Herbert Matis: Die Schwarzenberg-Bank. Kapitalbildung und Industriefinanzierung in den habsburgischen Erblanden 1787 - 1830 (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte; Bd. 731), Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2005, 452 S., ISBN 978-3-7001-3550-0, EUR 49,00
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Die mit Bankprivileg von 1786 ausgestattete "k. k. privilegierte & octroyierte Wiener Kommerzial-, Leih- und Wechselbank", nach ihrem fürstlichen Hauptaktionär auch "Schwarzenberg-Bank" genannt, operierte an einer wichtigen wirtschaftshistorischen Schnittstelle der Habsburgermonarchie. Als eine der ersten Aktiengesellschaften Österreichs war sie, neben dem üblichen Wechsel- und Kreditgeschäft, auch stark an der Finanzierung früher Industrieprojekte des Reiches beteiligt. Matis, einem der führenden Wirtschaftshistoriker Österreichs, gebührt das Verdienst, diese bislang in der Forschung zwar nicht unbekannte, aber insgesamt kaum untersuchte Institution als Erster fundiert erforscht zu haben. Seine Studie basiert auf intensiver Quellenarbeit, die größtenteils unter schwierigen Bedingungen mittels noch nicht inventarisierter Bestände in der Tschechischen Republik stattgefunden hat.
Matis hat sich sehr eng an die Quellen gehalten, reichlich mit wörtlichen Zitaten gearbeitet und so eine umfassende, akribisch belegte und weitgehend chronologische Institutionsgeschichte vorgelegt. Der Leser erfährt zahlreiche Details über die Organisationsstruktur, die verschiedenen Tätigkeitsbereiche, die Personalführung, über einzelne wichtige Geschäfte oder wesentliche Geschäftspartner der Bank. Ein Lesevergnügen bereitet diese detaillierte Mikrohistorie jedoch nicht, was sie in einen deutlichen Gegensatz zu den zahlreichen jüngeren Historien von Bankhäusern oder Bankierdynastien, vor allem aus dem anglo-amerikanischen Raum, setzt. Diese nähern sich ihren Untersuchungsobjekten eher narrativ als analytisch und haben ein breiteres Lesepublikum im Blick, worunter jedoch teilweise die Wissenschaftlichkeit leidet.
Die aus klassischer unternehmensgeschichtlicher Sicht durchaus musterhaft zu nennende und mit großer Sach- und Detailkenntnis konzipierte Studie wirft in der Einleitung eine Reihe von interessanten Fragen auf. Zentral zu nennen sind hier der Zusammenhang zwischen Bankgründung und adeligen Wirtschaftsinteressen nach Aufhebung der Leibeigenschaft in Böhmen durch Kaiser Joseph II. sowie die Beziehungen zwischen Bank- und Industriekapital in der frühen Industrialisierungsphase. Allerdings muss der Leser Antworten darauf vor allem zwischen den Zeilen suchen, denn nur ganz selten bewegt sich Matis von der engen Betrachtung der Bank selbst weg.
Eine Ausnahme stellt die durch die Schwarzenberg-Bank finanzierte Gründung der Pottendorfer Garnmanufakturgesellschaft 1802 dar, deren Entstehungsgeschichte Matis ebenso minutiös wie spannend erörtert. Hier wird die Bedeutung des Finanzinstituts als Wegbereiter für die österreichische Baumwollspinnindustrie exemplarisch deutlich gemacht. Allerdings wären weitere, zumindest punktuelle stärkere Einbettungen der Institution in die habsburgische Wirtschafts- und Sozialgeschichte sehr wünschenswert gewesen, um Erkenntnisse über den unternehmensgeschichtlichen Rahmen hinaus liefern zu können. Eine kurze Betrachtung der Position des Finanzinstituts innerhalb der Wiener Bankenwelt des frühen 19. Jahrhunderts allein kann hier nicht befriedigen. Auch fehlt ein die verschiedenen Teilergebnisse der Studie zusammenführendes Fazit, die so recht unvermittelt mit der Erläuterung der Umstände der Liquidation der Bank im Jahr 1830 abbricht.
Diese in vielen Teilen unbestreitbar nützliche und wichtige Untersuchung hätte bei einer etwas breiteren Anlage noch deutlich mehr Potential gehabt, um vor allem die in der Einleitung angesprochene, aber kaum wieder aufgegriffene Makroebene der habsburgischen Frühindustrialisierung näher zu beleuchten. Dennoch handelt es sich hier um einen wichtigen Beitrag sowohl zur europäischen Bankengeschichte als auch zur zentraleuropäischen Wirtschaftsgeschichte des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, über die wir insgesamt noch zu wenig wissen.
Ausweislich der Einleitung ist in näherer Zukunft mit einer weiteren Studie zur Schwarzenberg-Bank zu rechnen, da Dana Čerman-Štefanová, die Forschungsassistentin im Matis-Projekt war, aus tschechischen Archiven gewonnenes Material für eine stärker quantitativ-wirtschaftshistorisch orientierte Habilitationsschrift heranzuziehen gedenkt.
Rainer Liedtke