Walter Barberis (a cura di): I Savoia. I secoli d'oro di una dinastia europea, Torino: Giulio Einaudi Editore 2007, 248 S., ISBN 978-88-06-18593-0, EUR 34,00
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Paolo Cozzo: La geografia celeste dei duchi di Savoia. Religione, devozioni e sacralità in uno Stato di età moderna (secoli XVI-XVII) (= Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento; 43), Bologna: il Mulino 2006, 370 S., ISBN 978-88-15-10904-0, EUR 22,00
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Enrico Castelnuovo (a cura di): La Reggia di Venaria e i Savoia. Arte, magnificenza e storia di una corte europea, Turin: Umberto Allemandi & C. 2007, 2 Bde., 364 S. + 309 S., ISBN 978-88-422-1518-9, EUR 29,50
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"Non à caso, la storia dei Savoia e del loro Stato ha cominciato a esser oggetto di numerose e coordinate ricerche storiche a partire della metà degli anni ottanta, in un quadro politico, non solo italiano profondamente mutato". [1] Diese am Ende eines der hier anzuzeigenden Bände getroffene Feststellung Andrea Merlottis umreißt deren weit über die reine Historiografie hinausreichenden Rahmenbedingungen. Denn im Mittelpunkt aller dreier Publikationen stehen die verschiedensten Aspekte des Hauses Savoyen in der Neueren und Neuesten Geschichte, eine im europäischen und vor allem italienischen Kontext bis heute keinesfalls wertneutrale Materie. Dieses Haus, dazu bestimmt, vom Range eines eher sekundären Grafen von Savoyen zu dessen Herzog (1416), zu Königen von Sizilien (1713-1718), von Sardinien (1720) und schließlich zu Königen des geeinten Italien (ab 1861) aufzusteigen, erregt immer noch - nicht zuletzt aufgrund des alles andere denn korrekt durchgeführten Referendums über die Staatsform Italiens 1946 - die Gemüter. [2] Dass das Haus Savoyen dabei eine nicht unerhebliche innere Wandlung durchmachte, sich in Repräsentation, Selbstbewusstsein und fürstlicher Identität den jeweils ideengeschichtlich, religiös-sakral und auch territorial unterschiedlichen Gegebenheiten wenn nicht anpassen, so doch zumindest damit auseinandersetzen musste, liegt auf der Hand.
Damit sind die Grenzen dieser Bücherrundschau auch schon deutlich abgesteckt: Weder sie selbst, noch die ihr zugrunde liegenden Studien haben die Geschichte des Landes Savoyen-Piemont an sich, noch die Vorgeschichte des Hauses vor dem richtungweisenden Umzug von Chambéry nach Turin unter Herzog Emmanuel Philibert in den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts zum Gegenstand. [3] Ansonsten aber weisen sie ein faszinierendes Maß an historiografischer Bandbreite auf, welches wirklich alle relevanten Aspekte der angesprochenen Themenfelder in einer sehr schönen und gerade im gesamteuropäischen Zusammenhang sehr sprechenden Vielfalt methodischer Ansätze und publizistischer Darstellung berücksichtigt.
Werfen wir unseren Blick zunächst auf den von Walter Barberis herausgegebenen Sammelband, welcher in seinem Untertitel das sicher nicht kühl-distanziert gewählte chronologische Segment bezeichnet: Es geht um die Zeit der Frühen Neuzeit, mit einigen Blicken über den gewählten Horizont hinaus. Hierzu sollte man, entgegen sonstiger Gewohnheiten, sowohl das Vorwort des Herausgebers (xv-li) als auch die allein auf (sehr schöne) Bildbeispiele gestützten heraldischen Ausführungen Luisa Clotilde Gentiles (liv-lxxi) berücksichtigen, welche gerade in Zeiten verschwindender Bedeutung der Hilfswissenschaften für Studium und Lehre aufschlussreich sind. Einer ebenfalls eher klassischen Ausrichtung verpflichtet bleiben die sehr präzisen und stringenten Erläuterungen der politischen und diplomatischen, dazu erfreulicherweise auch militärgeschichtlichen Rahmenbedingungen des Hauses im angegebenen Zeitraum durch Christopher Storrs ("La politica internazionale e gli equilibri continentali", 3-48), welche dessen Bedeutung für das Ancien Régime herausstellen. Ein weiterer Angelsachse, Geoffrey Symcox, führt diese Aspekte weiter in eine etwas andere Richtung, nämlich zum einen hin zu territorialen und verwaltungsgeschichtlichen, aber auch konfessionellen und zeremoniellen Fragestellungen ("Dinastia, Stato, amministrazione", 49-86). Dabei stehen staatsrechtliche Aspekte, im kapitalen 'S' in 'stato' bezeichnet, im Vordergrund.
Die Lücke einer wirklich reflektierten Erörterung zeremonieller und traditioneller Aspekte monarchischen Verständnisses füllt dann auf faszinierende Weise Andrea Merlotti mit seinen Ausführungen zu sakralen Momenten der savoyardischen Fürstentradition, welche - bei allen vorhandenen Unterschieden des Ansatzes - Gegenstand und Anliegen des unten noch näher vorzustellenden Werkes von Cozzo umreißen ("I Savoia: una dinastia europea in Italia", 87-134). Nach einer allgemein europaweit reflektierten dynastiengeschichtlichen Einführung gelangt Merlotti sehr schnell zum Hauptanliegen seiner Darstellung: dem origo-Gedanken, der fürstlichen Heiligenverehrung (Mauritius und B. Amadeus), den fürstlichen Ritterorden sowie allgemein dem Instrumentarium zeremonieller symbolischer Äußerung. Merlotti scheut sich auch nicht, den Blick über den vorgegebenen zeitlichen Rahmen zu lenken und die Frage nach den sakralen Grundlagen des in seiner Erscheinung zutiefst säkularen Königtums Italien ab 1861 zu stellen - jene nach Krönung, Krone und dem dafür als zumal latent funktionierend notwendigen Beziehungen zu Kirche und Hierarchie. Diese aber waren erst mit Abschluss der Lateranverträge 1929 gegeben, als Ideen, Kult und Ikonografie des nun etablierten Faschismus das sakrale Erbe des Königshauses überschattet hatten, was an der Hochzeit von 1930 sehr schön festzumachen gelingt. [4]
Hofgeschichte im Sinne einer auf Termini wie 'Disziplinierung' und 'Feudalität' beruhenden Geschichtsschreibung leistet sodann Paola Bianchi, was nicht zuletzt im Hinblick auf die Selbstdefinition des Savoyerhofes durch militaria und diplomatica zu überzeugen weiß, wiewohl man nicht alle dabei verwendeten theoretischen Paradigmen nachvollziehen muss ("La corte di Savoia: disciplinamento del servizio e delle fedeltà ", 135-174). Einen ansonsten weitgehend - in der Dynastie- wie Landesgeschichtsforschung - vernachlässigten Aspekt beleuchten abschließend Alberto Conte und Livia Goria in ihren Erörterungen zum Konnex Fürst, Hof und Wissen(-schafts/-betrieb) ("Scienza, tecnica e politica", 175-205). Ist der Impetus des Hofes für Wissenschaft und Forschung zwar ein - wenngleich minoritäres - Element auch klassischer Kulturgeschichtsschreibung, so kann der methodische Topos von der "corte come luogo di saperi" durchaus Neuland eröffnen und sollte in Zukunft nicht nur für Savoyen verstärkt berücksichtigt werden.
Eine umfangreiche kommentierte Bibliografie, ein Namensindex sowie Genealogien des Hauses runden diese durchweg auf höchstem Niveau in Darstellung und Sprache dargebotenen Beiträge ab; die eingestreuten Bilder sind von hoher Qualität, sowohl hinsichtlich ihres Aussage- und Anmerkungswertes als auch ihrer technisch-farblichen Reproduktion.
Diesem Gesamtentwurf einer Dynastiengeschichte der Savoyer nach 1550 stehen nun die beiden anderen hier noch zu erwähnenden Publikationen gegenüber, welche jeweils oben bereits angesprochene Einzelphänomene in unterschiedlicher Weise näher erörtern.
Wenden wir uns zunächst dem nur äußerlich bescheidener aussehenden Werk Paolo Cozzos über die 'himmlische Geografie' der Herzöge von Savoyen zu. Die jüngere Geschichtsschreibung versuchte, mit Beiträgen unter anderem von Gilbert Dagron [4], Gérard Sabatier[5], Sergio Bertelli [6], Jean-Paul Roux [7], David Carradine [8], Gordon Kipling [9], Michael Schaich [10] und des Rezensenten [11], das alte Bild der stark soziologisch geprägten Sicht - Carradine sprach gar von einem "relatively historical framework of Marxist or functionalist theory" [12] - zu überwinden.
Diesem Anliegen widmet sich auch der vorliegende Band, und es scheint überflüssig darauf hinzuweisen, dass er in dieser Fülle von Ausführungen und Einzelbelegen für die savoyardische Geschichte Pioniercharakter beanspruchen kann. Dabei scheint sich gerade dieses Territorium besonders hierfür anzubieten, besaß es doch im bis heute auch in breiten Teilen der Öffentlichkeit - wiewohl aus unterschiedlichen Gründen - durchaus präsenten 'Turiner Grabtuch' einen für das Haus Savoyen in der für das katholische Ancien Régime so wichtigen Hierarchie der fürstlichen Reliquien einzigartigen Unterpfand.
Cozzo verschweigt diesen Umstand keineswegs, doch erschließt er sein Thema zunächst mit zahlreichen methodischen Fragestellungen, von der Geschichte des historischen Raumes an sich bis hin zur Kulturgeografie. Ebenso werden das Verhältnis von bürgerlicher - hier meist Torineser - und fürstlicher Religiosität, ebenso die von beiden Teilen geleisteten Votivversprechen näher untersucht. Die Untersuchung dieses komplexen Themenfeldes gelingt sehr differenziert, wiewohl die verwendete Sprache oftmals den von Carradine bezeichneten Soziologismen verpflichtet bleibt und so mitunter sehr abstrakt wirkt, wenn, um nur ein Beispiel anzuführen, etwa das erwähnte städtisch-fürstliche Spannungsfeld im frühen 16. Jahrhundert seitens der Stadt mit dem Versuch "di ricuperare una sua autonomia nella gestione della religione civica [...] tentativo di riappropriazione di un patrimonio devozionale sempre più controllato dalle autorità civili" (74) charakterisiert wird. Nichtsdestoweniger sind die Ausführungen interessant und decken in ihrer Bandbreite zahlreiche relevante Aspekte der Fragestellung ab: von der fürstlichen Gewissensbildung und den hierzu bestallten Geistlichen, der marianischen Frömmigkeit als höfischer Ausdrucksform, dem Wert der heiligen Aszendenz als Ausweis fürstlicher Nobilität bis hin zu Sammeltätigkeiten und einer wahren Heiltumsschöpfung im System der 'Heiligen Berge' mit durchaus impliziter realpolitischer Komponente für die Sicherung einer nicht immer unumstrittenen Ostgrenze.
Ein letztes Kapitel untersucht Position und Stellung des Turiner Hofes gegenüber der römischen Kurie, was auch prosopografische Einzelheiten, etwa über Person und Bedeutung der apostolischen Nuntien, mit einbeschließt - ein Themenfeld, dessen Bedeutung etwa für Frankreich Pierre Blets jüngste Studie nachdrücklich unterstrich. [13] Ebenso erfährt der Leser bei Cozzo Aufschlussreiches über personelle Zusammensetzung, Symbolik und 'fonctionnement' der Capella Ducale, nicht zuletzt als Ausweis deren monarchischer und auch realpolitischer Ambitionen.
Somit kann sich das Werk, durch einen reichen Dokumentationsanhang, eine solide Bibliografie und einen ebensolchen Anmerkungsapparat und mehrere Indices untermauert, seinen Platz im aufgezeigten publizistischen Kontext sichern. Nahezu ausschließlich aus archivalischem Quellenmaterial gearbeitet, wird es diese Position wohl - zumal für den spezifischen lokalen Betreff - bewahren und hierfür Referenzcharakter beanspruchen dürfen. Dass man sich dabei einige offensichtlich wichtige Details, wie etwa die Bedeutung der Verkündigung Mariens und dem aus ihr und den daran geknüpften, im Ordine della SS. Annunziata symbolisch gipfelnden Prärogativansprüchen des Turiner Hofes, etwas näher beleuchtet gewünscht hätte, tut dem ebenso wenig Abbruch wie die doch starke Fokussierung auf den geografischen Raum der Darstellung, was einer eventuell wünschenswerten Weitung des Blicks auf Vorbild- und Parallelphänomene anderer Höfe (Madrid, Paris/Versailles, München, Wien, Sankt Petersburg) im Wege stand. Dies soll jedoch den hohen Erkenntniswert des Bandes, auf jeder Seite ersichtlich und fürderhin für das einschlägige wissenschaftliche Arbeiten unentbehrlich, keinesfalls mindern.
Legen wir nun die beiden kleinformatigen Druckwerke zur Seite und nehmen jene opulenten zwei Bände, Ausstellungskataloge einer in der Reggia di Venaria vor den Toren Turins 2007/2008 grandios inszenierten 'mostra' zur Kunstgeschichte, Strahlkraft und Vergangenheit eines europäischen Fürstenhofes - eben wieder jenes unserer Savoyer - zur Hand. Masse, Umfang und beeindruckende Bildqualität müssen nicht zwangsläufig mit einem entsprechenden Niveau der Darstellung Hand in Hand gehen, zu viele aus Prestigedanken und zeitlicher Opportunität, beziehungsweise institutioneller Selbstüberschätzung und übersteigertem Repräsentationswillen in den letzten Jahren durchgeführte Ausstellungen führen dies eindringlichst vor Augen. Allein - der Leser sei hier schon zu Beginn versichert, dass zu Turin dem grundlegenden scholastischen Grundsatz der Übereinstimmung von innen und außen, Form und Materie in jeder Hinsicht entsprochen wurde. Dem vielköpfigen Koordinationsteam um Enrico Castelnuovo ist es gelungen, die wesentlichen Elemente der Turiner Hofhaltung des Barock, gewollt auch spektakulär und damit kongenial zu behandelter Zeitästhetik und Stilempfinden (wofür die mehrdeutige 'magnificenzia' des Untertitels beredt Zeugnis ablegt), einem breiteren Publikum zu vermitteln. Dem Interessierten post factum bleibt nur mehr der Katalog, dessen Beiträge und Abbildungen, diese Welt zu erschließen.
Dass dabei manche bereits in dem oben angezeigten Sammelwerk Barberis' aufgeschienene Themenkomplexe ebenfalls eine Erörterung finden, ist nicht erstaunlich und soll hier keinesfalls negativ vermerkt werden, kann der Ausstellungskatalog doch allein schon durch die Fülle seiner exzellenten und in bester Qualität wiedergegebenen Abbildungen und Illustrationen einen Eindruck erzielen, der einem wiewohl auch selbst gut bebilderten 'Standardbuch' verschlossen bleiben muss. Und so verwundert es nicht, auch hier wieder Autoren - darunter Barberis selbst - zu finden, welche schon im ersten Titel vertreten waren. Am dichtesten wird diese Symbiose in dem von Barberis, Merlotti und Tommaso Ricardi di Netro verantworteten Kapitel zur Dynastiengeschichte ("I Savoia. Storia di una Dinastia", I, 21-90). Hier wird dem Leser klassische Territorial- und Fürstengeschichte verbunden mit moderneren Ansätzen der Kultur- und Dynastiengeschichte präsentiert, nachdem Maurice Aymard zuvor Grundlegendes zur Geschichte der europäischen Höfe jener Zeit umrissen hat ("Corti e Stati nell'Europa moderna", I, 9-20). Subtiler und in die Grundlagen der höfischen Repräsentation und Tradition einführend ist sodann der Beitrag wiederum von Andrea Merlotti, gleichsam ein Abstractum seiner entsprechenden ausführlicheren Zeilen bei Barberis ("La corte sabauda fra Cinque e Settecento", I, 91-102).
Novitätscharakter hingegen kann die bislang in den anderen vorgestellten Werken etwas zu kurz gekommene Kunst-, vor allem Architekturgeschichte beanspruchen, welche Elisabeth Kieven ("I Savoia e l'Europa: architettura", I, 103-116) in der im Titel schon aufscheinenden großen kontinentalen Dimension behandelt. Die vorgestellten Entwürfe und Ideen reichen dabei von Idealplanungen eines Fischer von Erlach oder Matteo Alberti über dessen letzteren Verwirklichungen zu Bensberg bis hin zum Ikonografieprogramm der Wiener Karlskirche. Diesem europäischen Betrachtungswinkel verpflichtet bleibt zunächst auch Paolo Cornaglia mit seinem ersten Beitrag über die Hofarchitektur im Allgemeinen ("1563-1798, tre secoli di architettura di corte - la città , gli architetti, la commitenza, le residenze, i giardini", I, 117-184). Dessen weit ausholende, originelle und sehr nachdenkenswerte Impulse und Ergebnisse im Einzelnen zu untersuchen, steht hier leider nicht der erforderliche Raum zur Verfügung; der Rezensent kann daher dem Leser diese Seiten nur summarisch ans Herz legen, dies mit dem Hinweis, den behandelten Gegenstand wohl anderweitig nur mehr schwerlich in dieser Konsistenz vermittelt zu bekommen.
Mehr auf den genius loci des Schlosses der Venaria fokussiert sind die folgenden beiden Beiträge wiederum von Paolo Cornaglia ("Venaria Reale. La più importante residenza dei duchi di Savoia e dei re di Sardegna, I, 185-196), von Francesco Pernice über die nachbarocke Zeit der Residenz (La Venaria Reale. Dalla decadenza del XIX secolo all'attuale rinascita - un percorso di duecento anni", I, 199-208) und Andreina Griseri ("Altro spirito, altro stile per la reggia di Venaria", I, 217-233). Die lokalen Voraussetzungen werden in einer großen Bandbreite, von den literarischen (Maria Luisa Doglio: "Emanuele Tesauro (1592-1675). Metafora e scrittura rappresentativa", I, 233-236) über die kunsthandwerklichen Komponenten (Silvia Ghisotti / Carla Enrica Spantigatti: " Mestieri preziosi alla corte dei Savoia", I, 295-321) und die fürstliche Einflussnahme (Michela di Macco: "Duchi, Madame Reali e Re sabaudi - forme dell'arte di corte a Torino dal Cinquecento al Settecento", I, 237-270) erfasst und mit wiederum ausgezeichnetem Bildmaterial dokumentiert.
Der letzte Abschnitt legt in einer für diese Publikationsgattung ungewöhnlichen Offenheit Schwierigkeiten und Differenzen der Konzeption von Restaurierung und Neuverwendung der Residenz sowie der Vorbereitung der zugrunde liegenden Ausstellung selbst offen, wobei das Vokabular deutlich militante Züge trägt (z.B., zurecht, Carla Enrica Spantigatti: "La magnificenza riconquista", I, 271-294); andere Beiträge erörtern das Konzept Peter Greenaways, der auch selbst zu Wort kommt ("Venaria Reale - Ripopolare la Reggia", I, 325-332), die Entgegnung erfolgt durch Alberto Vanelli und Andrea Merlotti ("Greenway come risposta. Intorno a 'Ripopolare la Reggia'", I, 322-325). Merlottis schon erwähnter Beitrag über die überaus politische Konnotation der ganzen Savoyer-Frage beschließt den ersten Band ("Casa Savoia e la storia: una questione politica", I, 333-340).
All diese Aufsätze sind höchst aufschlussreich und bieten dem Leser eine bisher in dieser Form gedruckt nicht vorliegende Fülle an Einzelinformationen zu den jeweiligen Betreffen, ohne jemals die gesamteuropäische kulturgeschichtliche Dimension aus den Augen zu verlieren; dies gilt in ungleich höherem Maße für den immerhin ebenfalls über 300 Seiten starken Band II, den eigentlichen Ausstellungskatalog, dessen Informationsreichtum hier nicht annährend gewürdigt werden kann, sodass lediglich - neben den erwähnten fachlichen Kriterien - auf die exzellenten Bilder, in dieser Qualität selbst bei ambitionierten Ausstellungen selten, verwiesen sei. Dem Fachkollegen sei die Lektüre der Kurzartikel dringend ans Herz gelegt, aber selbst das 'Grand Public', welches in der Regel nicht Zeit und Muße hat, jedem einzelnen angeführten Hinweis nachzugehen und sich daher eher auf eine optische Rezeption beschränkt, erhält hier eine Revue savoyardischer Fürstengeschichte in all ihren Konnotationen, die in dieser Form europaweit einzigartig ist und für zahlreiche andere Dynastien mehr denn wünschenswert wäre.
Damit sind wir am Ende unseres Bücherrundganges durch die Neuerscheinungen zur Geschichte des Hauses Savoyen angelangt. Auf die wesentlichen Meriten der einzelnen Publikationen wurde loco suo verwiesen. Natürlich - dies sei wiederholt - ersetzen die besprochenen Bände, meist Einzelphänomenen gewidmet oder doch darauf fokussiert, nicht die großen Klassiker. Der Akzent aller hier vorgestellten Veröffentlichungen liegt eindeutig auf der Kulturgeschichte; die weit überregionale Bedeutung des Hauses Savoyen etwa aufgrund seiner Eheverbindungen vom 17. bis ins 19. Jahrhundert war, trotz gelegentlicher Erwähnung, nicht ihr Hauptanliegen. So bleibt Cognassos monumentales Werk über das Haus Savoyen unersetzt [14] und selbst seine alte, damals und vor allem vor dem Zeithintergrund in ihrer europaweiten Optik avantgardistische Geschichte noch immer lesbar. [15] Die in den oben angesprochenen Werken erbrachte Fülle sollte als Erweiterung hierzu gelesen werden, der Ausstellungskatalog eventuell auch als ein attraktiver Einstieg in das Thema. Cozzos überaus interessante Studie ist tatsächlich reine Fachliteratur, darin aber nunmehr fest als elementarer Beitrag der Diskussion und Forschung zur Geschichte der monarchischen Tradition verankert. Für weitere Einzelfragen, etwa das für Savoyen und Gesamtitalien so ungemein wichtige 17. Jahrhundert wird man weiterhin auf die entsprechenden Spezialuntersuchungen zurückgreifen. [16] Ansonsten aber erfreut sich die Casa di Savoia jetzt einer Geschlossenheit an (kultur-)historischer Aufarbeitung, um die sie andere, mindestens ebenso wichtige europäische Dynastien nur beneiden können.
Anmerkungen:
[1] Andrea Merlotti: Casa Savoia e la storia: una questione politica, in: La Reggia I, 333-340, hier 339.
[2] Ebd., 338 f.; vgl. auch: Robert Katz: The Fall of the House of Savoy. A Study in the Relevance of the Commonplace or the Vulgarity of History, London 1972.
[3] Zur frühen Zeit immer noch: Eugene L. Cox: The Eagles of Savoy. The House of Savoy in thirteenth-century Europe, Princeton, N.J. 1974.
[4] Dieser Aspekt erfährt auch keine erschöpfende Behandlung. Vgl. ansonsten hierzu das brauchbare Werk von Denis Mack Smith: Italy and its Monarchy, New Haven 1992.
[5] Gérard Sabatier: Imagerie héroïque et sacralité monarchique, in: La Royauté sacrée dans le monde chrétien (Actes du Colloque de Royaumont 1989) (= L'histoire et ses représentations; 3), hg. von Alain Boureau / Claudio Ingerflom, Paris 1992, 115-127; ders.: Versailles ou la figure du Roi, Paris 1999.
[6] Sergio Bertelli: Il corpo del Re. Sacralità del potere nell'Europa medievale e moderna, Firenze 21995; ders. / Hope Maxwell: Imposizioni di mani e gesti regali, in: Il gesto. Nel rito e nel ceremoniale dal mondo antico ad oggi (= Laboratorio di Storia; 9), hg. von Sergio Bertelli / Monica Centanni, Firenze 1995, 104-139.
[7] Jean-Paul Roux: Le Roi. Mythes et symboles, Paris 1995.
[8] David Carradine: The Context, Performance and Meaning of Ritual. The British Monarchy and the 'Invention of Tradition', in: The Invention of Tradition, hg. von Eric Hobsbawm / Terence Ranger,Cambridge 1983, 101-164.
[9] Gordon Kipling: Enter the King. Theatre, Liturgy and Ritual in the Medieval Civil Triumph, Oxford 1998. Kipling behandelt das Sujet weit über den angegebenen Zeitraum hinaus.
[10] Michael Schaich (Hg.): Monarchy and Religion. The Transformation of Royal Culture in Eighteenth-Century Europe, Oxford 2007.
[11] Josef Johannes Schmid: Sacrum Monarchiae Speculum - der Sacre Ludwigs XV. 1722: monarchische Tradition, Zeremoniell, Liturgie, Münster 2007.
[12] Carradine, wie Anm. 8, 104.
[13] Pierre Blet: Les nonces du pape à la cour de Louis XIV, Paris 2002.
[14] Francesco Cognasso: I Savoia, Milano 1999.
[15] Francesco Cognasso: I Savoia nella politica europea (Storia e politica), Milano 1941.
[16] Etwa das 2007 als Taschenbuch neu herausgekommene Werk von Toby Osborne: Dynasty and Diplomacy in the Court of Savoy. Political Culture and the Thirty Years' War (Cambridge Studies in Italian History and Culture), ursprünglich Cambridge 2002.
Josef Johannes Schmid