbild Musik. Die Geschichte einer Idee in der Malerei im deutschsprachigen Raum 1780-1915, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2004
Frank Büttner / Markus Friedrich / Helmut Zedelmaier (Hgg.): Sammeln, Ordnen, Veranschaulichen. Zur Wissenskompilatorik in der Frühen Neuzeit, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2003
Erleben wir eine Rückkehr der Bedeutungsforschung, eine Wiederkehr der großen hermeneutischen Entwürfe, die intellektuelle Renaissance einer humanistisch-abendländischen Hochkultur? Gerade hat Hans Ulrich Gumbrecht, wenn auch in bewusster Selbsthistorisierung und selbstkritischer Perspektive, seine frühen Aufsätze zur Begriffsgeschichte wieder herausgegeben, eben ist das erste Heft der Zeitschrift für Ideengeschichte erschienen und überall im Lande finden wissenschaftshistorische Tagungen zur bundesrepublikanischen Denktradition statt, die sich der Bedeutung der Bielefelder Schule und der Konstanzer Forschergruppe Poetik und Hermeneutik, der Leistungsfähigkeit einer historischen Begriffsgeschichte Koselleckscher Prägung und dem für viele Fächer attraktiven Projekt von Blumenbergs Metaphorologie annehmen. Mit Stolz blicken die Geisteswissenschaften derzeit auf die großen begriffsgeschichtlichen Pioniertaten wie die Geschichtlichen Grundbegriffe und das Historische Wörterbuch der Philosophie, auf ihre Gründerväter wie Joachim Ritter, Erich Rothacker und eben Reinhart Koselleck zurück. Die Rephilologisierung der Germanistik, einer Kernzelle des literaturtheoretischen Umbaus der Geisteswissenschaften in den Siebzigerjahren, ist in vollem Gange. Nach unzähligen "turns" und Paradigmenwechseln also eine Rückkehr zu den gesicherten Bahnen der Überlieferung, ein Wiedererwachen der Traditionsforschung?
Auch die Kunstgeschichte erscheint von der derzeitigen Theoriemüdigkeit erfasst worden zu sein. Das Paradigma der Theorie, kaum im Fach angekommen, also schon wieder überholt? Allein die Tatsache, dass sich die Kunstgeschichte nach dem Ausruf des Paradigmenwechsels zu einer historischen Bildwissenschaft noch immer nicht auf eine theoretische Fundierung ihrer Methodik einigen konnte, lässt den Verdacht aufkommen, dass auch diesem "turn" in baldiger Zukunft ein erneuter Wechsel des Paradigmas bevorsteht. Doch was mag dann kommen? Eine Rückkehr zur Künstlergeschichte, zur Stilanalyse, eine Rückkehr gar zu Ikonographie und Ikonologie? Nichts erscheint dem versierten Theoretiker suspekter als die Ikonographie. Sinn, Bedeutung, gar historische Konstanten von Bildthemen und ihrer historischen Deutungstraditionen lassen sich im Zeitalter allumfassender kunstwissenschaftlicher Kontextualisierung und der Dekonstruktion von Sinn nur schwerlich einfordern. Doch Ikonographie und Ikonologie sind über die Theoriestürme der Siebziger- und Achtzigerjahre hinweg ein ideengeschichtliches Refugium der Kunstgeschichte geblieben, sie legen im Idealfall die verwitterte Römerstraße unserer Überlieferung von der Antike bis in die Gegenwart, sie legen die langen Wege des Bilderverkehrs anhand der Kontinuität und des Wandels der Bildmotive frei. Hier findet man die großen transhistorischen Gedankengänge, die Kontinuitätsentwürfe der Bildthemen, das Wandern der Ideen in visueller Verwandlung wie es die legendären Ikonologen und Bildforscher von Emile Mâle, Aby Warburg, Erwin Panofsky und Edgar Wind bis zu Willibald Sauerländer und Martin Warnke beschrieben haben.
Der Anspruch, den Frank Büttner und Andrea Gottdang mit ihrer Einführung in die Ikonographie äußern, erscheint hier zunächst weitaus bescheidener. Aus der Praxis des universitären Unterrichts sei es Gebot der Stunde, dem allgemeinen Bildungsverlust, der insbesondere die Kenntnis der antiken Autoren und der Klassiker der Weltliteratur, aber auch die Bibellektüre betrifft, mit einem Einführungswerk zu begegnen, das eine umfassende Orientierung auf dem Gebiet der wichtigsten Bildthemen in Mittelalter und Neuzeit bietet. Es sei vorneweg angemerkt, dass die Autoren diesem Anspruch auch vollends gerecht werden. Der Band trägt den bescheidenen Untertitel Wege zur Deutung von Bildinhalten, womit bereits erklärt wird, dass hier nicht im Sinne eines "Was die Bilder erzählen" umfassend alle Bildthemen aufgeführt sind, sondern Wissens- und Denkwege aufgezeigt werden. Das Manko, dass der Leser nun gezwungen ist, diese Wege vollständig mitzugehen, da der Band kein Register besitzt, sei zumindest erwähnt. Auch wenn die einzelnen Bildthemen und Gattungsbegriffe als Lemmata am Textrand erscheinen, wäre der Paratext eines Registers für eine Einführung als notwendiges Instrument zur Benutzung wünschenswert gewesen. Die thematisch geordnete Bibliografie ist auf der Höhe der aktuellen Forschung zu den allgemeinen methodologischen Problemen und bietet auch bei den Einzelstudien eine umfassende Orientierung.
Die Einführung gliedert sich in drei Abschnitte. Kurze einleitende Bemerkungen betreffen die Methodik ikonographischer Analyse und beziehen sich im weitesten Sinne auf das von Erwin Panofsky erstmals 1932 systematisierte Dreischritt-Schema von vor-ikonographischer Beschreibung, ikonographischer Bestimmung und ikonologischer Interpretation. [1] Dass die Ikonographie als Verfahren der Benennung und Bestimmung einer bildlichen Darstellung (nach den hier definierten Kriterien: "Stoff" - "Thema" - "Typus" - "Auffassung") nur in den seltensten Fällen von der Deutung des Befundes zu trennen ist, thematisieren Büttner/Gottdang nicht nur hier, sondern auch immer wieder im Verlauf ihrer Darstellung. Es folgen Bemerkungen zur Geschichte der ikonographischen Methode und zu den Feldern ikonographischen Arbeitens, die mit der erklärten Fokussierung auf die Werke der Hochkunst, auf die neuzeitliche Historienmalerei und die großen religiösen und profanen Bildprogramme, vielleicht die am meisten problematische Einschränkung des Bandes bilden.
Das ikonographische Material wird in zwei großen Abschnitten etwa gleichen Umfangs vorgeführt, wobei die durchgängige schwarz-weiße Bebilderung spärlich ist. Die Ausführungen zur religiösen Ikonographie stammen von Andrea Gottdang, den Abschnitt zum Profanbild hat Frank Büttner verfasst. Beide Kapitel beginnen mit einer historischen Einleitung, die eine geschichtliche Kontextualisierung der jeweiligen Darstellungsaufgaben leistet. Daran schließen sich knappe, aber äußerst konzise und auf dem neuesten Stand der Forschung verfasste Kommentare zu den Grundbegriffen und Grundthemen der religiösen und profanen Ikonographie, die immer wieder von Einzelanalysen exemplarischer Werke, etwa des Portalprogramms des Straßburger Münsters (nach 1276) oder von Luca Giordanos allegorischem Deckenfresko im Palazzo Medici-Riccardi in Florenz (1682-1685), unterbrochen werden. Gerade diese im engeren Sinn werkbezogenen Abschnitte lockern den Text auf und machen vollends deutlich, dass hier kein ikonographisches Lexikon geliefert werden soll, sondern einer narrativen Struktur der Vorzug gegeben wird. Es würde zu weit führen, hier Details, etwa zur zentralen Problematik des Christusbildes oder zu der recht knapp abgehandelten Bilddebatte der Gegenreformation, herauszugreifen und zu diskutieren. Es soll jedoch betont werden, dass gerade mit dem Abschnitt zur profanen Ikonographie nun eine Überblicksdarstellung vorliegt, die es in dieser Form bisher noch nicht gab. Sie unterscheidet sich in ihrem umfassenden Anspruch grundlegend von den Lexika mythologischer Gestalten und Bildthemen, die ihr Material rein enzyklopädisch respektive alphabetisch ordnen. Büttners Ausführungen sind dagegen eine Geschichte und Theorie der Profanikonographie in nuce, die bildtheoretische und gattungsspezifische Fragen gleichermaßen thematisiert. Behutsam nähert sich der Autor seinem Gegenstand von den Traditionen mittelalterlicher Naturdeutung über die Problemfelder und Gattungsbegriffe Symbol, Zeichen, Allegorie, Personifikation, Hieroglyphik, Emblem und Imprese bis zum zentralen Problem der Ikonologie (Iconologia), jenem seit Cesare Ripas 1593 erstmals, 1603 auch illustriert publizierten sprachlogischen Strukturierungsversuch wohl erfolgreichsten Konzept des Denkbildes, das die religiöse wie die profane Ikonographie der Neuzeit gleichermaßen geprägt hat. Abschnitte zur antiken Mythologie - mit Ovids Metamorphosen und ihrer Deutung im Zentrum - als Hauptthemenfundus der Profankunst und Hauptverkehrsmittel der Antikenrezeption, zur Geschichtsmalerei von der Renaissance bis zu ihrem Höhepunkt im 19. Jahrhundert und zur Dichtungsillustration (Nibelungen, Dante, Ariost, Tasso, Shakespeare, Goethe etc.) schließen sich an. Es sei hervorgehoben, dass Büttner hier eine ausgezeichnete Zusammenfassung der komplexen Thematik der nachantiken Mythendeutung gelingt, die man in anderen kunsthistorisch ausgerichteten Werken wie Seznecs Fortleben der antiken Götter (zuerst 1940, deutsch 1990) so nicht findet. Von der Mythenkritik der Kirchenväter über die allegorischen, moralischen und euhemeristischen Deutungsmodelle der Spätantike und des Mittelalters bis zu den mythographischen Kompendien der Neuzeit seit Boccaccio finden sich hier alle wesentlichen Punkte der Transformation der Götterbilder aufgeführt und in einer gut lesbaren Weise vorgestellt.[2] Hier fehlt lediglich ein Hinweis auf den so genannten Albricus, den Pierre Bersuire (Petrus Berchorius) zugeschriebenen Libellus de deorum imaginibus, den ersten mythographischen Traktat, der ausschließlich der Beschreibung von "Bildern" gewidmet ist, und auf dessen Bedeutung für die profane Ikonographie - etwa die Tarocchi-Karten - seit Warburgs Tagen vor allem Bodo Guthmüller immer wieder hingewiesen hat. In zahlreichen Handschriften überliefert, wurde dieser Text noch bis in das 17. Jahrhundert gedruckt und blieb damit vor Vincenzo Cartaris Imagini (zuerst 1556) hauptverantwortlich für die sprachanaloge Strukturierung vieler Götterbilder selbst noch im Zeitalter des Humanismus und der archäologischen Ausgrabungen. Angesichts der Fülle des von Büttner souverän zusammengezogenen Materials möchte man darauf nicht unbedingt insistieren. Doch kann der Rezensent sich eine Geschichte der profanen Ikonographie ohne ein Kapitel zur Bild- und Deutungsgeschichte von Vergils Aeneis, die nur beiläufig Erwähnung findet (139, 183), nicht denken. Hier ist nämlich der Punkt, an dem die schematische Unterteilung von sakraler und profaner Ikonographie von der heterogenen Struktur der Werke selbst unterwandert wird. Natürlich ist Aeneas ein antiker Heros und als letzter Trojaner der Begründer des römischen Weltreichs. Er ist zugleich mythologisches Personal und historische Figur. Die christliche Vergildeutung des Mittelalters, die christliche Rom-Idee, hatte aus Aeneas aber auch für das Christentum, ja selbst für die römischen Päpste einen überaus attraktiven Helden werden lassen: "pius Aeneas" heißt er schon bei Vergil. Denkt man an Meisterwerke des profanen Bildes wie Gianlorenzo Berninis frühe Aeneas und Anchises-Gruppe, so wäre gerade die Bildgeschichte der Aeneis, in der exempelhafte Szenen und Verhaltensweisen römische virtus und christliche Tugendhaftigkeit zugleich illustrieren, ein Prüfstein der ikonographischen Methode. Ähnlich ließe sich anhand der Apoll und Daphne-Gruppe in der Villa Borghese fragen (195), ob das von Maffeo Barberini verfasste Epigramm mit seiner moralphilosophischen Ermahnung tatsächlich eine Rechtfertigungsstrategie, ein moralisches Bildungsmäntelchen für die Aufstellung des Profanbildes in einer Kardinalsvilla ist. Analog zum Schriftverständnis der Epoche ist die mehrfache Auslegung eines Bildstoffes ja durchaus möglich. Der künstlerischen Virtuosität in der Behandlung des Marmors und dem erotischen Thema von Begehren und Ablehnung, von Flucht und Verfolgung widerspricht nicht, dass das Werk auch einen sensus moralis besitzt. Man nivelliert den uns lieb gewordenen Hedonismus der Kardinalnepoten ("Kardinäle, Künstler, Kurtisanen") nicht, wenn man auch deren Bildverständnis in der theologischen Schulung der Schriftauslegung kontextualisiert. Hier dürfte das ästhetische Vergnügen gerade in der medialen Ferne von künstlerischem Vortrag und dichterischem Kommentar, in der gleichzeitigen Erweckung des Verlangens und seiner diskursiven Disziplinierung gelegen haben.
Lässt sich die Übergängigkeit profaner und sakraler Bilder in der nachmittelalterlichen Bildkultur Europas noch mit dem methodischen Werkzeug der Ikonographie beschreiben? Einen interessanten Grenzfall bietet hier die Ikonographie von Torquato Tassos Epos der Gerusalemme liberata (zuerst 1581), der Büttner erhellende Zeilen widmet (256-262). Die Tasso-Ikonographie ist in kunsthistorischer Perspektive jung. Nach dem Erscheinen des Epos hatte sich bald eine eigenständige Bildlichkeit ausdifferenziert. Die genuine Neuerfindung einer Profanikonographie um 1600, die paradoxerweise alle theoretischen Forderungen zu berücksichtigen hatte, die an das religiöse Bild im Zuge der gegenreformatorischen Bilddebatte gestellt wurden, ist hier signifikant. Denn das Bild gebende Verfahren der Tasso-Illustratoren reflektiert in vorbildlicher Weise das Problem von Wahrheit und Wahrscheinlichkeit, von veritas historica und verisimile: Einerseits ist Tassos Epos ein Werk der Dichtung und damit der Fiktion, andererseits demonstriert es den Kampf der Christen gegen die Heiden in allgemeiner Form anhand eines Stoffes aus der mittelalterlichen Geschichte und kann damit auch eine außerliterarische und nicht zuletzt religiöse Wahrheit beanspruchen. Die gattungsspezifische Uneindeutigkeit von Tassos Epos, das raffinierte poetische Fiktionen mit der historischen Tatsache christlicher Heilswahrheit - der Kampf um Christi Grab - verknüpft, spiegelt der berühmte Fall eines Bildkonzepts, der so genannten "Impresa per dipingere l'historia d'Erminia", des Kirchenmanns und Kunsttheoretikers Giovan Battista Agucchi aus dem Jahre 1602. Es geht dabei um die idyllische Episode der Erminia bei den Hirten, die Tasso zu einer Gegenüberstellung zweier Lebensprinzipien, von vita activa und vita contemplativa ausgebaut hat. Agucchi wollte mit diesem Bildsujet seine Lebensmaxime und Imprese "In inquieto quies" visualisieren und hatte lange nach einem geeigneten Stoff in der religiösen und der profanen Ikonographie gesucht. Den ambivalenten Status von Tassos Poesie thematisiert Agucchi mit dem Hinweis auf den "senso mistico" der gewählten "historia" aus dem 7. Buch der Gerusalemme liberata, kurzum: mit dem Verweis auf die Praxis biblischer Textexegese, wobei er als Kleriker den profanen Charakter der Dichtung jedoch bedingungslos anerkennen muss: "la quale per cosa non sacra mi pare assai conveniente, leggiadra e misteriosa, et se verrà bene et fresca, non dubito che non sia per piacere a chiunque la vedrà."
Auch für das von Büttner vorgestellte Bildthema von Erminia findet Tancredi (258) ließen sich Beobachtungen anstellen, die den Status des Bildes zwischen sakral und profan berühren. Ein eindringliches Beispiel bietet Guercinos frühes Gemälde dieses Themas in der Galleria Doria Pamphilj in Rom. Zur Visualisierung des tragischen Wiederfindens, das eine von Leidenschaft getragene Liebesgeschichte voraussetzt, bediente sich Guercino eines ikonographischen Typus, den er in vergleichbarer Form auch zur Darstellung einer christlichen historia, der Pflege des verwundeten Sebastian durch Irene und sogar auch für die den toten Christus beklagende Maria Magdalena einsetzen konnte. Damit ist wohl kein Bedeutungsverlust der religiösen Bildformel indiziert. Offensichtlich wurden hier aber ikonographische Typen übertragbar und konnten eine neue Bedeutung annehmen, wie es Werner Busch als Charakteristikum der Auflösung klassischer Ikonographie für das 18. Jahrhundert beschrieben hat. Eben dieses Problem, ob es tatsächlich ein "Ende der Ikonographie" im Zeichen der Autonomisierung der Künste gibt, diskutieren Büttner und Gottdang im Schlusskapitel des Buches. Mit dem Verweis auf Friedrich Schlegels Konzept des "Bedeutenden" werden hier Denkwege gewiesen, die die allgemein akzeptierte Großthese vom Ende der Ikonographie kritisch reflektieren. Das ist weit mehr als eine Einführung in die Ikonographie, sondern ein Plädoyer für die Bedeutung der Bilder, eine erklärte Parteinahme für die Ikonographie als "Pflege und Bewahrung unseres kulturellen Erbes" (275). Diese Nachdenklichkeit mag angesichts der Bild- und Bildungsvergessenheit der Gegenwart ihre Berechtigung haben, und sie wird in einem sachlichen Ton vorgetragen, mit dem sich ihr Autor nicht zum laudator temporis acti erhebt.
Diese Einführung in die Ikonographie ist unbedingt lesenswert, auch wenn man meint, selbst schon ausreichend über die Bildgegenstände informiert zu sein. Es bleibt zuletzt zu fragen, ob das gewählte Paradigma der Hochkunst, des tableau und der Bild-Text-Beziehung, nicht die anzuerkennenden Leistungen der historischen Bildwissenschaft ein wenig zu kurz kommen lässt. Man muss ja nicht gleich für eine radikale Entprivilegierung der Hochkunst plädieren, um auch die frühneuzeitliche Ikonographie der Wissenschaften, der Naturkunde und Naturphilosophie, der Ethnografie, der Archäologie, der Technikgeschichte oder der Träume, kurzum: vor allem das gesamte Spektrum der Bilder im Buchdruck und in verwandten Bildmedien, in eine Einführung aufzunehmen, die ihren Gegenstand umfassend darzustellen versucht. Hans Holländers magistrales Kompendium Erkenntnis - Erfindung - Konstruktion hat ja den Horizont einer solchen Bildgeschichte, die zwangsläufig auch Gegenstand der ikonographischen Methode sein muss, weit aufgerissen.[3] Wenn das Leben der Bilder aber ebenso lang ist wie das Leben der Ideen, wie Büttner/Gottdangs Buch aufs Schönste unter Beweis stellt, dann bleibt auf eine solche Fortsetzung zu hoffen.
Anmerkungen:
[1] Erwin Panofsky: Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst, in: Logos 21, 1932, 103-119.
[2] Natale Contis Mythologiae sind erstmals nicht 1551, sondern erst im Jahre 1567 in Venedig erschienen. Die 1551er-Ausgabe ist eine Erfindung der Forschung, sie ist bibliografisch nicht nachweisbar. Dazu und zum gesamten Problem der Deutungstraditionen der antiken Mythologie und namentlich Ovids darf der Verfasser auf sein nicht in der Bibliografie aufgeführtes Buch zum Thema verweisen: Lügenhafte Bilder. Ovids favole und das Historienbild in der italienischen Renaissance (= Rekonstruktion der Künste; 6), Göttingen 2002.
[3] Hans Holländer (Hg.): Erkenntnis - Erfindung - Konstruktion. Studien zur Bildgeschichte von Naturwissenschaften und Technik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Berlin 2000.
Michael Thimann