Hermitage Amsterdam (ed.): Caspar David Friedrich & the German Romantic Landscape, Aldershot: Lund Humphries 2009, 127 S., ISBN 978-1-84822-017-1, GBP 19,99
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Dem niederländischen Publikum stellt diese Katalogpublikation des Amsterdamer Satelliten der Staatlichen Eremitage Sankt Petersburg das Thema der deutschen Landschaftsmalerei der Romantik vor, die ihren unbestrittenen Helden Caspar David Friedrich zum populären Aufhänger nimmt. Die Eremitage rühmt sich, die größte Kollektion von Friedrich-Werken außerhalb Deutschlands zu besitzen. Die neun Gemälde und sechs Zeichnungen zeigte sie nun - entgegen anders lautender Behauptung [1] - wenigstens zum zweiten Mal außerhalb des Stammhauses. Ebenso wurde in der Schau der gesamte wiederentdeckte Bestand von dreißig grafischen Blättern Carl Philipp Fohrs (1795-1818), darunter wunderbare, aquarellierte Pflanzenzeichnungen, und eine Auswahl aus über einhundert Blättern von Carl Ferdinand von Kügelgen präsentiert, der 1799 zum russischen Hofkünstler berufen wurde und im Auftrag von Zar Nikolaus I. die Krim und Finnland zeichnend bereiste. Weitere Arbeiten von Jacob Philipp Hackert, Joseph Anton Koch, Jacob Mechau, Franz Ludwig Catel, Carl Rottmann, Ludwig Knaus und anderen ergänzten das Panorama der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts.
Der Band enthält nach zwei vollmundigen Vorworten fünf Beiträge von niederländischen und russischen Kunsthistorikern. Drei behandeln Caspar David Friedrich (der Künstler und seine Zeitgenossen, sein Romantizismus, seine Beziehung zu Russland), einer stellt Carl Ferdinand von Kügelgen vor. Der letzte längere Essay ist den Arbeiten Carl Philipp Fohrs gewidmet. Des Weiteren führt der Katalogteil die ausgestellten Bilder mit knappen Angaben zu Provenienz und Literatur auf und wird durch eine Auswahlbibliografie (125) abgerundet.
Die zwei Überblicksbeiträge von Henk van Os und Jeroen Stumpel sind für ein Publikum konzipiert, welches mit der deutschen Malerei der Romantik nicht so vertraut sein mag und für indigene Leser erfrischende Vergleiche bereithält: "Because there is something undeniably modern, even modernistic, about Friedrich's attitude to art, something in which he also differed from all his contemporaries [...] His statements about the absence of hierarchy in painting, whereby no element may subordinate to another, would have been exactly understood by Mondrian." (Jeroen Stumpel, 55) Der wissenschaftsinteressierte Leser vermisst allerdings bei beiden Beiträgen Belegstellen für sämtliche Zitate, was einigermaßen ärgerlich ist. Tiefergehende Interessen werden so nicht bedient.
Etwas unglücklich wirkt auch Henk van Os' Besprechung des Gemäldes Das Kolosseum im Mondschein, das er noch Carl Gustav Carus attribuiert (29), obwohl es im Katalogteil (124) bereits entsprechend neueren Erkenntnissen Franz Ludwig Catel zugewiesen wird. Hier wie auch an anderen Stellen des Katalogs werden Übersetzungsprobleme, unvollständige Fußnoten (117) und Nachlässigkeiten im Datenabgleich des Lektorats offenbar. Um mit den negativen Aspekten abschließen zu können, muss leider noch erwähnt werden, dass die Abbildungsqualität bezüglich der tonalen Farbwerte zwar in Ordnung geht, allerdings längst nicht die exzellente Detailschärfe und brillante Farbigkeit des Chicago / New Yorker-Katalogs von 1990 erreicht. Dieser wird von van Os in seiner Besprechung gleich eingangs erwähnt, dennoch nicht gehöriger Weise in die Bibliografie aufgenommen. Bei den ganz- und doppelseitigen Abbildungen wurden die Bildränder beschnitten. Zudem ist es um die Zeichnungen von Carl Philipp Fohr jammerschade, dass diese viel zu klein (106,107) reproduziert wurden. Die superbe Handschrift Fohrs wird so allenfalls erahnbar, im Detail nachzuvollziehen ist sie nicht. Eine (deutsche) Einzelschau der Pflanzenstudien Fohrs mit einer begleitenden Publikation im 1:1 Abbildungsmaßstab formuliert sich angesichts dessen als Projektdesiderat.
Den Kollegen aus Sankt Petersburg gelingt es danach in soliden Beiträgen die Neuigkeiten aus den reichen grafischen Sammlungsbeständen des Stammhauses zu präsentieren. Boris Asvarishch rekapituliert in seinem Bericht konzise die bekannten, von ihm gut erforschten Beziehungen Caspar David Friedrichs zu seinen russischen Mäzenen, unter ihnen Zar Nikolaus I. und Wassily Zhukovsky (1783-1852). Der Sprachlehrer von Nikolaus I. Ehefrau Alexandra Fyodorovna, der ehemaligen preußischen Prinzessin Charlotte, gehörte zu den wenigen zeitgenössischen Befürwortern von Friedrichs Kunst in den 1820er-Jahren und unterstützte ihn und seine Familie lebenslang. Ausgehend vom Lieblingsmotto der deutschstämmigen Zarin, für deren Privaträume die Bilder damals bestimmt waren, deutet Asvarishch vorsichtig die drei Hauptwerke Friedrichs im Bestand der Eremitage, nämlich Nacht im Hafen (auch: Schwestern auf dem Söller am Hafen, 1818-20), Mondaufgang am Meer (um 1821) und Auf dem Segler (1818), "[...] as a sort of loose triptych representing Faith, Hope and Love." (60)
Der informative Beitrag von Maria Shlikevich stellt Carl Ferdinand von Kügelgen (1772-1832) als bislang nicht kanonischen deutschen Landschaftsmaler in Russland vor. Der wenig bekannte Zwillingsbruder des 1820 ermordeten Goethe-Porträtisten Gerhard von Kügelgen bereiste von 1804-1806 die für das Zarenreich geopolitisch wichtige, annektierte Krimhalbinsel. Er sollte einen Reisebericht in Form der Voyage pittoresque erstellen. Aus ähnlichen Motiven bekam er im Jahr 1818 den Auftrag das vor Kurzem hinzugewonnene Finnland zeichnend zu erkunden. Die Essenz dieser Reisen fasste der Künstler in Alben zusammen, deren Sepia-Zeichnungen topografische Genauigkeit mit der Bewunderung für das Pittoreske vereinen und sich seit 1825 in der Eremitage befinden. Kügelgens zeitgenössischer Erfolg ist dem Umstand zuzurechnen, dass er mit seinen Ansichten von den entferntesten Orten des russischen Zarenreiches die romantischen Topoi des seelenvollen Nordens und des exotischen Südens erfolgreich interpretierte.
Deutsch-russischen Familienverbindungen verdankt sich ein weiterer Bestand der grafischen Abteilung der Eremitage, der zuletzt von Mikhail Dedinkin neu vorgestellt wird. Die dreißig Zeichnungen von Carl Philipp Fohr (1795-1818) gelangten im 19. Jahrhundert mit der Heirat der Tochter von Fohrs Patronin Wilhelmine von Hessen nach Sankt Petersburg. Es handelt sich um Blätter aus verschiedenen Perioden, in unterschiedlichen Techniken und Formaten. Darunter sind bildmäßige Landschaften aus der Neckargegend und aus Tirol, kleine Studienblätter mit Figuren und Gedankenskizzen als vorbereitende Zeichnungen zu Gemälden. Zehn Blätter mit Pflanzenstudien, die vermutlich aus dem Heidelberger Sommer 1816 stammen, verdienen besondere Erwähnung, da sie bisher als sehr selten galten.
Die Zeichnungen wurden in den frühen 1980er-Jahren wiederentdeckt, 26 Blätter davon 1985 publiziert, allerdings nur in russischer Sprache. Ausgestellt waren sie bisher noch nie und man hätte sich gewünscht, dass der Bestand komplett im Katalog reproduziert worden wäre.
Die Lektüre dieses Bandes lässt den Lesenden einigermaßen unbefriedigt zurück, da er wie ein hungriger Gast auf ein Restaurant mit vielversprechender Reklame zusteuert, doch nach dem Besuch die versprochenen Genüsse nur halb eingelöst sieht und mit einen unbefriedigten Geschmack sich vornimmt, besser gleich den nächsten Museumsbesuch zu planen.
Anmerkung:
[1] In Chicago und New York wurden die neun Ölbilder und sechs Zeichnungen bereits nach dem Ende des Kalten Krieges 1990/91 komplett präsentiert. Vgl. Ausst.-Kat. Chicago / New York 1990/91: The Romantic Vision of Caspar David Friedrich: Paintings and Drawings from the U.S.S.R. (Art Institute of Chicago, 1.11. 1990-6.1.1991, Metropolitan Museum of Modern Art, 23.1.1991-31.3.1991) New York 1990, X.: "We are most grateful [...] for the generous loan of nine paintings and six drawings."
Heike Herber-Fries