Charles Beem: The Lioness Roared. The problems of female rule in English history, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2006, VIII + 271 S., ISBN 978-1403-972033, GBP 40,00
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Weibliche Herrschaft in England bedeutete stets eine konfliktreiche Kollision zwischen einer dynastischen Erbrechtsregelung, die die weibliche Erbfolge ermöglichte, und männlich dominierten politischen Strukturen und Autoritätsverständnissen. Den Umgang englischer Herrscherinnen mit den Problemen, die sich daraus für Legitimierung und Durchsetzung ihrer Regierung ergaben, sowie die Genese tragfähiger Modelle weiblicher Herrschaft versucht Charles Beem in seiner breit angelegten Studie zu analysieren. Dieser Prozess - Beem spricht von "evolution" (3) - wird in einem großen zeitlichen Bogen vom 12. bis ins 20. Jahrhundert, von Kaiserin Mathilde bis Elisabeth II. nachgezeichnet. Der Autor vertritt dabei den Anspruch, methodische Aspekte und Fragestellungen der Genderforschung und Politikgeschichte zu verbinden und in Einklang zu bringen. Als Vorbilder dienen ihm explizit die Studien zur Repräsentation und Rollenkonstitution Elisabeths I. von Susan Frye und Carole Levin.
Um den Umfang seines Gegenstandes in den Griff zu bekommen, konzentriert sich Beem auf zentrale Gesichtspunkte, an denen sich exemplarisch die jeweiligen Grundzüge der Regierung der vier ausführlich vorgestellten Monarchinnen - Mathilde, Maria I., Anna, Victoria - manifestieren. Auffällig ist das Fehlen von Elisabeth I., das der Autor zwar im Vorwort mit den umfangreichen Arbeiten zu ihrer Person und Herrschaft einleuchtend begründet, das aber gleichwohl eine bedauerliche Lücke in der Darstellung hinterlässt.
Für die Herrschaftslegitimierung Kaiserin Mathildes, die in den 1140er Jahren kurzzeitig die Erbfolge ihres Vaters Heinrich I. antreten konnte, ohne sich jedoch dauerhaft gegen ihren Kontrahenten Stephan I. durchzusetzen, vermag Beem verschiedene Strategien herauszuarbeiten, die sich in ihrem Titel niederschlugen. Als "imperatrix" und "Henrici regis filia" unterstrich sie die Rechtmäßigkeit ihrer Thronfolge sowie ihre herausgehobene Stellung als Kaiserwitwe und Königstochter und als "domina Anglorum" drückte sie ihren Anspruch auf alleinige Herrschaftsausübung aus. Ihr Ehemann, Gottfried von Anjou, fand keinen Platz in ihrer Selbstdarstellung. Aufbauend auf der etablierten Institution der Regentin stieß die Regierung durch eine Frau im England des 12. Jahrhunderts grundsätzlich auf Akzeptanz. Die Schwierigkeiten Mathildes bei ihrem Herrschaftsantritt seien nach Beem eher ungünstigen zeitlichen Umständen denn generellen Vorbehalten gegen weibliche Herrschaft geschuldet gewesen. Als problematisch betrachteten die Zeitgenossen jedoch das betont männliche Gebaren und insbesondere die "unweibliche" Härte Mathildes nach ihrem Regierungsantritt.
Anders als Mathilde versuchte Maria I. (1553-1558) die Gegensätzlichkeiten weiblicher Herrschaft zu verbinden, indem sie äußerlich mit den konventionellen Wahrnehmungen von Weiblichkeit konform ging, sich als Braut, Gattin und Mutter des Reiches in Szene zu setzen wusste, gleichzeitig aber den alleinigen Machtanspruch eines männlichen Monarchen vertrat, den ihr der "Act Concerning Regal Power" (1554) explizit bestätigte und der in der Lehre von den "Zwei Körpern" des Königs seine staatstheoretische Rechtfertigung fand. Deutlich macht Beem dies an Marias Ehevertrag mit Philipp von Spanien, in dem ihr Machtanspruch unangefochten blieb. In Maria I. sieht Beem den Archetyp für die Selbstdarstellung aller späteren englischen Königinnen, die zwischen der Ausübung "männlicher" Macht und Repräsentation "weiblicher" Tugenden oszillierte.
Die "apotheosis of English female kingship" (102) verortet der Autor in der Regierung Annas (1702-1714). Im Gegensatz zu ihrer Schwester und Vorgängerin Maria II. (1689-1694), die den eigenen Machtanspruch zu Gunsten ihres Mannes Wilhelms III. zurückstellte, übte Anna die herrschaftliche Gewalt allein aus. Ihr Gatte, Georg von Dänemark, begnügte sich mit der Rolle des "male consort" (101), wie sie prägend wurde auch für Albert von Sachsen-Coburg-Gotha und Philipp von Mountbatten. Öffentlichkeitswirksam bemühte sich Anna im privaten Bereich dagegen dem Geschlechterverständnis von der Unterordnung der Frau unter ihren Ehemann zu genügen.
Die Regierung Victorias (1837-1901) untersucht der Autor anhand einer Analyse der lange von der Forschung marginalisierten "Bedchamber Crisis" (1839). Nach dem Abtritt der Whig-Regierung unter Lord Melbourne verlangte der neue Tory-Regierungschef Sir Peel die Entlassung von den Whig nahestehenden Hofdamen aus der Bedchamber Victorias. In der aufgebrachten Weigerung Victorias sieht Beem zum einen die Durchsetzung der königlichen Prärogative und damit des monarchischen Herrschaftsanspruchs durch einen weiblichen Herrscher, zum anderen aber auch die Bestätigung und Bewahrung des Rollenverständnis der Geschlechter, das keiner Frau - mit Ausnahme der Königin selbst - einen Platz in der öffentlichen, politischen Welt zugestand.
Zum Abschluss wagt Beem noch einen Blick in die Gegenwart, auf Elisabeth II., bei der er viele Parallelen zu ihren Vorgängerinnen festzustellen vermag. Grundsätzlich kommt Beem zu dem Ergebnis, dass die Legitimation weiblicher Herrschaft in England nie eigentlich in Frage gestellt wurde: Nicht ob, sondern wie weibliches Königtum ausgeübt wurde, war entscheidend für ihre Akzeptanz. Während die Legitimationsmuster der englischen Herrscherinnen viel dazu beigetragen haben - so die These des Autors -, die Barrieren für weibliche Herrschaft zu verringern, haben sie das konventionelle Rollenverständnis von der Unterordnung der Frau in der Regel bestätigt und konserviert. In diesem Sinne vollzogen die Monarchinnen seit Maria I. eine ostentative Trennung ihrer Lebenssphären in einen öffentlichen, politischen Bereich, in dem sie ihren alleinigen Machtanspruch unbedingt durchsetzten, und einen privaten, häuslichen Bereich, in dem sie klassischen weiblichen Rollenbildern genügten.
Insgesamt liegt hier eine originelle, unideologische Geschlechtergeschichte vor, die neben den Geschlechterverhältnissen durchaus auch andere Antriebskräfte für historische Vorgänge und Entwicklungen berücksichtigt. So anschaulich die Kontinuitätslinie auch ist, die Beem über 800 Jahre weiblicher Herrschaft hinweg zeichnet, so ist sie doch nicht unproblematisch: Weibliche Legitimations- und Repräsentationsmuster werden verglichen, ohne dass dabei die Disparatheit der unterschiedlichen politisch-sozialen Kontexte genügend Berücksichtigung findet. Um weibliche Herrschaft in Form einer Entwicklungslinie darzustellen, werden Formen von Herrschaft, die damit nicht konform gehen - besonders die politische Passivität Marias II. - als "aberration in the evolution of female rule in England" (119) marginalisiert.
Bezüglich der methodischen Ausrichtung hat der Autor eine recht klassische politikgeschichtliche Zugangsweise gewählt mit einer sehr starken Konzentration auf das handelnde Subjekt und seine Intentionen: Anhand von historiographischen Werken, Memoiren, politischer Tagespublizistik und Korrespondenzen werden Akteure und schlüsselhafte Ereignisse in den Mittelpunkt der Darstellung gerückt, wobei die Frage nach dem spezifischen Charakter der jeweiligen Quellen und ihrer Vergleichbarkeit über Epochengrenzen hinweg leider gar nicht erst gestellt wird. Bedauerlicherweise kommen die einschlägigen Diskurse und die Wahrnehmungsmuster der Zeitgenossen etwas zu kurz. Wünschenswert wäre zudem eine stärkere Einbettung der Ergebnisse in den Forschungskontext gewesen; überhaupt ist das Literaturverzeichnis angesichts der Breite des Themas recht dürftig.
Alles in allem handelt es sich trotz dieser Kritikpunkte um ein gut lesbares, ja kurzweiliges Buch, das die Antworten auf die Herausforderungen, denen weibliche Herrschaft in England im Lauf von Jahrhunderten zu begegnen hatte, auch für den nicht einschlägig vorgebildeten Leser überblicksartig veranschaulicht.
Kerstin Weiand