Christopher Storrs (ed.): The Fiscal-Military State in Eighteenth-Century Europe. Essays in honour of P.G.M. Dickson, Aldershot: Ashgate 2009, xiii + 245 S., ISBN 978-0-7546-5814-6, GBP 55,00
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Rafael Torres Sánchez (ed.): War, State and Development. Fiscal-Military States in the Eighteenth Century, Pamplona: Ediciones Universidad de Navarra 2007, 502 S., ISBN 978-84-313-2511-4, EUR 30,00
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Der Fiscal-Military State des 18. Jahrhunderts erlebt eine große Konjunktur. Seit John Brewer den Begriff vor zwanzig Jahren geprägt hat, erfreut er sich ungeahnter Popularität. [1] Ursprünglich bezeichnete er eine spezifische Eigenart Großbritanniens, die den Aufstieg im 18. Jahrhundert erklären sollte: ein effizientes staatliches Finanzsystem, das auf hohen Steuereinnahmen und der massiven Aufnahme billiger Kredite an den Amsterdamer und Londoner Finanzmärkten beruhte. Diese günstige Finanzierung habe dem Land die Möglichkeit gegeben, besser ausgerüstet und länger Krieg zu führen als die kontinentalen Konkurrenten. In der Folgezeit wurde der Begriff auf die übrigen Staaten Europas erweitert und dabei auch inhaltlich verändert. Denn alle Großmächte des 18. Jahrhunderts finanzierten Militärausgaben, die weit über dem bis dahin gewohnten lagen, auch ohne Zugang zu modernen Finanzmärkten zu haben. Was macht also den Fiscal-Military State aus und welche unterschiedlichen Arten findet man im Europa des 18. Jahrhunderts?
Die beiden zu besprechenden Sammelbände wenden sich dieser Frage zu. Einen expliziten europaweiten Überblick und Vergleich bietet der Band von Christopher Storrs. Das ist nur angemessen, handelt es sich doch um eine Festschrift für Peter G.M. Dickson, den Doyen sowohl der britischen als auch der habsburgischen Finanzgeschichte des 18. Jahrhunderts. In seiner Einleitung definiert Storrs ein eigenes Forschungsfeld zum Fiscal-Military State. In der Konzentration auf das 18. Jahrhundert setzt es sich von übergreifenden Theorien zu Staatsbildung und Militärwesen (Otto Hintze, Michael Mann) ab; von der reinen Finanzgeschichte unterscheidet sich die Forschung, indem sie die Finanzierung des Militärs in Friedens- und besonders in Kriegszeiten als die Kernaufgabe des Staates ins Zentrum der Untersuchung stellt.
Der Fiscal-Military State war weitgehend ein Großmachtphänomen, betont Hamish Scott in seinem Beitrag über die internationale Rivalität im 18. Jahrhundert. Mittelmächte waren kaum noch in der Lage die notwendigen Gelder für eine wirklich schlagkräftige Armee aufzubringen. Als eine Ausnahme dieser Regel präsentiert Christopher Scott Savoyen, das mit Hilfe gesteigerter Steuereinnahmen, internationaler Kredite und Subsidien über Jahrzehnte eine große und gut organisierte Armee ins Feld stellen konnte. Des Weiteren stellen ausgewiesene Fachleute in dem Band die Großmächte Großbritannien, Frankreich, Russland, Preußen und die Habsburger Monarchie vor (ein angedachter Aufsatz zu Spanien fehlt leider). All diese Mächte mobilisierten im Verlauf des Jahrhunderts große Mittel für ihr Militär und führten erfolgreiche Kriege - ohne dem englischen Modell zu entsprechen, wie die Beiträge beweisen. Der europäische Vergleich von Fiscal-Military States kann demnach nicht in einem bloßen Abgleich mit dem Konzept Brewers bestehen. Vielmehr müssen die Eigenheiten der jeweiligen Systeme der Militärfinanzierung herausgearbeitet werden, aus denen dann, wenn möglich, eines oder mehrere neue Modelle generiert werden können.
Der Inhalt der jeweils umfassenden, aber doch prägnanten Darstellungen des jeweiligen fiskalischen und militärischen Systems kann hier nicht rekapituliert werden. Festzuhalten bleibt, dass alle Autoren jeweils dem von ihnen selbst untersuchten Staat eine sehr erfolgreiche Mobilisierung der Kräfte zu Kriegszwecken zuschreiben. Für die mittel- und osteuropäischen Mächte ist dabei vielfach vom "military-fiscal state" die Rede, "in which the emphasis is on the role of the state as recruiter of men rather than as raiser of funds" (207). Auf diese Weise konnte sowohl die geringere Steuerbasis als auch die schlechtere Kreditwürdigkeit bzw. die eigene Abneigung gegen Verschuldung an internationalen Kapitalmärkten ausgeglichen werden. Eine einheitliche Terminologie besteht jedoch nicht. Es fällt auf, dass Janet Hartley (Russland) wie Peter Wilson (Preußen) vom Fiscal-Military State sprechen, während die Überblickskapitel von Storrs und Scott genau diese Länder als "military-fiscal" apostrophieren. Peter Wilson steht dem Konzept ohnehin skeptisch gegenüber und zieht die klassischen Kategorien des Domänen- und Steuerstaats vor. (102)
Mehr Einigkeit besteht in der Frage des Endes des Paradigmas, das überall in Europa mit den Napoleonischen Kriegen erreicht war. Trotz aller Schwierigkeiten hatte die Finanzierung großer Militärorganisationen und -operationen bis in die 1790er Jahre erstaunlich gut funktioniert und somit den Reformbedarf verschleiert. Indem das revolutionäre Frankreich mit der 'levée en masse' seine eigene Variante des "military-fiscal state" erfand, erschütterte es die hergebrachten Systeme der übrigen Mächte. Die kontinentalen Mächte mussten nun gewaltige Kredite aufnehmen, während Großbritannien als Reaktion die erste Einkommenssteuer einführte. (199)
Der Band von Storrs bietet einen hervorragenden Überblick über die Finanz- und Militärorganisation der meisten europäischen Großmächte des 18. Jahrhunderts. Trotz mancher Widersprüche ist die für Sammelbände ungewöhnliche Homogenität hervorzuheben. Er liefert damit ebenso Antworten wie Fragen für die weitere Konzeptualisierung des Fiscal-Military State.
Dass der Fiscal-Military State nicht nur in Überblicksdarstellungen seinen Platz hat, zeigt der von Rafael Torres Sánchez herausgegebene Band "War, State and Development. Fiscal-Military States in the Eighteenth Century". Er geht auf eine Sektion des 14. International Economic History Congress in Helsinki (2006) zurück. Der Band vereinigt 17 Aufsätze zu Finanzen und Kriegführung im 18. Jahrhundert. Auch hier ist das erklärte Ziel, den Fiscal-Military State im europäischen Vergleich zu untersuchen. Der Fokus liegt dabei neben England eindeutig auf Westeuropa; deutsche, italienische oder osteuropäische Staaten kommen nicht vor. Insofern ergänzen sich beide Bände gut, da sie die Lücken des jeweils anderen füllen. So werden hier Schweden, die Niederlande, Portugal und Spanien behandelt. Die einzelnen Beiträge beschäftigen sich mit Militärausgaben und ihrer Kontrolle (Conway, Solbes Ferri), der Einbettung von Handelskompagnien in die fiskalisch-militärischen Strukturen (Paul, Stern), dem Funkionieren von Kapitalmärkten (Grubb, 't Hart), aber auch der Globaluntersuchung eines Fiscal-Military State (Glete, González Enciso, Moreira, Torres Sánchez).
Besonders aussagekräftige Beiträge zur allgemeinen Debatte um den Fiscal-Military State stellen die Aufsätze zu Spanien dar. Agustín González Enciso kann überzeugend zeigen, wie Spanien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts seine militärische Schlagkraft durch Verbesserung der Einkünfte steigerte. Dabei spielte das englische Modell der Staatsschuld keine Rolle, denn die überkommenen Schulden aus dem 17. Jahrhundert führten zu einem "anti-debt mindset" bei allen Verantwortlichen. Da auch die Steuerschraube nicht weiter gedreht werden konnte, vermehrte Spanien seine Einkünfte durch Monopole und eine bessere Abschöpfung des Amerikahandels, während die Altschulden durch Druck auf die Gläubiger vermindert wurden. Allerdings hatte das System seine Grenzen erreicht, wie Rafael Torres Sánchez für den englisch-spanischen Krieg (1779-83) zeigt. Spanien konnte sich zwar hohe Militärausgaben erlauben, mangels eines ausgebauten Kreditwesens fehlte jedoch die Flexibilität, in Kriegszeiten schnell genügend Mittel zur Verfügung zu haben. "Spain was a fiscal military state like Great Britain. [...] But its structures turned out to be much less efficient than the English in rising to the real challenge: waging war." (459)
In seinem einleitenden Aufsatz hat der gleiche Autor den Fiscal-Military State dabei allerdings als gesamteuropäisches Phänomen definiert und die Unterschiede zum englischen Fall heruntergespielt. Wenn aber die englische Organisation der Kriegsfinanzierung im Ernstfall doch wirkungsvoller war, stehen wir wieder an dem Punkt, an dem Brewer die Debatte vor zwanzig Jahren angestoßen hat. Doch seitdem ist viel passiert. Nicht zuletzt die zwei hier besprochenen Bände tragen viel zum besseren Verständnis der jeweiligen Finanz- und Militärorganisationen im Europa des 18. Jahrhunderts bei. In der weiteren Diskussion wird zu klären sein, was genau unter dem Fiscal-Military State des 18. Jahrhunderts zu verstehen ist. Beide Bände bieten dafür kluge Ansätze der Konzeptualisierung sowie reichlich anschauliches Material.
Anmerkung:
[1] John Brewer: The sinews of power. War, money and the English state, 1688-1783, London 1989.
Justus Nipperdey