Gudrun Litz: Die reformatorische Bilderfrage in den schwäbischen Reichsstädten (= Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe; Bd. 35), Tübingen: Mohr Siebeck 2007, XV + 380 S., ISBN 978-3-16-149124-5, EUR 89,00
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Die Bilderfrage spaltet, und sie verbindet neu. Sie hat neben dem Verhältnis des Menschen zu Gott immer auch die horizontale Komponente einer Verständigung untereinander zu ihrem Beding, für die die Wichtigkeit des Unwichtigen medial bestimmend bleibt. Dogmen- und theologiegeschichtlich besaß die Bildkontroverse 'diesseits von Byzanz' indes keinen besonderen Reiz, weil weder Luther noch die Reformierten bekanntlich eine Lehre daraus zogen. Eine handlungsorientierte Durchdringung geschah daher bezeichnenderweise von kunsthistorischer Seite her: Zwar hat die hierfür von Sergiusz Michalski über dem Merkmal der Spontaneität vorgeschlagene Differenzierung zwischen Bilderfrevel, Bildersturm und Bildentfernung nicht in gleicher Weise reüssieren können wie das 1988 von ihm zeichentheoretisch herausgearbeitete "'Negation der Bilder - Negation der Realpräsenz'-Syndrom". Über die von Michalski ebenso beigesteuerte geografische Überschau des Phänomens wurde der Weg indes frei für eine geschichtliche Weitung der reformatorischen Bilderfrage zum 'Stellvertreterphänomen' (Peter Blickle). Wobei historischerseits die gesellschaftliche Stratifizierung und wahrnehmungsbezogene Weiskraft der Ikonoklasmen im Vordergrund standen, deren religiöse Dimension namentlich Norbert Schnitzler 1996 darin bestimmt sah, dass kulturell Eingeübtes handgreiflich in Kontingenzerfahrung überführt würde.
Konnte man sich hier des Eindrucks bisweilen nicht erwehren, die Beteiligten hätten ohne Kulturfahrplan kaum mehr zueinander finden können, bietet die vorliegende Arbeit demgegenüber eine mehrfach integrierende Sichtweise: Gudrun Litz setzt die Begriffstrias Michalskis wieder in ihr Recht (18), die sie dezidiert regionalgeschichtlich kontextualisiert: Ihre 2006 in Göttingen als Dissertation angenommene Studie fragt so nach dem Vorhandensein einer "Bildersturmlandschaft" (14, 278) und den Verknüpfungsmodalitäten der lokalen Aktionen, für deren Darstellung die ganze Spannbreite zwischen Bewahrung und Vernichtung entscheidend ist (16). Dementsprechend sind nicht die Handlungsmuster, sondern die Ortschaften selbst gliederndes Element: Nach dem gewiss nicht leicht zu raffenden Forschungsbericht (1-19) und einer Skizze der Reformatorenmeinungen, die auch die 'Schwärmer' nicht ausspart (20-62), werden nicht weniger als 12 Reichsstädte und deren Landgebiete vorgestellt (63-277). Augsburg und Konstanz fehlen, sind monografisch aber hinreichend dokumentiert. In der gewählten Reihenfolge der Städte durchdringen sich analytische, die Regularien der Entfernung betreffende, und zeitliche Motive, was allerdings erst aus der Zusammenfassung deutlich wird (283 f.). Die Beobachtung gerade dieser Kommunen erscheint indes nicht allein ihrer kulturellen Mächtigkeit wegen sinnvoll, sondern hat durchaus eine entwicklungsgeschichtliche Komponente. In Rede steht nämlich ein Gebiet, in dem - Stichworte: Schwäbischer Bund und "Schwaben-Diskurs" (Klaus Graf) - die gemeinsame Zugehörigkeit auch geteilte Ordnungsvorstellungen vermittelte, die mit der Reformationsentscheidung aufgelöst und neu gestiftet werden mussten. Überdies vermitteln die bearbeiteten Städte zwischen den Frömmigkeitskulturen gemeindlich-schweizerischer und landesherrlich-lutherischer Prägung, wie sie Ernst Troeltsch durchaus revisionsbedürftig zum Gegensatz von 'Freiheit' und 'Gehorsam' hypostasierte.
Die diesbezügliche Formationskraft der Bilderfrage sollte sich nachgerade im Herzogtum Württemberg zeigen (41-55): Indem sich Territorialpolitik und Kirchenumbildung zur inneren Formung hier durchdrangen, wurden die beiden Reformatoren, der Lutheraner Erhard Schnepf und der Oberdeutsche Ambrosius Blarer, vom Landesvater auf eine einheitliche Lösung der Bilderfrage verpflichtet. Ein vielköpfiges Theologengespräch verhandelte hierüber im September 1537. Dass auf diesem so genannten Uracher Götzentag Blarers (Kult-)Bildskepsis obsiegte, Herzog Ulrich aber bald darauf einen vielbildlichen, freilich christozentrisch dimensionierten 'Tafelaltar' in Auftrag gab (problematisch die Bezeichnung als 'Altarstiftung': 56), nährt hier schon den Verdacht, auch die reformatorische Bilderfrage müsste gewinnbringend im Sinne einer "kontextuellen Identität" (Thomas Kaufmann) oder gar konstellationsgeschichtlich (Dieter Henrich) zu betrachten sein.
Insoweit steht das Beispiel Württembergs ganz zu Recht in vorgeschalteter Position, zumal Blarer die Kirchenumbildungen beinah aller hier versammelter Kommunen begleitete (45). Am Beispiel Memmingens (133-159) profilieren sich dabei sehr schön die Gemeinsamkeiten und Besonderheiten sowohl in Bezug auf den Ausgangspunkt der Arbeit - die "Problematisierung des Handelns oder Nicht-Handelns gegenüber den religiösen Bildern" (14) - als auch gegenüber dem geläufigen Reformationsmodell von Inkubations-, Konflikt- und Institutionalisierungsphase. So stehen am Anfang vereinzelte Bilderfrevel seitens der lokalen jeunesse dorée und Memminger Frauen. In den Theologendisputationen blieben die Bilder dann erstaunlicherweise ungenannt, wiewohl der Stadtrat ihre Entfernung dezent betrieb, als er - gleich Biberach (169 f.), Kempten (220) und Ulm (127) - Einzelpersonen die Rücknahme von Stiftungsobjekten erlaubte. Dass die wertvollen vasa sacra hiervon ausgenommen, inventarisiert und dem Gemeinen Kasten zugeführt wurden, verdeutlicht die sozialethische Dimension des Vorgangs; wie überdies die Stadtgeschichtsschreibung dazu tendierte, Bildattacken des Bauernkrieges 1525 zu dramatisieren. Insgesamt machte erst die Rückversicherung der Confessio Tetrapolitana die Bilder zu einem obrigkeitlich dezidiert bedachten Gegenstand. Einer Ortsbegehung durch Bucer und Oekolampad im Juli 1531 folgte die Gremienarbeit. Und auch die Bildentfernung selbst fand hinter verschlossenen Kirchentüren statt, um in der Martinspfarrkirche mit einem schlichten Blockaltar ihren Schlussstein zu finden.
Das Ergebnis einer verschleppten Bilderfrage modifiziert Bernd Moellers predigtbezogene Stellungnahme, dass die Ausräumung der Kirchen und die Abstellung der Messe den städtischen Beginn der Reformation markierten. [2] Hieraus bezieht auch das unscheinbare Giengen an der Brenz seine Sonderstellung (224-232): Rat und Prädikant - andernorts erfolgreicher Kommunikator der Ausräumung - arbeiteten dort eben nicht zusammen, sondern die Obrigkeit sperrte sich der Abschaffung sogar über eine diesbezügliche Supplik ihres Predigers hinweg (ediert 288-298).
In diesen aus einer Fülle von Verlaufsgeschichten herausgegriffenen Beispielen zeigt sich das Hauptergebnis der Zusammenschau: Die Bildentfernung war von rundum abstrahlender Signalwirkung. Eben deshalb musste ihre Rezeption 'behördlich' mit dem Ziel einer Deutungsmatrix nachgefasst werden, in die das Verfahren, wie die Bilder entfernt wurden, bestimmend bereits einging. Angesichts wohl dieser Schwierigkeit haben die Stadträte eine Entscheidung möglichst lange hinausgezögert, erfolgte diese entweder auf äußeren Anlass (Isny: 206), als moderate 'Teilräumung' (Reutlingen: 87), wurde einem Plebiszit überlassen (Kempten: 220), oder man saß sie wie in Giengen aus, während darüber bereits ein innerprotestantischer Kanzelstreit zwischen Pfarrer und Prediger ausgebrochen war (229 f.).
Im Hinblick auf die dennoch unterschiedlichen Nuancierungen hinsichtlich Herbeiführung, Durchsetzung und 'Vermarktung' der Bilderfrage liest sich die Studie in ihrem gleichermaßen objekt- wie überlieferungsbezogenen Ansatz auch als gewichtiger Beitrag zur (städtischen) Erinnerungskultur und ihrer Träger: Stadt-, Pfarr- und Klosterarchive wurden auf Protokolle und Chroniken konsultiert (313-319). Ihre Überlieferung unterliegt der Gegenprobe des materiell Vorhandenen, sodass Leerfegungsszenarien selbst der neuen Reformationshistorie revidiert werden können. Auf diese Weise fällt das Bild von der "Bildersturmlandschaft" Schwaben ebenso bunt wie unspektakulär aus. Letzteres liegt in der Natur der Ergebnisse selbst, resultiert indes auch daraus, dass die Glanzlichter einer medien- bzw. entwicklungsorientierten Leitperspektive hier fehlen, hieße diese nun symbolische Kommunikation, Institutionalisierung oder die Entzauberungsdynamik gängiger Frühneuzeitdeutungen.
Die identitätspolitische Wirkkraft der Bilderfrage, deren Lösung in die Vielfalt ortsansässiger (nicht unbedingt stadteigener) Heilsinstitute eingriff, wird bei Litz gleichwohl sehr deutlich und konturiert sich zumal vor jener gemeindlich-genossenschaftlichen Folie, deren Gewebe die eucharistischen Begründungszusammenhänge von Eid und Bündnis ausmachen. Im faktensatten Verzicht auf eine Beobachtung zweiter (und dann dritter) Ordnung verschleift jedoch die mediale Kontur der Bildfrevel und -entfernungen bisweilen wieder (vgl. 105 ff.). Wenn man so will, geleitet Litz das Phänomen der Bildentfernung damit aus der Arena, dem Bannkreis tendenziell profanierender Performanztheorien, zurück in jene Beratungskammern, wo hierüber ausgleichsbedacht gesprochen wurde. Das Verdienst der Studie liegt in der institutionellen und personalen Vergewisserung ihrer Ortsbegehungen, die einer beziehungsreichen gesellschaftlichen Auslegungspraxis immer dicht auf der Spur sind; hierin einem integrativen Grundzug gehorchend, der die kirchengeschichtliche Herkunft der Arbeit nachdrücklich unterstreicht.
Anmerkungen:
[1] Bernd Moeller: Die Kirche in den evangelischen freien Städten Oberdeutschlands im Zeitalter der Reformation, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins NF 73, 1964, 147-162, hier 151.
[2] Zum Medienbezug siehe Wolfgang Brassat: Schulung ästhetischer Distanz und Beobachtung dritter Ordnung. Werke Caravaggios in rezeptionsästhetischer und systemtheoretischer Sicht, in: ders./Steffen Bogen/David Ganz (Hgg.): Bilder - Räume - Betrachter, Berlin 2006, 109-129, hier 119.
Thomas Packeiser