Rezension über:

Dušan Kos: In Burg und Stadt. Spätmittelalterlicher Adel in Krain und Untersteiermark (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; Bd. 45), München: Oldenbourg 2006, 687 S., ISBN 978-3-486-58076-1, EUR 94,80
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Rezension von:
Werner Hechberger
Universität Passau
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Werner Hechberger: Rezension von: Dušan Kos: In Burg und Stadt. Spätmittelalterlicher Adel in Krain und Untersteiermark, München: Oldenbourg 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 6 [15.06.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/06/11533.html


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Dušan Kos: In Burg und Stadt

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Die Beschäftigung mit dem spätmittelalterlichen Adel hat in der modernen Mediävistik zweifellos Konjunktur. Vielfältige Fragestellungen werden verfolgt, Ausgangspunkt jeder weiterführenden Analyse ist aber zunächst einmal eine solide Aufnahme des Grundbestands.

Die Arbeit von Dušan Kos ist als Beitrag zur Grundlagenforschung im besten Sinn zu verstehen. Der Autor widmet sich dem Burgenbau des Adels in Krain und in der Untersteiermark; ihren besonderen Reiz gewinnt die Abhandlung nicht zuletzt aus der Tatsache, dass Kos die Ergebnisse der modernen slowenischen Forschung einem Leserkreis vermitteln kann, der - wie der Rezensent - dieser Sprache nicht mächtig ist. Allein schon der einleitende Überblick zur Forschungsgeschichte samt ihren verschlungenen Pfaden (13-22) ist mit großem Gewinn zu lesen. Kernstück der Arbeit aber ist ein fast 300 Seiten umfassender "analytischer Teil", der ein alphabetisch angelegtes Verzeichnis der Burgen dieses Raums bietet (169-466). Für jede Anlage wird ein in akribischer Kleinarbeit gewonnener historischer Abriss erstellt, in dessen Zentrum rechts- und besitzgeschichtliche Aspekte stehen. Neben der einschlägigen Literatur und den gedruckten Quellen werden dazu unveröffentlichte Urkunden aus einer Vielzahl von Archiven herangezogen. Gerade dieser Katalog ist eine echte Bereicherung für die Adelsforschung nicht nur dieses Raums. Selbst wenn man um einige Hypothesen über Abstammungsverhältnisse einzelner Adelsfamilien durchaus weiter streiten kann, wird man doch zweifellos festhalten dürfen, dass dieser Teil eine solide Grundlage für weiterführende Abhandlungen zur Geschichte des Adels in diesem Raum bietet.

In einer "Synthese", die der Autor an den Anfang seiner Arbeit gestellt hat (23-168), wird eine Reihe zentraler Probleme aufgeworfen, die gerade die moderne Forschung beschäftigen.

Begonnen wird mit knappen Abhandlungen über die Burg als terminologisches Problem, über Burgenbenennungen sowie über Entstehung und "Rechtsnormierung" der Burgen. Kos orientiert sich in diesem Teil vornehmlich, aber keineswegs ausschließlich an Arbeiten, die mit der Geschichte seines Raums in Beziehung stehen; ihm gelingt es dabei, seine Themen in einen größeren Kontext zu stellen. Deutlich wird unter anderem die auch für andere Regionen bestätigte Tatsache, dass das Leben auf einer Burg für Teile des niederen Adels lange keine Selbstverständlichkeit war; im untersuchten Raum gilt dies für die breite und heterogene Schicht der "Rittermäßigen".

Ein darauf folgendes Kapitel über Burgen und Landgerichte nimmt den verfassungs- und rechtsgeschichtlichen Kontext in den Blick. Erkennbar werden die regionalen Unterschiede sowie der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Landgerichte und dem Ausbau der Herrschaften. Ausführlich beschäftigt sich Kos mit der Burgenpolitik von den Anfängen bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts. Auch in diesem Teil stehen rechtsgeschichtliche Aspekte im Vordergrund. Erörtert werden Themen wie Vogtei und Burg für die Frühzeit, Offenhausrecht oder Burg und Treueid für das späte Mittelalter.

Ein Kapitel über die Burg als "Ort gesellschaftlichen Lebens" hält nicht ganz, was die Überschrift verspricht: Auch hier befasst sich Kos wiederum primär mit rechtsgeschichtlich relevanten Aspekten. So wird die Frage untersucht, welche Bedeutung Burgen und Dörfer als Ausstellungsorte von Urkunden hatten; auch in diesem Fall werden regionale Unterschiede deutlich. Bei der Analyse der Beziehungen zwischen Stadt und Adel konzentriert sich Kos auf den in "bürgerlichen Siedlungen" lebenden Landadel, erörtert wird das Verhältnis zum Patriziat.

Die überaus schwierige Frage nach Besitz- und Eigentumsformen adliger Herrschaften wird im nächsten Teil untersucht. Kos gelingt es durchaus, das Spannungsfeld zwischen Allodialisierung und Umwandlung in Lehnsbesitz für seinen Raum auszuloten; allerdings sind die Ergebnisse nicht nur wegen der Quellenlage bisweilen hypothetisch. Angesichts der im Hintergrund stehenden, recht umfassenden und grundsätzlichen Kontroversen um die damit zusammenhängenden rechtsgeschichtlichen Fragen kann das dem Autor aber nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Beim Abschnitt über die Burgenverwaltung wird mit Recht hervorgehoben, dass man für dieses Thema nur im Falle der höherrangigen Burgherren eine einigermaßen befriedigende Darstellung bieten kann. Die Burggrafschaft und ihre Bedeutung wird unter verschiedenen Blickwinkeln erfasst: Ministerialen und Burggrafschaft, Burglehensrecht und Burghut, Verwaltung durch Amtsleute und Herkunft der Burggrafen. Daran schließt sich ein Überblick über die Verwaltung von Burgen geistlicher und weltlicher Herren an. Im letzten Abschnitt der Synthese widmet sich der Autor der Burg als Kapital. Im Zentrum dieses Teils stehen Akteure, Motive, Transaktionsformen und Folgen von Verkauf, Verpfändung und Besitzerwechsel. Erbschaftsfragen und Heiratspolitik werden ebenso thematisiert wie das Problem der Ganerbenburgen.

In der Schlussbemerkung (165-168) fasst der Autor einige - keineswegs alle - seiner Ergebnisse zusammen. Auffällig für seinen Raum erscheint ihm der rasche und fortwährende Wandel der Familien. Auch die räumliche Mobilität habe im 14. Jahrhundert deutlich zugenommen, eine Konstante sei der ununterbrochene Kampf um die Bewahrung des rechtlichen und sozialen Status gewesen. Obwohl die Ministerialen im 13. Jahrhundert ihre Bindungen lockern oder gar abschütteln konnten, seien Standeserhöhungen und vertikale Mobilität eher selten gewesen. Die landständische Abstufung des Adels dieses Raums habe sich im 14. Jahrhundert konsolidiert, die sozialen Schichten seien aber auch in dieser Zeit recht abgeschlossen gewesen. Selbst durch Heiratsverbindungen habe man die sozialen Grenzen nur schwer überwinden können. Im 14. Jahrhundert seien allerdings auch Prozesse wirksam geworden, die die Sozialstruktur langfristig verändern sollten: der Übertritt in die Städte, der mit der Beteiligung an Finanzgeschäften und der Übernahme des bürgerlichen Lebensstils verbunden war, andererseits aber der Aufstieg einer Oberschicht des Bürgertums, die sich im Land auf Burgen niederzulassen begann. Damit hätten sich nicht nur die Lebensweise, sondern auch die damit verbundenen Werte verändert. In weiten Teilen bestätigen die Ergebnisse dieser Regionalstudie die heute vorherrschende Ansicht über die Entwicklung des Adels im untersuchten Zeitraum.

Die Anhänge bieten neben dem obligatorischen Quellen- und Literaturverzeichnis (475-498) eine Konkordanz der Ortsnamen (499-508), reichhaltige Stammtafeln (509-589), Abbildungen von Siegeln (591-615), Überblickskarten (617-624) sowie ein Orts- und Personenregister (625-687). Nicht zuletzt an dieser Stelle wird die akribische Arbeitsweise des Autors noch einmal deutlich.

Kos hat einen grundlegenden Beitrag zur Geschichte des Adels in Krain und in der Untersteiermark geliefert, der zweifellos auch als Ausgangspunkt für weiterführende und vergleichende Untersuchungen dienen kann. In der Synthese des Buchs werden dazu durchaus wichtige Punkte bereits angesprochen; dass der Autor das von ihm vorgelegte Material nicht immer ausschöpft und bei manchen, heute zentral erscheinenden Fragestellungen auf eine Einordnung in einen größeren Kontext verzichtet hat, kann angesichts des Umfangs der Arbeit natürlich kein Kritikpunkt sein.

Werner Hechberger