Rezension über:

Martin Furtwängler: Erinnerung aus Erz und Stein. Denkmäler in Ludwigshafen am Rhein bis 1945 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein; Bd. 35), Ludwigshafen: Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein 2006, 176 S., ISBN 978-3-924667-39-9, EUR 19,90
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Rezension von:
Iris Benner
Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Ekaterini Kepetzis
Empfohlene Zitierweise:
Iris Benner: Rezension von: Martin Furtwängler: Erinnerung aus Erz und Stein. Denkmäler in Ludwigshafen am Rhein bis 1945, Ludwigshafen: Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 9 [15.09.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/09/12642.html


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Martin Furtwängler: Erinnerung aus Erz und Stein

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Die Stadtgründung von Ludwigshafen am Rhein fiel mit dem Jahr 1853 gerade in den Beginn jener Epoche des Denkmalbooms, in der bis zum Ersten Weltkrieg im deutschsprachigen Raum eine kaum überschaubare Zahl von Ereignis- und Personendenkmälern errichtet wurde. Daher erscheint es besonders interessant, die in einem derart geschichtslosen Gemeinwesen sozusagen unmittelbar aus dem Nichts entstehenden Denkmalprojekte zu untersuchen, die - so würde man erwarten - unbelastet von Traditionen in besonderer Weise vom Zeitgeist geprägt wurden. Des Weiteren könnte an den kaiserzeitlichen Monumenten jener Stadt der Umstand interessieren, dass sie fern von den starken stilistischen und ideologischen Einflüssen der Reichshauptstadt Berlin in der zu Bayern gehörenden Pfalz entstanden.

Die Untersuchung von Martin Furtwängler zu den "Denkmälern in Ludwigshafen am Rhein" bietet somit einige Voraussetzungen, die eine lokalhistorische Denkmalstudie auch solch eines relativ kleinen Stadtgebiets rechtfertigen. Zudem beschränkt sich der Autor nicht auf jenen denkmalträchtigen Zeitraum bis zum Ende der Kaiserzeit, sondern verfolgt die Geschichte der Ludwigshafener Monumente bis 1945 und eröffnet somit die Möglichkeit der Beschreibung einer chronologischen Entwicklung sowie eines Vergleichs unterschiedlicher politischer Systeme. Doch in der vor allem chronologisch angelegten Untersuchung Furtwänglers spielen solch übergeordnete Fragestellungen nur eine geringe Rolle. Im Vordergrund steht eher die gut recherchierte und anschaulich beschriebene Einzelstudie eines jeden Denkmalprojekts.

Nach einer kurzen Einleitung mit Erläuterungen zur Entwicklung des Denkmals in Deutschlands monarchischer Zeit (4-6) und wichtigen Hinweisen zum behördlichen Genehmigungsverfahren für Denkmalerrichtungen (6-8), das in der Pfalz mit dem bayerischen Staat verhandelt werden musste, beginnt Furtwängler seinen Bericht mit jenen Monumenten, die nach 1870/71 entstanden (10-34). Die Krieger- und Siegesdenkmäler, die an den Deutsch-Französischen Krieg und die Reichsgründung erinnerten, waren die ersten Monumente, die auf Ludwigshafener Stadtgebiet errichtet wurden. Hier zeigt sich, dass in dieser Zeit noch keine zentralistische Denkmalplanung stattfand, sondern die einzelnen Orte, zum Teil erst in den folgenden Jahren eingemeindet, ihre jeweils eigenen Projekte verfolgten. Am stärksten stachen hier die Kriegerdenkmäler in Friesenheim und Edigheim hervor, bei denen überlebensgroße Germania-Figuren im Mittelpunkt standen, welche mal den Aspekt des Kampfes und mal denjenigen des Sieges stärker in den Vordergrund rückten. Die übrigen Ludwigshafener Kriegerdenkmäler entstammten formal eher dem Bereich der Sepulkralkultur, indem sie architektonische Formen wie Obelisk und Säule aufgriffen; sie wurden teilweise auch auf dem Friedhof oder in unmittelbarer Nähe zur Kirche errichtet. Die vielfältigen Funktionen dieser Monumente beschreibt Furtwängler folgendermaßen: "Die Kriegerdenkmäler standen [...] einerseits nach außen für die Bewahrung der Einheit Deutschlands und die Abwehr möglicher Feinde, aber sie standen auch nach innen gerichtet für den Erhalt der bestehenden monarchischen Ordnung, die sie als Grundlage für den Frieden und das Wohlergehen der Nation beschrieben." (23-24) Die hauptsächlich bürgerlichen Auftraggeber organisierten sich in der Regel in Komitees, waren politisch meist nationalliberal orientiert und mehrheitlich Protestanten. Interessanterweise waren "die einzigen Konflikte, die es um die Errichtung von Kriegerdenkmälern im Raum Ludwigshafen gab, [...] Auseinandersetzungen der Initiatoren mit den katholischen Kirchengemeinden bzw. den ortsansässigen Pfarrern." (25) So bestanden in Rheingönheim Bedenken, dass der monumentale Obelisk die Bedeutung des Kirchengebäudes schmälern könnte (27).

Während die Kriegerdenkmalsprojekte in den verschiedenen Ortsteilen vielfältig waren, gab es erstaunlich wenig Initiativen für Herrschermonumente. Bei der Errichtung eines Denkmals für König Ludwig I. (39-45) griff man 1896 auf einen vorgefertigten Monumentalbrunnen zurück, der bereits auf der bayerischen Landesausstellung in Nürnberg gezeigt worden war. Das zunächst politisch neutrale, neobarocke Kunstwerk wurde mittels Inschrift zum Stadtgründungsdenkmal umgemünzt: "In dankbarer Erinnerung an die Gründung Ludwigshafens durch König Ludwig I." Damit entstand kein eigentliches Herrscherdenkmal, sondern eher ein Ereignismonument, das durch seine Funktion als Brunnen zudem einen Nutz-, Dekorations- und Freizeitwert besaß, der größer war als derjenige der eigentlichen Herrscherhuldigung.

Ähnlich verhielt es sich mit dem sogenannten Jubiläumsbrunnen, der 1903 an die Erhebung Ludwigshafens zur eigenständigen Gemeinde erinnern sollte. Tatsächlich handelte es sich aber vor allem um eine monumentale Gartendekoration mit überlebensgroßen allegorischen Bronzefiguren. Auch wenn in der bayerischen Pfalz eine gewisse Distanz zum preußischen Kaiserhaus und Staat angenommen werden muss, überrascht doch das vom Autor gar nicht erwähnte Fehlen von Initiativen für ein Kaiser-Wilhelm- oder Bismarckdenkmal, zumal im benachbarten Mannheim 1894 ein eindrucksvolles Kaisermonument errichtet worden war [1] und 1900 ein ebensolches für den Reichskanzler hinzukam. [2] Leider gibt der Autor keinen Hinweis, ob es in Ludwigshafen nicht doch wenigstens die Idee einer solchen Ehrung gegeben hat und warum sie möglicherweise nicht verwirklicht wurde. Andere pfälzische Städte wie Kaiserslautern, Pirmasens und Zweibrücken errichteten jedenfalls Bismarckdenkmäler und in Edenkoben wurde am Sieges- und Friedensdenkmal auch an Kaiser Wilhelm I. gedacht. Die Geschichte des letzteren Denkmals zeigt aber auch, dass die spezielle Situation in der Pfalz ein reines Kaisermonument offensichtlich erschwerte: Das Edenkobener Denkmal war ursprünglich nur als Kriegerdenkmal geplant, bis man die in Kaiserslautern aufgekommene Idee eines Kaiser-Wilhelm-Denkmals integrierte, wobei aber insbesondere die "Mitwirkung von Bayerns Königshaus und Heer an den Siegen" zum Ausdruck gebracht werden sollte. [3] Über diese bayerisch-pfälzischen Voraussetzungen, die wahrscheinlich die Entstehung eines der ansonsten reichsweit flächendeckend errichteten Kaiserdenkmäler verhinderten, hätten vielleicht zeitgenössische Zeitungen Aufschluss geben können. Hier wäre auch der in der Studie überhaupt zu vermissende Vergleich mit anderen Städten aufschlussreich gewesen.

In der Untersuchung folgt nun ein Kapitel über "Denkmäler für Personen und Persönlichkeiten" (56-73), das allerdings in erster Linie aus der Geschichte zweier Büstendenkmäler für Schiller besteht. Mit den monumentalen Ehrungen für den Dichter auf dem Ludwigsplatz und in Oggersheim wurde nicht nur ein deutscher Geistesheld geehrt, sondern auch ein zumindest zeitweiliger Bewohner der Stadt, da Schiller 1782 zwei Monate in Oggersheim zugebracht hatte.

Im Anschluss wendet sich Furtwängler der Zeit der Weimarer Republik zu (75-129), während der in Ludwigshafen wiederum hauptsächlich Kriegerdenkmäler entstanden, die mit ihren klassizistischen Formen in erster Linie an Grabmäler erinnern. "Eine Sinnstiftung in Form des Sieges wie im Fall des Krieges von 1870/71 war nun 1920 nicht möglich." (83) Allenfalls wird der Tod des Soldaten, wie beim Kriegerdenkmal an der Apostelkirche, noch in die Nähe zum Opfertod Christi gerückt, um dem Sterben einen Sinn zu geben (93). Hier deutet sich schon eine Verherrlichung des Vaterlandes als absoluter Wert an, die im Nationalsozialismus glorifiziert werden sollte. Nationalsozialistische Ästhetik scheint auch beim 1932 errichteten Denkmal für die Opfer einer Explosionskatastrophe im BASF-Werk vorweggenommen. Die dargestellten Arbeiterfiguren sind stark typisiert und der Oberbürgermeister verglich in seiner Rede den Tod der Arbeiter mit dem "Heldentod" der gefallenen Soldaten (117). Eine Denkmalsform im Stil des Neuen Bauens war dagegen das Monument für Oberbürgermeister Christian Weiß aus dem Jahr 1931 - sicherlich das innovativste Denkmal, das im hier untersuchten Zeitraum in Ludwigshafen errichtet wurde. Es ist ein Verdienst des Autors auf dieses in Vergessenheit geratene und dem Verfall preisgegebene Monument hinzuweisen.

Ebenfalls wertvoll ist, dass Furtwängler sein Kapitel über die Zeit des Nationalsozialismus mit einer Beschreibung des Umgangs mit den zuvor entstandenen Denkmälern beginnt. Es erweist sich, dass insbesondere die verschiedenen Kriegerdenkmäler beliebte Orte der nationalen Identifikation darstellten, die für Veranstaltungen und Aufmärsche genutzt wurden. Mit dem Monument "Arbeiter der Stirn und Arbeiter der Faust" auf dem Gelände der Firma Knoll entstand 1936 aber auch ein Musterbeispiel zeitgenössischer nationalsozialistischer Denkmalskunst: Zwei in Bronze gegossene, drei Meter hohe Arbeiterfiguren, an deren Sockel sich ein Hitlerzitat befand: "Wollen wir als Gemeinschaft bestehen, dann müssen wir das Trennende überwinden." (157) Es wurde erst in den 1970er Jahren von seinem Sockel entfernt und blieb bis 1992 öffentlich sichtbar.

Solche und andere Ludwigshafener Denkmalgeschichten sind durch die Arbeit Furtwänglers dem Vergessen entrissen, die zusammenfassend gesagt unterhaltsam zu lesen, fundiert recherchiert und gut illustriert ist. Teilweise würde man sich etwas tiefere Blicke in die zeitgenössischen Pressequellen wünschen, die besonders in der Kaiserzeit vielleicht anhand der Beschreibungen von Einweihungsfeierlichkeiten und der dort gehaltenen Reden weitere Erkenntnisse gebracht hätten. Und auch der Blick über den Ludwigshafener Tellerrand hätte der Studie sicher gutgetan und Besonderheiten sowie Zeitgeist der lokalen Denkmallandschaft verdeutlicht.


Anmerkungen:

[1] Vgl. Fritz Abshoff: Deutschlands Ruhm und Stolz. Unsere hervorragendsten vaterländischen Denkmäler in Wort und Bild, Berlin o. D., 154.

[2] Bismarck - Preußen und Europa. Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums, Berlin 1990, 472-473.

[3] Vgl. Reinhard Alings: Monument und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denkmal. Zum Verhältnis von Nation und Staat im deutschen Kaiserreich, Berlin, New York 1996, 204-208.

Iris Benner