Peter Stadler: Rückblicke in die Neuzeit. Streiflichter auf Menschen und Ereignisse, Zürich: Orell Füssli Verlag 2007, 160 S., ISBN 978-3-280-06090-2, EUR 26,50
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Der schmale Band bietet ein buntes Kaleidoskop von zumeist bereits veröffentlichten kurzen Aufsätzen und Miszellen des emeritierten Zürcher Neuzeithistorikers Peter Stadler. Der weit gespannte Bogen reicht von einer biographischen Skizze des französischen Premierministers Kardinal Fleury bis zum Bergier-Bericht über die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Daneben stehen persönliche Erinnerungen des Autors zum Beispiel an seine kurze Zeit als Professor in Gießen oder an seinen Onkel, den Komponisten Arthur Honegger. Weshalb hier allerdings auch ein Text über die Insel Jersey als Ferienziel Aufnahme gefunden hat, bleibt ein Rätsel.
Die breite Palette der Themen zeigt den weiten Horizont Stadlers, der sich nicht in allzu enge disziplinäre Schubladen einordnen lassen möchte, sie geht aber doch auch auf Kosten der Kohärenz des Bandes, bei dem ein klarer Schwerpunkt kaum zu erkennen ist. Mit aller Vorsicht lässt sich dieser noch am ehesten bei Fragen der Geschichtsschreibung einerseits und dem schweizerischen Selbstverständnis andererseits ausmachen. So zeichnet Stadler die Entwicklung der europäischen Memoirenliteratur vom 16. bis ins 20. Jahrhundert nach und beschreibt die personelle Zusammensetzung des Historischen Seminars der Universität Gießen. Mit der Genese der schweizerischen Neutralität greift er einen der zentralen Bestandteile des schweizerischen Selbstverständnisses auf. In diesem, aber auch in anderen Beiträgen wird ein wichtiges Charakteristikum des Historikers Peter Stadler erkennbar: Er versteht sich eben nicht nur als Chronist vergangener Ereignisse, als jemand, der von Berufs wegen für die "Rückblicke" zuständig ist, sondern als ein politischer Zeitgenosse, der seine Themen bis in die Gegenwart weiterverfolgt und vor politischen Urteilen nicht zurückschreckt. Konsequent endet sein Beitrag über die schweizerische Neutralität deshalb nicht etwa mit dem Zweiten Weltkrieg, sondern mit den Perspektiven, die sich aus der Ablehnung von Beitrittsverhandlungen mit der EU im Jahre 2001 und dem im Jahr darauf erfolgten UNO-Beitritt der Schweiz ergeben. Der Band endet mit kulturpessimistischen "Schlussbemerkungen" des Autors zur gegenwärtigen kulturellen und politischen Lage.
Bettina Braun