Verena Krieger: Was ist ein Künstler? Genie - Heilsbringer - Antikünstler. Eine Ideen- und Kunstgeschichte des Schöpferischen, Köln: Deubner Verlag 2007, 192 S., 70 Farb-, 53 s/w-Abb., ISBN 978-3-937111-13-1, EUR 19,80
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Der vorliegende Band zur Geschichte des Künstlerbegriffs ist der zwölfte in einer Reihe, die als kunsthistorische Einführungsliteratur für interessierte Laien und Studienanfänger gedacht ist. Parallel zu den ebenfalls vom Deubner-Verlag herausgegebenen Kunsthistorischen Arbeitsblättern soll damit einem Mangel abgeholfen werden, der sich im deutschsprachigen kunsthistorischen Schrifttum noch immer deutlicher bemerkbar macht als etwa im englischen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass hier in letzter Zeit aufgeholt wurde [1]. Es dürfte klar sein, dass in diesem Bereich zukünftig noch einiges zu erwarten ist, zwingt doch die neue Studienorganisation mit ihren BA/MA-Abschlüssen und ihren weitgehend formalisierten Ausbildungsgängen dazu, verstärkt auf solche Literatur zurückzugreifen.
Die Bände wenden sich in bewusst unsystematischer Perspektive mehr oder weniger breit angelegten methodologischen und Sach-Themen zu, immer aber versuchen sie, grundlegende Problemstellungen in den Blick zu nehmen. Das gilt auch für das hier zu besprechende Buch, das mit seinen knapp 180 Textseiten ebenso synthetisierend angelegt ist wie die anderen und gleichfalls neben klug ausgewählter Bibliografie und auch nicht mehr selbstverständlichem Register eine reichhaltige und zum großen Teil farbige Bebilderung aufweist. Letzteres muss schon alleine deswegen angemerkt werden, weil die Preisgestaltung der Bände erstaunlich Studierenden-freundlich ist.
Man wird bei einem Buch wie dem von Verena Krieger keine Ergebnisse neuer Forschungen erwarten können, ebenso wenig grundsätzliche Umdeutungen von bekannten Phänomenen. Trotzdem ist es Krieger gelungen, die Zielsetzung ihres von der Reihe vorgegebenen Vorhabens zu erfüllen, also eine verständliche, überblicksartige, gleichzeitig gediegene Einführung in das viel diskutierte Themenfeld zu schreiben. In der Anlage ist es teleologisch gedacht, zurzeit kein unbedingt gängiger Ansatz mehr, aber er bewährt sich trotzdem: Ausgehend vom mittelalterlichen, handwerklich akzentuierten Künstlerbegriff, entwickelt die Verfasserin eine Vorstellung vom Künstler, in der von der Renaissance bis zur Moderne Ideen der Originalität und Autonomie mit steigender Intensität entworfen und erst in der Moderne selber - bei Nietzsche etwa und in der Dekonstruktion - von einem weniger emphatischen, dabei nicht mehr inspirationsgeleiteten Künstlerbegriff abgelöst werden. Hervorzuheben scheint mir vor allem, dass durchaus Differenzierungen vorgenommen werden, die die in der Zusammenfassung notwendigen Einebnungen konterkarieren. Erwähnt sei hier nur der Hinweis auf die Sonderstellung des Architekten im Mittelalter (ein in der Spezialliteratur zuletzt intensiv diskutierter Aspekt), dem qua Affinität zum System der freien Künste schon früh eine zukunftsweisende Rolle zubemessen wurde, an die etwa der Humanismus anschließen konnte.
Der Künstler als Schöpfer und das moderne Künstlergenie werden diskutiert, Der Künstler als Heilsbringer als melancholisches Genie präsentiert, psychologische Kreativitätstheorien der Moderne sind Thema sowie die weiblichen Alternativkonzepte. Gerade letztere erweisen, dass das gesamte System der Künstlertopik von einer geschlechtergeschichtlichen Perspektivik geprägt scheint. Es scheint dabei nicht weiter verwunderlich, dass die eindringlichsten Analysen im Bereich der Moderne gelingen, ist die Autorin doch eine ausgewiesene Spezialistin in der russischen Avantgarde und im Surrealismus. Interessant auch ihr Schlussstatement, das fast zu einem Plädoyer gerät: Allen dekonstruktivistischen Reden vom "Tod des Autors" zum Trotz stellt sie fest, dass der Künstler nicht tot zu kriegen ist. Denn wenn sein Werk nicht vollständig im kommunikativen Getriebe des Wirtschaftslebens aufgehen soll, so muss es als eine eigenständige Position erhalten bleiben. Keine Frage, diese hat zuletzt ihren revolutionären Charakter eingebüßt, der ihr noch in den klassischen Avantgarden anhaftete - und sie schwelgt in Diamantenköpfen, die sie für 75 Millionen Euro an ein wenig revolutionär gestimmtes Publikum (und sogar an sich selber) verkauft. Aber in der Eigenständigkeit kann das Andere präsent bleiben und damit auch die Chance von Subversion und Utopie.
Ein gelungenes Buch also, das die Gefahr allzu großer Trivialisierungen wohltuend umgeht und damit Kritikern des Genres "Einführungsliteratur" den Wind aus den Segeln nehmen kann. Wer will sich da schon beschweren, dass Diderot mit Vornamen nicht Etienne heißt, und dass ein noch aufmerksameres Lektorat auch noch die allerletzten Druckfehler hätte ausmerzen können?
Anmerkung:
[1] Vgl. die Sondernummer von KUNSTFORM 8 (2007), Nr. 3.
Hubertus Kohle