Pater Elias H. Füllenbach O.P. / Pater Antonin Walter O.P. (Red.): St. Andreas in Düsseldorf. Die Hofkirche und ihre Schätze, Düsseldorf: Grupello Verlag 2008, 256 S., Zum 350. Geburtstag des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz.
Herausgegeben vom Dominikanerkloster Düsseldorf, ISBN 978-3-89978-090-1, EUR 29,90
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In dem u.a. auf Düsseldorfer Lokalliteratur spezialisierten Grupello-Verlag hat das Dominikanerkloster Düsseldorf im Jahre 2008 aus Anlass des 350. Geburtstages des Kürfursten Johann Wilhelm von der Pfalz ("Jan Wellem", 1658-1716) aus dem Wittelsbacher herzoglichen Hause Pfalz-Neuburg ein Katalogbuch über die heute von den Dominikanern betreute ehemalige Hof- und Jesuitenkirche Sankt Andreas in der Düsseldorfer Altstadt publiziert. Sankt Andreas entstand bekanntlich in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Hofkirche in Neuburg a.D. Der gediegen gestaltete Band begleitete seinerzeit auch eine Ausstellung zum Kirchenschatz von Sankt Andreas und dokumentiert insbesondere den Stand von dessen wissenschaftlicher Aufarbeitung und Instandsetzung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bau- und Restaurierungsgeschichte des hinter dem Chor situierten kurfürstlichen Mausoleums, das als kurfürstliche Memorie und zumal als letzte Ruhestätte des Kurfürsten Jan Wellem entstand. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an weitere Ausstellungen und Publikationen: die von der Alten Pinakothek in München präsentierte Rekonstruktion der Gemäldegalerie des Kurfürsten in der ursprünglichen Düsseldorfer Hängung ("Kurfürst Johann Wilhelms Bilder", Ausstellung 2009) nebst der Reedition des berühmten Galeriewerks "La Galerie Électorale de Dusseldorff" (1778) von von Mechel und Pigage, ferner die Düsseldorfer Ausstellung "Himmlisch, herrlich, höfisch: Peter Paul Rubens, Johann Wilhelm von der Pfalz, Anna Maria Luisa de Medici" 2008/2009 im Museum Kunst Palast und schließlich an die Monografie von Gustav Prümm zur Düsseldorfer Gemäldegalerie. [1] Von diesen etwas späteren Events und Publikationen weiß das Katalogbuch der Dominikaner aber anscheinend noch nichts. Es richtet sich einerseits an ein wissenschaftliches Publikum, andererseits sicher an die der Kirche besonders verbundene Düsseldorfer (Kultur-)Bürgerschaft. So erklärt sich wohl auch, dass hier Überblicksartikel zur Dynastiegeschichte und zu den kunsthistorischen und stadtgeschichtlichen Zusammenhängen, ganz grundsätzliche Erklärungen zu liturgischem Gerät, Reliquiaren und Paramenten und nüchternste Objektinventarisation aufeinandertreffen. Der Kirchenschatz ist freilich ein über die Zeit Jan Wellems zeitlich weit hinausweisendes Forschungsobjekt.
Die Publikation besteht etwa zur Hälfte aus dem ansprechend bebilderten "Katalog des Kirchenschatzes", der sich auf die "Schatzstücke des 17. und 18. Jahrhunderts" beschränkt, dabei jedoch noch die Zeit kurz nach 1800 abdeckt. Diesem Katalogteil voraus geht eine Folge von sechs größeren historischen bzw. kunsthistorischen Aufsätzen, von denen die beiden letzten von Inge Zacher und Birgit de Boer über den Kirchenschatz bzw. den Paramentenbestand aber bereits die einführenden Synthesen zu dem beschreibenden Katalogteil bilden. Nur ein kleiner "Exkurs" im Katalogteil widmet sich dem vermuteten ursprünglichen Silberaltar, dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hochaltar des späten 18. Jahrhunderts sowie dem bestehenden Hochaltar von Ewald Mataré. [2] Von der restlichen Gestaltung und Ausstattung der Kirche zu schweigen. Dass der Leser auf diese Weise kein wirklich transparentes Gesamtbild der sukzessiven historischen Zustände gewinnt, ist der Publikation nicht unbedingt als Manko anzulasten, zumal die Lückenhaftigkeit der Quellendokumentation gerade zur Situation im Chorraum betont wird.
Die Idee hinter der Publikation war offensichtlich, die laufenden Bemühungen um die wissenschaftliche Aufarbeitung des Kirchenschatzes und neue baugeschichtliche Forschungsresultate anlässlich des Jubiläums effizient und pragmatisch mit wohl kalkuliertem Aufwand zu präsentieren. Für den Kirchenschatz bediente man sich des vorliegenden, bislang unpublizierten, von Sonja Schürmann für das Rheinische Amt für Denkmalpflege erstellten Inventars, ergänzt um die aktuellen Ergebnisse der Düsseldorfer Kustodin Inge Zacher und um die verdienstvollen Beiträge der mit der Inventarisierung der Paramente betrauten Textilwissenschaftlerin Birgit de Boer. Systematisch wird rückverwiesen auf Paul Clemens Kunstdenkmäler Bd. III,1 und auf die früheren Düsseldorfer Referenzpublikationen zum Thema. [3] Der Aufsatz von Inge Zacher gibt den notwendigen kunst- und liturgiehistorischen Kontext zu den doch arg denkmalinventarhaften Einzelobjektbeschreibungen von Schürmann. Diese wiederum wurden mit den neuen Farbfotografien der Objekte von Hans-Joseph Harbecke zusammengebracht, sodass erstmals ein durchgängig bebildertes Schatzinventar von Sankt Andreas entstand. Neben dem recht zahlreich vorhandenen liturgischen Silbergerät sowie den nicht sehr zahlreichen Reliquiaren werden unter den Statuen u.a. die vier silbernen Statuen der Jesuitenheiligen gewürdigt (vermutlich Kölner Werkstatt, Ende des 17. Jahrhunderts). Zusammen mit der größenmäßig gut korrespondierenden silbernen Madonna (Düsseldorf, Ende 18. Jahrhunderts) wurden diese übrigens Anfang 2009 in Vitrinen in den Hochaltar von Ewald Mataré integriert, begleitet von der Silberstatue des Heiligen Andreas (Augsburg, um 1620) und von der schon in der Publikation angekündigten neuen Präsentation des Kirchenschatzes in den Choremporenrräumen. Nach der in den Neunzigerjahren abgeschlossenen Restaurierung des Kircheninnern findet damit auch die liturgische Gestaltung des Chorraums zu einer neuen Qualität. All diese Anstrengungen der jüngeren Zeit verdienten nun wahrlich, in einer größeren aktuellen monografischen Darstellung dargestellt zu werden. Es gibt derzeit nichts Derartiges, nur die sukzessive erschienene Aufsatzliteratur und die verschiedenen kleineren Kirchenführer [4] , freilich aber auch das maßgebliche, hier jedoch nirgends erwähnte, die Ikonografie des jesuitischen Kirchenbaus auf deutschem Territorium umfassend behandelnde Werk von Jeffrey Chipps Smith. [5] In diesem Zusammenhang müssten natürlich auch die jüngsten Forschungsergebnisse von Jürgen Wolf zum Mausoleum aufgegriffen werden. Denn neben den wertvollen, penibel die Forschungsstände zusammenfassenden, sich teils aber auch überschneidenden Essais von Michael Henker vom Haus der Bayerischen Geschichte und von Clemens von Looz-Corswarem vom Düsseldorfer Stadtarchiv sowie einem seinerseits Looz-Corswarem ergänzenden substantiellen Beitrag von Edmund Spohr, Spezialist für den Ausbau von Stadt und Festung Düsseldorf im 17./18. Jahrhundert, bildet der Aufsatz von Jürgen Wolf, Direktor des Sächsischen Staatsarchivs, das Kabinettstück des vorliegenden Bandes. Sein Beitrag "Das Mausoleum Kurfürst Johann Wilhelms von der Pfalz an St. Andreas zu Düsseldorf - ein unbekanntes Werk von Simon von Sarto 1716-1717" leistet unter Bezugnahme auf bislang anscheinend nicht angemessen berücksichtigte Archivalien im Bayerischen Hauptsstaatsarchiv und unter Entwicklung eines beeindruckenden Anmerkungsapparates eine überzeugende Korrektur von Datierung und Zuschreibung des an den Chor angrenzenden Zentralbaus und dokumentiert en détail dessen weitere Ausgestaltung und Veränderung bis 1935. Tatsächlich zeigt Wolf mit großer Wahrscheinlichkeit, dass das Mausoleum nebst Erweiterung des Chores um ein Joch weder bereits nach der Mitte des 17. Jahrhunderts in Erfüllung des Testaments des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm errichtet worden war noch später zu Lebzeiten Jan Wellems, sondern erst nach dem Tode Jan Wellems 1716/1717 eine bis dahin als kurfürstliche Grablege unter dem Chor bestehende Gruft ersetzte. "Mit dem Mausoleum in Düsseldorf ist nunmehr ein Gebäude erstmals alleine für Simon Sarto gesichert" (70), zu dem Wolf penibel die verfügbaren biografischen Informationen zusammenstellt. Als Vorbild für das Mausoleum jedoch sieht Wolf die Medici-Grablege an San Lorenzo in Florenz. Der Düsseldorfer Anbau wäre somit ein architektonisches Vermächtnis der in ihre Heimat zurückgekehrten Kürfürsten-Witwe Anna Maria Luisa Medici.
Herausgeber und Autoren haben sich anscheinend ausdrücklich darauf verständigt, den Versuch einer umfassenden 'Monografie' der Andreaskirche gar nicht erst zu unternehmen, sondern als gute Schuster bei ihrem Leisten zu bleiben. Bei aller Anerkennung für diesen seriösen Ansatz wären einige aktuelle Architekturaufnahmen, zumindest aber ein benutzbarer Grundriss, zur topografischen Orientierung vielleicht doch ein willkommenes Entgegenkommen an den Leser gewesen. (Dabei demonstriert die Website der Düsseldorfer Dominikaner ansatzweise, dass es auch anders geht: http://dominikaner-duesseldorf.de/. Hier ließe sich eine kunsthistorische Online-Dokumentation unterbringen.). So ist die hochwillkommene Publikation zunächst für Kunsthistoriker ohne Düsseldorfer Background vielleicht eine gewisse Herausforderung. Gerade sein etwas spröder Charakter macht das Buch andererseits zu einem Zeugnis von 'haute érudition locale' im besten Sinne, da es eine Fülle an wertvollem Grundlagenmaterial erschließt und analysiert.
Anmerkungen:
[1] Gustav Prümm: "Ein Gewinn fürs ganze Leben." Die Düsseldorfer Gemäldegalerie des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, Norderstedt 2009.
[2] Siehe zuletzt auch: Siegfried Gohr / Vanessa Sondermann: Ewald Mataré in Düsseldorf und Umgebung, Düsseldorf 2009.
[3] Insbesondere: Frommer Reichtum in Düsseldorf. Kirchenschätze aus 10 Jahrhunderten, Ausst. Stadtmuseum Düsseldorf 1978; Karl Bernd Heppe: Die Düsseldorfer Goldschmiedekunst von 1596 bis 1918, Düsseldorf 1988.
[4] Zuletzt wohl Jürgen Wiener: Düsseldorf, St. Andreas, Passau 1997.
[5] Sensuous worship. Jesuits and the art of the early Catholic Reformation in Germany, Princeton u.a. 2002.
Rüdiger Hoyer