Roger B. Manning: An Apprenticeship in Arms. The Origins of the British Army 1585-1702, Oxford: Oxford University Press 2006, xix + 467 S., ISBN 978-0-19-926149-9, GBP 75,00
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Im 18. Jahrhundert zählte Großbritannien unbestritten zu den europäischen Großmächten, und zu diesem Status gehörte neben der Marine auch eine Armee, die die Interessen des Vereinigten Königreichs gegebenenfalls auch mit Gewalt durchsetzen konnte. Die seit Mitte des 17. Jahrhunderts stetig wachsenden Truppenstärken nötigten jedem Mitbewerber um eine Großmachtstellung eine deutliche Vermehrung der eigenen Armee ab. Fragen der Heeresverwaltung und -finanzierung, der zuverlässigen Unterwerfung der Regimenter unter den Willen des Herrschers, der personellen Ergänzung, der Disziplinierung und Ausbildung sowie der Schaffung eines zahlreichen, professionellen Offizierskorps wurden so zu zentralen Themen der Ausbildung von Staatlichkeit. Nirgendwo gelang es, die damit verbundenen Probleme rasch und ohne Irr- und Abwege oder Rückschläge zu lösen. Seit dem späteren 16. Jahrhundert und verstärkt im 17. Jahrhundert begannen in ganz Europa Prozesse, die letztlich zu Staaten und Armeen moderner Prägung im 19. Jahrhundert führten. Sie verliefen unterschiedlich schnell, unter wechselnden Rahmenbedingungen und mit differierenden Zielen und mit wechselnden Erfolgen - sowohl aus der Sicht der Potentaten, als auch aus der der Mittelgewalten, die stehende Heere unter zentraler Kontrolle ablehnten.
Roger B. Manning hat es auf der Grundlage seiner früheren Forschungen zu Staat, Gesellschaft und Armee auf den britischen Inseln im 16. und 17. Jahrhundert unternommen, die Entstehung der britischen Armee zu beschreiben. Er fasst das 17. Jahrhundert als Lehrzeit ("apprenticeship") auf, in der zahlreiche Wege und Abwege beschritten wurden, je nach politischer, sozialer, ethnischer und nicht zuletzt konfessioneller Konstellation. Es geht ihm nicht um eine Geschichte der politischen Entwicklungen oder der militärischen Operationen - auch wenn immer wieder einzelne militärische Unternehmungen exemplarisch geschildert werden. Eine gute Kenntnis der Ereignisgeschichte sowie der grundlegenden sozialen, politischen und religiösen Probleme des 17. Jahrhunderts ist Voraussetzung, um das Buch mit Gewinn lesen zu können. Ebenso sollten Mannings frühere Publikationen bekannt sein, deren Inhalt und Argumente er als weitgehend bekannt voraussetzt. Erstaunlich ist jedoch, dass ein direktes Eingehen auf die Debatte um die "Military Revolution" des 16. und 17. Jahrhunderts fehlt, obgleich diese das Forschungsfeld seit Jahrzehnten prägt.
Die Wahrnehmung des 17. Jahrhunderts als Lehrzeit ist sicher berechtigt, denn ein genauer Blick enthüllt, wie wenig die Entwicklung der britischen Landstreitkräfte, wie sie dann im 18. Jahrhundert zu beobachten sind, auf einen Masterplan, auf gezielten Reformen oder dem Wirken weniger bedeutender Reformer beruhte. Viel eher lässt sie sich auf ein langsames Vorantasten, auf Einzelmaßnahmen und auf sich teils widersprechende Ideen zurückführen, von denen sich dann einige, teilweise erst nach bitteren Erfahrungen, als bewährt durchsetzen konnten. Wilhelm III. war es letztlich, der am Ende des Betrachtungszeitraums viele der vorherigen Entwicklungen und Lehren zusammenführen konnte, nicht zuletzt aufgrund seiner zuvor in den in militärischer Hinsicht deutlich weiter entwickelten Niederlanden gemachten Erfahrungen.
Ein entscheidendes Kriterium für die Professionalisierung einer Armee ist nach Manning die Professionalisierung des Offizierskorps. Dieser Einschätzung ist zu folgen, denn vom Offiziers- und - so wäre zu ergänzen - Unteroffizierskorps hängen Disziplin, Versorgung, Verwaltung, Ausbildung und Zuverlässigkeit einer Armee im hohen Maße ab. Als Gradmesser der Professionalisierung macht Manning insbesondere die Frage des Zugangs zu Offiziersstellen sowie der Chancen auf Beförderung aus. Solange soziale Qualitäten oder ein Stellenkaufsystem hier eine größere Rolle spielten als Ausbildung und fachliche Qualifikation, kann nicht von einem vollends professionalisierten Offizierskorps gesprochen werden, zumal wenn die adelige Kultur sich von militärischen Idealen abwandte und daher junge Adelige nicht mehr wie selbstverständlich eine militärische Ausbildung erhielten. Der Professionalisierung der Armee setzte auch die duale Kontrolle der Landstreitkräfte durch Parlament und König Grenzen, genauso wie Unklarheiten darüber, wer die Jurisdiktion über Soldaten hatte, die im Heimatland stationiert waren. Ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber stehenden Heeren war weit verbreitet, weil diese dem König die Möglichkeit in die Hand geben konnten, eine absolutistische Stellung zu erreichen. Die Alternative, die Inseln durch Milizverbände zu verteidigen, wurde zwar immer wieder ins Spiel gebracht, jedoch waren Milizen in der Praxis im späten 17. Jahrhundert nur in Ergänzung zu regulären Streitkräften denkbar, mit denen sie bei Ausbildung, Disziplinierung und Erfahrung nicht mehr mithalten konnten.
Es war am Ende mehr die Kriegserfahrung britischer Soldaten und Offiziere, die sie im Dienst fremder Armeen auf dem Kontinent erworben hatten, als eine Entwicklung auf den Inseln selbst, die zu einer gewissen Professionalisierung des Offizierkorps führte. Der gemeinsame Kriegsdienst von Engländern und Schotten in fremdem Sold trug im Übrigen einiges dazu bei, dass sich ein gemeinsames britisches Bewusstsein herausbilden konnte. Das kontinentale System der in der Theorie freiwilligen Anwerbung von Söldnern hat sich ebenfalls nach und nach auf den britischen Inseln durchsetzen können, wo es - in England schneller als in Schottland und Irland - die eher mittelalterliche Aufbietung von Verwandtschaft, Lehnsverbänden oder Abhängigen ersetzte. Auch das war wichtig für die Professionalisierung des Offizierkorps, denn wenn z.B. ein Familienverband aufgeboten wurde, musste sich fast notgedrungen die Führung nach sozialen statt nach militärischen Gesichtspunkten richten.
Manning breitet den Prozess der Professionalisierung der britischen Armeen im 17. Jahrhundert mit allen Wegen und Irrwegen anhand von zahlreichen Beispielen aus. Die Vielfalt der Entwicklungsstränge und alltäglichen Probleme wird so überdeutlich. Allerdings macht dieses Vorgehen das Buch auch zu einer bisweilen anstrengenden Lektüre von Details, bei der die Relevanz des einzelnen, in großer Breite geschilderten Beispiels nicht immer deutlich wird. Manchmal entsteht der Eindruck, dass hier ein Gelehrter seinen in Jahrzehnten entstandenen wissenschaftlichen Zettelkasten in Buchform gebracht hat. Problematisch ist auch ein Mangel an Quellenkritik, denn vielfach übernimmt Manning ungeprüft Episoden aus Lebenserinnerungen und sonstigen zeitgenössischen Publikationen. Immer wieder beschleichen den Leser daher Zweifel, ob sich die geschilderten Begebenheiten tatsächlich so abgespielt haben können, doch Manning thematisiert dieses Problem nicht.
Am Ende schmälert dieser Einwand den Wert des Buches aber nur im Detail, nicht in den Ergebnissen. Denn es geht dem Autor ja nicht um Ereignisgeschichte, und wenn sich eine erfundene Geschichte verbreiten konnte, dann muss sie wenigstens in die Richtung eines realen Problems gewiesen haben, das damalige Leser für plausibel hielten. Mannings Panorama einer in der Praxis nur langsam, mit vielen Irrungen, Rückschritten und Widersprüchen militärischen Professionalisierung, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts auch noch keineswegs abgeschlossen war, bleibt daher trotz der Einwände grundsätzlich überzeugend und liefert damit einen detaillierten Blick auf die Bedingungen der Entstehung von moderner Staatlichkeit. Ein großer Vorteil seines Buchs liegt in der parallelen Betrachtung der sich durchaus unterscheidenden Entwicklungen in allen drei Königreichen.
Max Plassmann