Andreas Rutz / Tobias Wulf (Hgg.): O felix Agrippina nobilis Romanorum Colonia. Neue Studien zur Kölner Geschichte - Festschrift für Manfred Groten zum 60. Geburtstag (= Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins; Bd. 48), Köln: SH-Verlag 2009, 278 S., ISBN 978-3-89498-198-3, EUR 39,80
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Der zu besprechende Band ist eine Festschrift, die dem Bonner Landeshistoriker Manfred Groten von seinen Schülerinnen und Schülern zum 60. Geburtstag präsentiert wurde. Geboten wird ein breites Spektrum von Themen der rheinischen Landesgeschichte, die sich zeitlich zwischen dem Spätmittelalter und dem frühen 20. Jahrhundert bewegen, allerdings mit einem Schwerpunkt auf der Frühen Neuzeit.
Inhaltlich sind die Beiträge um die Stadt und das Erzbistum bzw. Kurfürstentum Köln gruppiert. Es geht um klevische Studenten in der Frühzeit der Kölner Universität (Manuel Hagemann), um Köln und das Konzil von Pisa 1409 (Frank Engel), um die Entwicklung der Kölner Pfarrei Klein St. Martin (Tobias Wulf), um die Mobilität zwischen Köln und Frankfurt a.M. vor allem im 15. Jahrhundert (Jochen Hermel), um die Kölner Syndici im 16. Jahrhundert (Hideyuki Takatsu), um die Belagerung der kurkölnischen Landstadt Lechenich im Jahr 1642 (Frank Bartsch), um die Kölner Ursulagesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert (Andreas Rutz), um die Aufklärung in Köln am Beispiel des sogenannten Toleranzstreits im späten 18. Jahrhundert (Yuki Ikari), um das Verhältnis der Bonner Universität zu Köln im 19. Jahrhundert (Christian George), um die Priesterschaft in der Grenzregion zwischen den Erzbistümern Trier und Köln im 19. Jahrhundert (Helmut Rönz) und schließlich um zwei Festumzüge in Remscheid 1921 im Spiegel der Kölner Presse (Martin Schlemmer).
Naturgemäß fallen die einzelnen Beiträge einer solchen Festschrift sowohl hinsichtlich des methodischen Zugriffs, als auch der Qualität unterschiedlich aus. Sie können und sollen hier auch nicht alle im Einzelnen gewürdigt werden. Gleichwohl bietet eine Schülerfestschrift die Möglichkeit, eine wissenschaftliche Schule bei der Arbeit zu beobachten. Bestimmte, immer wiederkehrende Fragestellungen ziehen sich durch viele der Beiträge, und diese Gemeinsamkeiten machen offensichtlich die Substanz der Landesgeschichte aus, wie sie in Bonn gelehrt wird.
So kennzeichnet vor allem eine prosopographische Herangehensweise viele der Beiträge, also der Versuch, die die Ereignisse, Strukturen und Institutionen tragenden Personen möglichst umfassend zu ermitteln und zu beschreiben. Dieser Ansatz dient der Identifikation von sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Netzwerken unterschiedlicher Art sowie der Verbindungen zwischen Personengruppen. Er trägt damit auch zu einem tieferen Verständnis von Entwicklungen bei, die bei einer oberflächigen Betrachtung weitgehend unverbunden nebeneinander zu stehen scheinen, in der Realität aber durch die handelnden Personen und Personengruppen eng miteinander verwoben waren.
Mehrere Beiträge exerzieren dies für das Forschungsfeld "Stadt und Kirche" durch, für das das im Fokus des Bandes stehende Köln ein fruchtbares Beispiel darstellt. Tobias Wulfs Analyse des engen Zusammenhangs zwischen der kirchlichen Gemeindeorganisation und der kommunalen Entwicklung zeigt nachdrücklich, wie wenig in Köln beide Bereiche voneinander zu trennen sind. Die Entwicklung und Ausprägung der Pfarreien trug hier wesentlich auch zur Ausbildung der politischen Gemeinde bei und damit zur Ausprägung der Stadtverfassung insgesamt.
Auch der Beitrag von Andreas Rutz demonstriert die Möglichkeiten einer prosopographischen Untersuchung einer religiösen Gemeinschaft, denn über die so sichtbar werdenden sozialen Verbindungen der einzelnen Mitglieder der 1606 gegründeten Kölner Ursulagesellschaft werden zugleich Frömmigkeitsnetzwerke deutlich, die sich über die ganze Stadt und darüber hinaus erstrecken. Möglich wird dies durch die günstige Quellenlage, die die Rekonstruktion des Mitgliederbestands der Gesellschaft über 200 Jahre hinweg zuverlässig erlaubt.
Die universitätsgeschichtlichen Beiträge von Manuel Hagemann und Christian George zeigen ebenfalls, wie sich Universitätsgeschichte und die Geschichte der Regionen oder Territorien, aus denen die Studierenden stammen, über einen personengeschichtlichen Ansatz zusammenführen lassen.
Solche personenbezogenen Forschungen basieren indes auf der souveränen Beherrschung des Quellenmaterials und dessen zeitintensiver Auswertung. Kärrnerarbeit an den Quellen ist daher ein weiteres Kennzeichen der Schülerschaft Grotens. Den Herausgebern ist nachdrücklich zuzustimmen, wenn sie diese Quellenarbeit als Grundlage auch für neue kulturwissenschaftliche Ansätze hervorheben - und gleichzeitig beklagen, dass manchen der "neuen" Kulturhistoriker sowohl die handwerklichen Fähigkeiten, als auch der lange Atem fehlen, um ihren Forschungsgegenstand angemessen quellenbasiert zu durchdringen (9). Welche Forschungsperspektiven sich dem erschließen, der moderne methodische Ansätze mit umfassendem Quellenstudium zu verbinden weiß, zeigt jedenfalls die vorliegende Festschrift.
Max Plassmann