Rezension über:

Alan James: The Origins of French Absolutism 1598 - 1661 (= Seminar Studies in History), London: Pearson Longman 2006, XIX + 148 S., ISBN 978-0-582-36900-9, EUR 21,95
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Rezension von:
Eckart Birnstiel
Université de Toulouse II - Le Mirail
Redaktionelle Betreuung:
Susanne Lachenicht
Empfohlene Zitierweise:
Eckart Birnstiel: Rezension von: Alan James: The Origins of French Absolutism 1598 - 1661, London: Pearson Longman 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 4 [15.04.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/04/12796.html


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Alan James: The Origins of French Absolutism 1598 - 1661

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In diesem an eine studentische Leserschaft adressierten Buch behandelt der anglo-kanadische Frühneuzeithistoriker Alan James die Ursprünge des französischen Absolutismus und stellt unter dieser Fragestellung die Entwicklung der französischen Monarchie vom Ende der Religionskriege bis zum Beginn der persönlichen Regierung Ludwigs XIV. dar.

In einem ersten Abschnitt - The Background - werden die Befriedungspolitik Heinrichs IV. und dessen Bemühungen um die Restauration der Königsmacht erörtert. Es folgt ein kurzer Überblick über die Regentschaft Maria von Medicis und die ersten Jahre der Regierung Ludwigs XIII. Die "Kardinalsepoche" der Prinzipalminister Richelieu und Mazarin bleibt in diesem einführenden Kapitel unbehandelt.

In einem zweiten Abschnitt - Analysis - isoliert Alan James jene vier Gestaltungskräfte, die wesentlich zur Ausbildung des französischen Absolutismus beigetragen haben sollen: Religion (darin behandelt: Gegenreformation, Hugenotten, Jansenisten), War (Dreißigjähriger Krieg, Pyrenäenfriede), Government (Volksaufstände, Finanzen, Regierungsrepräsentanten, Parlementsfronde, Selbstregierung) und Social Order (Adelsfronde, Hochadel, Staatsdynastie).

Der dritte Abschnitt - Assessment - behandelt den gegen Fouquet betriebenen Aufstieg Colberts in den Kronrat und die Golden Years der französischen Monarchie von 1659 bis 1661. Im vierten und letzten Abschnitt - Documents - sind 39 französische Quellentexte wiedergegeben, deren Zitierbarkeit insofern problematisch ist, als sie lediglich in englischer Übersetzung und nicht auch im französischen Original erscheinen.

Eine Chronologie der wesentlichen Ereignisse der französischen Geschichte von 1598 bis 1661 sowie eine Karte Frankreichs um 1620, [1] ein Who's Who, eine kommentierte (fast ausschließlich englischsprachige) Bibliographie, ein Glossarium und ein Orts- und Personenregister ergänzen den auf knappen 95 Seiten präsentierten Essay.

Die Anlage dieses Werkes weist indes einige Probleme auf. Ein erster Einwand betrifft den behandelten Zeitrahmen von 1598 (Ende der Religionskriege) bis 1661 (Beginn der persönlichen Regierung Ludwigs XIV.). Wer wie Alan James davon ausgeht, dass erst das Edikt von Nantes und der Friede von Vervins konstitutiv für die Herausbildung des Absolutismus der französischen Monarchie waren, berücksichtigt nicht dessen ältere und ebenso konstitutive Wurzeln.

Der Bourbone Heinrich IV. und seine beiden Thronfolger griffen bewusst auf den politischen Erfahrungsschatz des "Ersten Absolutismus" der Valois zurück. [2] Denn schon die Könige Franz I. und Heinrich II. hatten die Funktions- und Entscheidungsstrukturen des Kronrats ihrem persönlichen Regierungsstil erfolgreich angepasst, die Kriegführung modernisiert, den Hochadel an den Hof gebunden, den Einfluss der römisch-katholischen Kirche in Frankreich begrenzt, bedeutende Finanz- und Justizreformen vorgenommen und das Ämterwesen institutionalisiert.

Auch ist es fraglich, ob der "Verabsolutierungsprozess" - wie Alan James indirekt zu unterstellen scheint - bereits mit dem Beginn der Selbstregierung Ludwigs XIV. abgeschlossen war. Sicher, der König berief fortan keinen Prinzipalminister mehr; aber das Remonstrationsrecht der Parlements wurde erst ab 1667 schrittweise eingeschränkt, das Steuerwesen erst 1680 harmonisiert, der Gallikanismus erst 1682 zur Staatsdoktrin erhoben, der Sonderstatus der Protestanten erst 1685 beseitigt und der Jansenismusstreit lediglich 1713 beigelegt. Und schließlich wurde Versailles auch erst ab 1681 zum emblematischen Zentrum der höfischen Kultur und persönlichen Machtentfaltung des Sonnenkönigs. Die Zeitspanne von 1598 bis 1661 ist also zu eng gefasst, um die Ursprünge des französischen Absolutismus überzeugend herausarbeiten zu können.

Ein weiterer Einwand gilt der von Alan James vorgenommenen Fokussierung der Entwicklungskräfte des Absolutismus: Religion, Krieg, Regierung und Gesellschaftsordnung. Selbstverständlich lassen sich auf diesen vier Konfliktfeldern tendenziell zum Absolutismus überleitende Veränderungen aufzeigen. Es hätten hier jedoch auch andere, durchaus wichtige Parameter gewählt werden können, etwa Wirtschaft, Finanzen, Justiz oder auch Bürokratie. Und es wäre sicherlich sinnvoll gewesen, unter dem Rubrum "Krieg" nicht nur die auswärtigen Kriege Frankreichs gegen die Habsburger, sondern auch die inneren Konflikte (Volksaufstände) sowie die Feldzüge Ludwigs XIII. im Béarn (1620-1622) und in den Südprovinzen (1625-1629), und vor allem die Bürgerkriege der Fronde (1648-1652) zu behandeln, anstatt diese Ereignisse in allen vier Abschnitten immer wieder zu zitieren, wobei der Zusammenhang zwischen Kriegführung, dadurch notweniger Steuererhöhungen und der darauf folgenden partikularen Oppositionsbewegungen samt ihrer staatlichen Repression verloren geht.

Dazu fallen in dieser Darstellung einige problematische Urteile auf. So meint Alan James in Hinblick auf die Religionspolitik Ludwigs XIII. und Ludwigs XIV., the desire to promote religious conformity [...] was no innovation. The tripartite desire, often summed up in the formula 'une foi, une loi, un roi' [...] had long been the ambition of the French monarchy (32). Diese Sehweise verkennt die Grundzüge der Toleranzpolitik von Katharina von Medici bis hin zu Heinrich IV., die sehr wohl auf eine friedliche Koexistenz der religiösen Lager abzielte.

Ein anderes Missverständnis unterläuft Alan James, wenn er meint, die Königreiche Navarra und Frankreich seien anlässlich der Thronfolge Heinrichs IV. vereinigt worden, wobei der Béarn jedoch nicht vom Edikt von Nantes betroffen gewesen sei. (13) Heinrich trug zwar seit seinem "französischen" Regierungsantritt in Personalunion beide Kronen - er war seit 1572 Heinrich II. von Navarra und seit 1589 Heinrich IV. von Frankreich -, gliederte Navarra aber erst 1607 in die französische Krondomäne ein. Von Frankreich "annektiert" wurde der Béarn 1620 dann von Ludwig XIII. Auch fiel der Béarn kraft des Edikts von Fontainebleau (April 1599) sehr wohl unter die Rekatholisierungsbestimmungen des Edikts von Nantes. [3] Alan James irrt also, wenn er schreibt, the Catholic minority there had no legal protection at all. This was a problem for Louis XIII (13).

Was schließlich die Kriegführung betrifft, die Alan James als the principal vocation of kings (33) bezeichnet, so ist anzumerken, dass sich Frankreich in den 63 Jahren von 1598 bis 1661 nur 24 Jahre lang - von 1635 bis 1659 - im Krieg befand, was nicht gerade für einen ausgeprägten Bellizismus der beiden Könige und ihrer Kardinalminister spricht. Aber selbst wenn das Gegenteil richtig wäre, warum bezeichnet Alan James dann ausgerechnet die Friedensperiode von 1659 bis 1661 (man könnte diesen Zeitraum auch bis zum Beginn des Devolutionskrieges gegen Spanien, 1667, erweitern) als die "Goldenen Jahre"?

Demgegenüber ist Alan James darin zuzustimmen, dass der Regierungsstil der Kardinalminister vom Einsatz persönlicher Klientelverbindungen und weniger von institutioneller Machtausübung bestimmt gewesen sei. (65) Er hat völlig Recht, wenn er ausführt, [Richelieu] did not operate so much as a modern bureaucrate but as a personal power broker, and he relied on the influence of other nobles or other local elites to be succesfull (73). Die folgende Charakterisierung Mazarins als embodiment of the king's finances, operating not according to any bureaucratic plan, or even with any meaningful legal boundaries, but on a hand-to-mouth basis (86-87) wird man dagegen nicht so leicht hinnehmen: Die von ihm nach der Fronde sorgfältig vorgenommene Umstrukturierung der Finanzverwaltung unter der Amtsführung von Abel Servien (Ausgaben) und Nicolas Fouquet (Einnahmen) lässt diese Annahme nicht zu.


Anmerkungen:

[1] Diese Karte ist in einigen Punkten inkorrekt, besonders hinsichtlich der territorialen Ausdehnung der Guyenne und des Languedoc sowie der geographische Lage der Cevennen.

[2] Alan James scheint sich dessen durchaus bewusst zu sein, läßt diese Argumentationslinie in seinen weiteren Ausführungen jedoch fallen: Whatever might be said about changes in the style of government under Henri IV [...] his actions reveal long-established, traditional priorities [...] In this way, he differed in no appreciable way from his predecessors, the Valois kings of France (Introduction, xix).

[3] Das in der Anlage wiedergegebene Dokument 5 - Opposition to the Establishment of Catholicism in Béarn, July 1599 - rückt diesen Irrtum zurecht.

Eckart Birnstiel