Joachim Lilla (Bearb.): Der Reichsrat. Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs 1919-1934. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung des Bundesrates Nov. 1918 - Febr. 1919 und des Staatenausschusses Febr. - Aug. 1919 (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien; Bd. 14), Düsseldorf: Droste 2006, 623 S., ISBN 978-3-7700-5279-0, EUR 98,00
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Joachim Lilla (Bearb.): Der Preußische Staatsrat 1921-1933. Ein biographisches Handbuch. Mit einer Dokumentation der im 'Dritten Reich' berufenen Staatsräte, Düsseldorf: Droste 2005
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Joachim Lilla (Bearb.): Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933 - 1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924. Unter Mitarbeit von Martin Döring und Andreas Schulz, Düsseldorf: Droste 2004
Föderalismus sei, so sagt man in der Schweiz, wenn man zwei Löcher bohre, wo eines genüge. Deshalb will aber kaum ein Schweizer den Föderalismus abschaffen. In Deutschland ist Föderalismus das, was die Landkarte bunt macht. Abschaffen kann ihn auch keiner. Aber seit sich in den Ansprüchen deutscher Länder auf gesamtstaatliche Mitsprache politische Restbestände frühneuzeitlichen Denkens in die Moderne gerettet haben, ist der Föderalismus ein Konfliktfeld. Im Widerstreit stehen die gesamtstaatlichen Interessen und jene der Partikularstaaten. Letztere regieren, damit ihre Interessen nicht unter den Tisch fallen, irgendwie immer mit. Zu diesem Zweck lassen sie sich am Regierungssitz des Gesamtstaats vertreten. Das Plenum der Vertreter ist dann der Reichsrat oder wahlweise Bundesrat oder Staatenausschuss, je nach aktueller Verfassungslage. Für die Jahre 1919 bis 1934 hat Joachim Lilla den Vertretern der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Deutschen Reichs ein biografisches Handbuch gewidmet.
Der Bundesrat der Verfassung von 1871 war formal das höchste Reichsorgan. Es war der Institution gewordene Ausdruck der Tatsache, dass das Reich ein Fürstenbund war. In der Vertretung der Fürsten beim Reich verkörperte sich die Reichssouveränität. Soweit die Theorie, die Verfassungswirklichkeit sah den Bundesrat eher außerhalb des politischen Tagesgeschäfts, was seinen Einfluss aber wohl nicht gemindert hat.
Nach dem Ersten Weltkrieg setzten die Teilstaaten relativ rasch und entgegen den Bestrebungen des Rats der Volksbeauftragten eine neue Ländervertretung durch: den Staatenausschuss. In der Regelung seiner Stellung knüpfte man an den Bundesrat an, grundsätzlich verschieden aber war seine Zusammensetzung. Anders als zuvor wurde die Stimmengewichtung von der Einwohnerzahl abhängig gemacht, ein Verfahren, das die Reichsverfassung von 1919 für das jetzt Reichsrat genannte Staatsorgan übernahm. Hierdurch vergrößerte sich die Zahl der Delegierten enorm. Das vorliegende Handbuch präsentiert insgesamt 818 Biogramme für die 16 Jahre seines Berichtszeitraums.
Lilla widmet den verfassungsrechtlichen und rechtshistorischen Fragen eine lange Vorbemerkung. Diese folgt in ihrer inhaltlichen Gliederung und der formalen Gestaltung ähnlichen Einleitungen aus anderen Veröffentlichungen der Parlamentarismuskommission. Der Verfasser ist bereits durch mehrere biografische Nachschlagewerke als Sachkenner ausgewiesen. Er beschreibt eingehend die Kompetenzen des Reichsrats, schildert ausführlich dessen Tätigkeit und arbeitet darüber hinaus genau die Unterschiede zum Bundesrat des Kaiserreichs heraus. Verschiedene tabellarische Übersichten veranschaulichen die Zuständigkeiten, die Stimmverteilungen und die politische Wirksamkeit in Form von Gesetzesinitiativen, -zustimmungen und -ablehnungen. In beigegebenen Primärtexten lassen sich die Rechtsgrundlagen und die Geschäftsordnung nachlesen. Ergänzt wird die Einführung durch eine nach Ländern geordnete systematische Übersicht der Ländervertreter und eine gesonderte Würdigung der Delegierten, die dem nationalsozialistischen Unrecht zum Opfer gefallen sind.
Der umfängliche erste Teil des Bandes macht ihn zu mehr als einem biografischen Handbuch. Jeder Interessierte wird hinsichtlich der Bedeutung oder Tätigkeit der vorgestellten Institution künftig nicht an diesem Kompendium vorbei gehen wollen. Dazu bietet es einfach zu viele Informationen, die man sonst mühsam suchen müsste und hier sortiert und aufbereitet finden kann. Lilla leistet damit nicht zum ersten Mal wichtige Grundlagenarbeit.
Der eigentliche biografische Teil nimmt etwas mehr als die Hälfte des Buches in Anspruch. Die einzelnen Artikel folgen einem nachvollziehbaren und bewährten Schema. Die Datensätze umfassen Namen, Lebensdaten, Zugehörigkeit zu Parteien, Mandatszeiten in den Ländervertretungen und in Parlamenten, Ausbildung, berufliche und politische Werdegänge, Militär- und Parteikarrieren, Quellen und biografische Literatur. Lilla ergänzt seine standardisierten Lebensläufe durch Fußnoten, die jenseits des Rasters zusätzliche Informationen bieten. Das alles ist äußerst kompetent gemacht. Ein Personen- und ein Ortsregister vervollständigen das Handbuch.
Was lässt sich an einer Dokumentation dieser Art kritisieren? Eine Bemerkung eher grundsätzlicher Natur soll erlaubt sein. Es gibt eine große Zahl biografischer Nachschlagewerke, inzwischen auch viele auf breiter Quellenbasis erarbeitete historisch-biografische Handbücher. Man kann den Eindruck gewinnen, dass es sich immer häufiger nur mehr um eine Neugruppierung der Lebensläufe der immer selben Vertreter der politischen Elite (Stichwort: Multifunktionär) nach einem jeweils anderen Merkmal handelt. Dieses Mal ist eben die Besonderheit, nach der die Personen ausgewählt wurden, ihre Eigenschaft als Ländervertreter beim Reich. In der Quellenangabe wird häufig auf immer dieselben Handbücher verwiesen. Wo man bei einer Person über eine hohe Informationsmenge verfügt, handelt es sich mit einiger Sicherheit um jemanden, der schon zwei oder drei Mal irgendwo zu finden ist. Weiß man wenig, handelt es sich mit Gewissheit um jemanden, den man so schnell nicht in einem Lexikon sucht. Bei einer nicht kleinen Gruppe von Personen belässt es das vorliegende Handbuch gleich ganz bei dem schlichten Verweis auf ein anderes Werk aus Joachim Lillas Werkstatt: die "Statisten in Uniform" (Düsseldorf 2004). Statt innerhalb der Lexika und Handbuchreihen hin und her zu verweisen, sollten die vorhandenen biografischen Informationen miteinander vernetzt werden. Das "Deutsche biographische Archiv" ist ein Versuch, kann jedoch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Letztlich wird vermutlich das Internet den Weg weisen.
Martin Kröger