Julian Jachmann: Die Kunst des Augsburger Rates 1588 - 1631. Kommunale Räume als Medium von Herrschaft und Erinnerung (= Kunstwissenschaftliche Studien; Bd. 147), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2008, 392 S., ISBN 978-3-422-06784-4, EUR 49,90
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Die als Dissertationsschrift im Jahr 2006 in Marburg eingereichte, nun im Deutschen Kunstverlag erschienene Arbeit von Julian Jachmann stellt sich einem für die Kunstgeschichte noch jungen Thema der politischen Ikonografie.
Zu den führenden Forschern auf diesem bislang wenig systematisch erforschten Gebiet zählt Matthias Müller seit seinem viel beachteten Buch: "Das Schloss als Bild des Fürsten. Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reiches (1470-1618)" (2004). Seine jüngeren Arbeiten "Bildlichkeit und Bildhaftigkeit in der Architektur" (2007) oder "Ordenslehre und Fürstenmemoria. [...]" (2008) und "Bilder als Waffen nach der Schlacht" (2008) gelten als wegweisend in der Frage nach Funktion und Wirkung von Architektur und Kunst als Medium von Gedächtnis, Repräsentation und politischer Propaganda. Ein besonderes Verdienst besteht in seinem Nachweis, dass die Profanarchitektur der Frühen Neuzeit mit der verbundenen Bildkunst zu einem bedeutenden Gegenstand bildlich-medialer Kommunikation ausgestaltet, sie gleichsam zu "Portraits" beziehungsweise "Bildern" von Königen, Fürsten und reichsfreien bürgerlichen Stadträten werden konnten (Müller 2007).
Und genau hier knüpft Julian Jachmann mit seiner Studie zur Kunst des Augsburger Rates an. Sein Untertitel "Kommunale Räume als Medium von Herrschaft und Erinnerung" formuliert sein spezielles Anliegen in Bezug auf Gebrauch, Umgang und Gestaltung öffentlicher städtischer Räume, der Architektur und Kunst Augsburgs zwischen 1588-1631. Mit der Parabel "Vor dem Gesetz" von Franz Kafka führt er den Leser an seine spezielle Fragestellung heran und erklärt daran sein Untersuchungsmodell. Es geht ihm, wie bei Kafka ausgeführt, um den "zeichenhaften und materiellen Gebrauch von Raum" (9); es geht um "Zugänglichkeit zur Herrschaft und ihre Behauptung mittels unterschiedlicher räumlicher und visueller Strategien" (9) und, auf die Bautätigkeit des Augsburger Rates übertragen, um ihre Intentionen und Ziele zu Aufträgen an Baumeister und Künstler.
Nach seiner Einführung zur Fragestellung, Methode und Materialgrundlage (7-28) breitet Julian Jachmann seine Erkenntnisse über die Funktion, Nutzung und Bedeutung der Architektur und öffentlichen Stadträume Augsburgs aus, die im Beziehungsgeflecht ratsherrlicher und fürstlicher Interessen stehen (33-66). Seine gründliche Analyse des Stadtregiments in seiner Struktur und Konstitution, seinen Beziehungen zum Adel, seinen vielfältigen Aktivitäten, die sich in diesen Räumen abspielen, verstehen sich als Ausgangspunkt für seine eigentliche Untersuchung zur Gestaltung dieser Räume mit den zu ihnen gehörenden Werken der bildenden Künste (77-99).
Nach einem Überblick der eingesetzten Medien und Raumformen, zieht er mit seinem Paradigma "Form im Raum, Raum als Form" (100-101) Zwischenbilanz in seiner Argumentation, die Formensprache der Bauten auf das ratsherrliche Bedürfnis von Repräsentation zurückzuführen. Seine nachfolgende Betrachtung der Ikonografie der Bildinhalte, Hoheitszeichen und Inschriften an den Bauten und öffentlichen Anlagen vermittelt dem Leser die Vorstellung über Absichten und Ziele des Stadtregiments bei der Auswahl von Bildthemen für die Vermittlung verschiedener Botschaften.
Das vierte Kapitel erklärt im ersten Teil Struktur und Anordnung der öffentlichen Räume von Straßen und Plätzen in ihrem städtisch-funktionalen Zusammenhang (141-156). Dass gegenüber Struktur und Raumaufteilung des Rathauses ähnliche Bedeutungs- und Nutzungsbedingungen herrschten wie im umgebenden Stadtorganismus, zeigt der Blick ins Innere der Anlage mit seinen Höfen, Türmen, seinen Sälen und Fürstenzimmern (156-168).
Beides, die Struktur des Stadtregiments als Erkenntnis aus dem zweiten Kapitel und die der kommunalen Räume, insbesondere des Rathauses werden nun im Kapitel fünf zusammengeführt und es wird gezeigt, auf welche Weise im Beziehungssystem der Einzelräume Ratsherrschaft funktionierte oder umgekehrt, bewusst Raumstrukturen geschaffen wurden, um ratsherrlichen Anspruch zu realisieren. Wie treffend der Vergleich mit der eingangs zitierten Parabel von Franz Kafka gewählt war, erweist sich mit Blick auf die "Zugänglichkeit zur Herrschaft und ihre Behauptung mittels unterschiedlicher räumlicher und visueller Strategien" in der Raumordnung des Rathauses als "idealer Mikrokosmos" gegenüber dem "Makrokosmos" der Stadt (184).
Zur Schlussbetrachtung über die "Intention des Augsburger Rates" führt wiederum der Mann "vor dem Gesetz" (199). Wenn jenem zwar der Zutritt zu seinem begehrten, für ihn scheinbar unerreichbaren Raum verwehrt wurde, er dennoch aber in den Genuss des "unverlöschlich" aus der Tür brechenden Lichtes kam, so sieht dies der Autor als (metaphorische) Übertragung der "mit dem Festsaal verbundenen Ansprüche gegenüber Bürgern wie Reichsständen" durch "die Inkorporation in den Rathausquader auf den Rat" (199).
Das mit reichen Abbildungen, Quellen und Register versehene Buch überzeugt. Seine überaus passende Struktur, seine nicht umständliche, vielmehr erfreulich plausible Beweisführung bringen den Leser in spannender Weise zu der Erkenntnis, wie genau am Beispiel der Stadt Augsburg kommunale Räume als Medium von Herrschaft und Erinnerung funktionieren. Das Buch Julian Jachmanns bereichert die aktuelle Forschung darüber hinaus mit einem wichtigen Exemplum und einem sehr eindrücklichen Beleg dafür, dass das, was über die fürstliche Residenzarchitektur bereits grundsätzlich festgestellt wurde (Müller 2004/2007), tatsächlich auch auf die frühneuzeitliche Architektur und Kunst der Reichsstädte übertragbar ist.
Burkhard Kunkel