Rezension über:

Peter J. Bowler: Monkey Trials and Gorilla Sermons. Evolution and Christianity from Darwin to Intelligent Design, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2007, vii + 256 S., ISBN 978-0-674-02615-5, USD 24,95
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Rezension von:
Marianne Sommer
Professur für Wissenschaftsforschung, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Marianne Sommer: Rezension von: Peter J. Bowler: Monkey Trials and Gorilla Sermons. Evolution and Christianity from Darwin to Intelligent Design, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 10 [15.10.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/10/17047.html


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Peter J. Bowler: Monkey Trials and Gorilla Sermons

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Peter Bowler ist Wissenschaftshistorikern durch seine ebenso zahl- wie einflussreichen Publikationen zur Geschichte der Evolutionstheorien wohl bekannt. Auch das Thema des sich wandelnden Verhältnisses zwischen Evolutionsidee und religiösem Glauben ist kein Neuland für den Autor. In diesem Buch richtet er sich vornehmlich an Studierende. Es soll einen gut verständlichen und mit Genuss lesbaren Überblick bieten und auf vertiefende Literatur verweisen. Neue Einsichten finden sich insbesondere in die amerikanische Debatte des frühen 20. Jahrhunderts, die in der Geschichtsschreibung gerne durch das Spektakel des Scopes (monkey) trial von 1925 überschattet wird. Der Prozess warf das Gesetz in Bezug auf die Evolution in die Waagschale, das in Tennessee wie in anderen Bundesstaaten verbot, an staatlichen Schulen eine der Bibel widersprechende Theorie zu lehren. Bowler setzt sich dagegen stärker mit den liberalen Spielarten des Christentums in U.S.-Kirchen auseinander. Diese waren in Europa etwa durch die gorilla sermons des späteren Bischofs von Birmingham, Ernest William Barnes, ruhmvoll vertreten.

Bowler möchte also aufzeigen, dass sich das Verhältnis von christlichem Glauben und Evolutionsideen für keine Epoche auf eine binäre Gegenüberstellung reduzieren lässt. Er arbeitet daher die Breite des Spektrums an Haltungen gegenüber der Evolution von Glaubensvertretern heraus und prüft andererseits die bekanntesten Evolutionsbiologen auf ihre Einstellung gegenüber der Religion. Damit richtet er sich auch an jene, die sich an den gegenwärtigen Kontroversen beteiligen. Bowler bezieht denn auch persönlich Stellung, indem er sich als Skeptiker zu erkennen gibt. Wie der Wissenschaftsphilosoph Michael Ruse vertraut er aber nicht auf den Konfrontationskurs, wenn die Wissenschaft mit Strömungen wie jenem des amerikanischen Intelligent Design und deren Forderungen konfrontiert ist: "Evolution is not necessarily atheistic, and creationism is not the only alternative open to the Christian" (4). Gleichzeitig ist er nicht von Stephen Jay Goulds Argument überzeugt, dass die Religion und die Evolutionsbiologie friedlich und ungestört nebeneinander leben könnten, weil sie unterschiedliche Bereiche - Werte und Fakten - beträfen (Rocks of Ages 1999). Bowler betont völlig richtig, dass beide Anspruch auf die Definitionsmacht bezüglich der Entstehung und der Natur des Kosmos - inklusive des Menschen - erheben.

Das Buch ist chronologisch aufgebaut. Es beginnt mit jenem Kontext, in welchen Charles Darwin sein Meisterwerk entlassen würde. In der seit dem 17. Jahrhundert florierenden Tradition der Naturtheologie wurde die Erforschung der natürlichen Welt als Erhellung der von Gott geschaffenen Ordnung verstanden. Gottes Macht, Weisheit und Güte schienen besonders offenbar in der Perfektion, mit der jedes Lebewesen an seine Umstände angepasst war (argument from design). Selbst in der bereits enorm ausgedehnten Erdgeschichte der Geologen der Zeit hielt sich die Vorstellung, die Lebewesen seien wiederholt durch Schöpfungen an die von Katastrophen heimgesuchte und veränderte physische Welt angepasst worden. Darwin würde diese Anpassungen, die er als keineswegs perfekt erkannte, als das Resultat von natürlichen Prozessen beschreiben. Das scheinbar so klar von einer schöpfenden Intelligenz zeugende Design wurde auf das Zusammenwirken von zufällig entstehender organismischer Variation und differentiellem Fortpflanzungserfolg in spezifischen Umwelten 'reduziert'.

Der Skeptizismus, Materialismus und mitunter Atheismus der Aufklärung hatte bereits vor Darwin Transformationstheorien den Weg bereitet. Diese gingen jedoch nicht von einer gemeinsamen Abstammung der Arten aus. Vielmehr wurde angenommen, dass die niedrigsten Lebewesen durch spontane Zeugung entstünden und danach eine vorgegebene fortschrittliche Entwicklung hin zum Menschen durchliefen. Manche etwas weniger radikale Denker verbanden solche Modelle mit der Vorstellung, Gott habe sich zumindest insofern an der Welt beteiligt, dass er diese Entwicklungsgesetze festgelegt habe.

Darwins Zeitgenossen benutzten seine Theorie im Kampf gegen die institutionalisierte Religion - am bekanntesten Thomas Henry Huxley in England und Ernst Haeckel in Deutschland - aber es gab weiterhin Kompromissversuche. Diese funktionierten in erster Linie über das Prinzip des Forschritts. Während Darwins Buch On the Origin of Species (1859) der Evolutionsidee zum Durchbruch verhalf, fand seine Variabilitäts-Selektionstheorie weniger Anklang. Alternative Evolutionsmechanismen wie die Vererbung erworbener Eigenschaften waren viel besser dazu geeignet, zielgerichteten Forschritt in der Evolution zu begründen. Diese Hinwendung zu einem teleologischen Transformismus wurde durch eine liberalere Theologie gestützt, die die Bibel nicht mehr wörtlich nahm und nicht mehr auf dem Sündenfall und der Erlösung bestand. Damit wurde es möglich, die Entfaltung der lebenden Welt als fortschrittlich zu verstehen, gar durch den Einsatz des Einzelnen angetrieben, analog der gesellschaftlichen Entwicklungen, wie sie die Vertreter des freien Marktes wahrnahmen. Dabei konnte Forschritt wie bereits in den vordarwinschen Modellen als rein naturalistisch bedingt oder von Gott vorgesehen verstanden werden.

Konservative Kräfte erkannten sofort, dass Darwins natürliche Selektion eine weit größere Herausforderung für den christlichen Glauben darstellte und manche Theologen und gläubige Wissenschaftler machten daher auf die Brutalität, die Sinn- und Ziellosigkeit einer Evolution aufmerksam, die von diesem Mechanismus bestimmt war. Ihre Befürchtungen in Bezug auf die herausragende Stellung des Menschen in der Schöpfung und auf die christliche Moral gewannen an Brisanz, als in der sogenannten modernen oder evolutionären Synthese ab den 1930er-Jahren die Selektionstheorie zum Kernstück der Evolutionsbiologie wurde. Eine Entwicklung, die auch den Einsichten in die Vererbungsprozesse in der neuen Wissenschaft der Genetik geschuldet war. In Amerika war 'der Kompromiss Fortschritt' bereits zuvor sozusagen von der anderen Seite gefährdet worden - durch das Erstarken der religiös konservativen Kräfte.

Sogar im neodarwinschen Paradigma blieb es jedoch möglich, den Evolutionsprozess als fortschrittlich, wenn auch nicht zielgerichtet, und den Menschen als dessen höchstes Produkt zu verstehen. Dennoch ist mit Selektionisten wie Richard Dawkins und Daniel Dennett schließlich eine neue Generation auf die Bühne getreten, die wie Huxley und Haeckel zuvor die Ausschließlichkeit von christlichem Glauben und Evolutionstheorie postulieren. Die Fronten verhärteten sich beidseitig. Bereits in den 1950er-Jahren wurde der Kreationismus durch das Kernstück eines biblischen Literalismus wiederbelebt. Seither hat die Intelligent Design Bewegung dafür gesorgt, dass kein friedliches Nebeneinander, sondern ein Konkurrenzkampf um Einflussnahme insbesondere auf die Bildung das Verhältnis bestimmt.

Bowler betont, dass diese polarisierte Situation kaum historische Vorläufer habe. Sicher ist, dass die jung-Erde Position in den hundertfünfzig Jahren vor der aktuellen Bewegung wenig Anhänger in den gebildeten Schichten hatte. Bowler hofft, dass die liberaleren Traditionen in der Biologie und Theologie wieder erstarken. Erste Zeichen könnte man darin sehen, dass die Reduktion der Evolution auf die Selektionstheorie unter Beschuss geraten ist, insbesondere vom neuen Ansatz der evolutionary developmental biology. Andererseits sehen heute manche Theologen gerade in der natürlichen Selektion die Lösung, die Möglichkeit und Verantwortung der Schöpfung, sich frei zu entwickeln, zu begründen.

Bowler erreicht zumindest sein Ziel der Übersicht und Leserfreundlichkeit, mit der Einschränkung, dass der Fokus auf Großbritannien und den U.S.A. liegt. Der Anspruch, beide Seiten - Religion und Wissenschaft - darzustellen, führt zudem dazu, dass zahlreiche Aspekte seiner Ansicht der Geschichte der Evolutionsbiologie (insbesondere der 'darwinschen Revolution') wiederholt werden, dabei aber die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Richtungen des christlichen Glaubens etwas zu kurz kommen und oft an der Oberfläche bleiben. Auch dieses Buch des Autors ist eine Ideengeschichte, die wenig epistemischen Gebrauch von kulturellen Kontexten macht. Ob Bowler sein ehrgeizigeres Vorhaben der Einflussnahme auf die aktuellen Auseinandersetzungen zum Thema Evolution versus Religion gelingt, bleibt fraglich. Er stellt selbst die Gefahr fest "[...] that liberal theologians and intellectuals debate in their ivory tower while militant religion runs rampant in the everyday world" (218). Auch Monkey Trials & Gorilla Sermons dürfte beim Leserkreis weitgehend offene Türen einrennen.

Marianne Sommer