Edward A. Kolodziej / Roger E. Kanet (eds.): From Superpower to Besieged Global Power. Restoring World Order after the Failure of the Bush Doctrine, University of Georgia Press 2008, XXIII + 411 S., ISBN 978-0-8203-3074-7, USD 24,95
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Sammelbände zu aktuellen Vorgängen und Themen laufen Gefahr, bereits gänzlich oder in Teilen veraltet zu sein, wenn sie schließlich mit dem üblichen Vorlauf auf den Markt gelangen. Andererseits können sie damit auch zu interessanten Zeitdokumenten werden, die eine historische Phase inhaltlich und atmosphärisch einfangen und abbilden. Auf die hier vorliegende Publikation zur amerikanischen Außenpolitik unter Präsident George W. Bush, herausgegeben von den amerikanischen Politikwissenschaftlern Edward A. Kolodziej (University of Illinois, Urbana-Champaign) und Roger E. Kanet (University of Miami) auf der Basis zweier Workshops veranstaltet 2005 in Istanbul und 2006 in Chicago, treffen beide Feststellungen zu.
Die Herausgeber rahmen mit ihren programmatischen Eröffnungs- (Kolodziej) und Schlussbeiträgen (Kolodziej und Kanet) insgesamt 13 weitere Aufsätze ein, die sich mit der amerikanischen Militärmacht sowie in 12 Fallstudien mit "regionalen Begrenzungen" amerikanischer Macht in Asien, Europa, Russland, Afrika, dem Nahen Osten und Lateinamerika beschäftigen. Die ausführlichen und zumeist differenzierenden regionalen Fallstudien von ausgewiesenen Experten sind die lesenswertesten Teile des Buches. Auch wenn sie mit dem Erkenntnisstand von 2006 enden müssen, verdeutlichen sie doch die globale Vielfalt und Komplexität der Herausforderungen für amerikanische Führungsansprüche. Sie zeigen auch, dass die U.S.-Regierung selbst unter George W. Bush sich trotz mancher rhetorischen Kraftmeierei sehr wohl der Grenzen ihrer Möglichkeiten bewusst war.
Leider dienen den beiden Herausgebern, insbesondere Edward Kolodziej, die Regionalstudien vorwiegend als Hintergrundfolie, um ihre politisierende Hauptthese zu belegen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika im Widerspruch zum "imperialistischen Impuls" der Regierung von George W. Bush "keine Supermacht" seien. Trotz des globalen amerikanischen militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gewichts seien die USA nicht in der Lage, ihre Vorstellungen und Ziele gegenüber internationalen Partnern wie Gegnern durchzusetzen. Die "falsche Anmaßung", durch "Unilateralismus und Supermachtgehabe" der Welt den amerikanischen Willen aufzuzwingen, habe die USA "in der Weltgemeinschaft isoliert".
Stattdessen empfehlen Kolodziej und Kanet in ihren Ausführungen am Beginn und Ende des Buches eine Neudefinition amerikanischer globaler Macht und eine Außenpolitik der Stärke, die amerikanischen Interessen in Prozessen kooperativer "Aushandlungen" weltweit zum besseren Durchbruch verhelfen soll. Amerikanische Robustheit im eigenen Land durch Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien sowie durch Investitionen in Wohlfahrtsstaat, Infrastruktur und Bildung würde andere freie Völker der Welt veranlassen, mit den USA auf der Grundlage gemeinsamer Werte zu kooperieren. Diese idealistischen Vorstellungen sind verständlich als emotionaler Aufschrei gegen die damalige Politik der eigenen Regierung, die als falsch und fatal wahrgenommen wurde. Sie sind aber auch frei von der Anerkennung gewisser Komplexitäten und verkennen Kontinuitäten.
So belegt zwar der instruktive Beitrag zu Südasien zum Beispiel, dass die USA nicht in der Lage sind, gegenüber Indien, Pakistan und Afghanistan ihren jeweiligen Willen und ihre Interessen durchzusetzen. Er zeigt aber auch, dass selbst die Regierung Bush flexible realpolitische Anstrengungen unternahm, diese Situationen zu ändern. Wie kaum in einer anderen Region der Welt hat die Obama-Regierung hier die wesentlichen Elemente der Bush-Politik fortgeführt, sei es in der speziellen Partnerschaft mit Indien, dem differenzierten Druck auf Pakistan oder die nolens volens-Kooperation mit der Regierung Karzai in Afghanistan. Nicht zuletzt stehen hier Generäle wie David Petraeus und Stanley McChrystal, und natürlich Verteidigungsminister Robert Gates, für eine Kontinuität, die mit Bushs Personalwechsel in Militärführung und Pentagon eingeleitet wurde. Auch am Beispiel Nordkorea, präzise vorgestellt im Sammelband durch Davis Bobrow (University of Pittsburgh), ließe sich zeigen, wie die Regierung Bush eigene Fehler erkannte, sich auf die Situation einstellte und schließlich gezwungenermaßen eine Regionalpolitik betrieb, die sich auch unter Obama als im Wesentlichen alternativlos erwiesen hat.
Zudem haben in der Zeit seit 2007 von den Herausgebern nicht vorhersehbare Ereignisse in der Endphase der Bush-Regierung, sowie in den ersten Jahren der ersehnten "Anti-Bush-Regierung" unter Präsident Obama, das tatsächliche amerikanische Potenzial zur Gestaltung globaler Prozesse zusätzlich in diffuserem Licht erscheinen lassen. Die schwere Rezession in den USA seit 2008 und die Folgen für die globalen Finanzmärkte schwächten das ökonomische wie politische Gewicht der Vereinigten Staaten in einem Ausmaß, das auch nicht ansatzweise von Anhängern wie Gegnern der Regierung Bush erwartet wurde.
Das amerikanische Engagement im Irak wurde noch bis 2007 weitgehend als schwerer Fehlschlag empfunden und wird auch im vorliegenden Sammelband als hoffnungsloses Desaster abgetan. Jedoch rang sich Präsident Bush unter Einfluss von General David Petraeus gegen Ende seiner Amtszeit zu einer pragmatischeren Strategie im Irak durch, die einige Fehlentwicklungen nachhaltig korrigierte. Auch ansonsten verzichtete die zweite Bush-Regierung zunehmend auf unilaterale Aktionen und Provokationen, die vor allem für die Periode zwischen 2001 und 2005 so charakteristisch waren. Allerdings traf seither nun auch die Regierung Obama, die international auf Abkehr von Bush-Rhetorik setzte und das globale amerikanische Image im Sinne von Kolodziej und Kanet durch Betonung von Diplomatie, Multilateralismus und Kooperation positiv umpolen wollte, auf die gleichen komplexen internationalen regionalen Probleme wie die Vorgänger-Regierung. Sie musste feststellen, dass nicht die Methoden "Alleingang oder Kooperation", oder die Haltungen "Überheblichkeit oder Kollegialität" bzw. "Diktat oder Kompromiss", darüber bestimmen, welchen Einfluss die Vereinigten Staaten tatsächlich auf internationale Entwicklungen haben.
Gewiss sind die Obama-Methoden rationaler und dem internationalen Image der USA weit förderlicher als die imperialen Illusionen der ersten Bush-Regierung, aber sie bringen auch nicht zustande, was allen amerikanischen Regierungen künftig versagt bleiben wird: Es wird keiner individuellen nationalen Regierung gelingen, eine globale Führungsrolle einzunehmen, der sich andere transnationale und regionale Mächte unterordnen werden. Die USA werden sich nicht der Mühe entziehen können, von Land zu Land und von Region zu Region äußerst aufwendig und mit nicht wenigen Rückschlägen ihre Interessen geltend zu machen, und dabei immer wieder an ihre Grenzen zu stoßen. Die USA hat den Ausgang internationaler Prozesse letztendlich nicht in ihrer Hand, welchen Kurs auch immer die jeweiligen Regierungen in Washington steuern werden. Weder exzeptionalistische Konzepte für die USA von "rechts" wie in den ersten Jahren der Regierung George W. Bush, noch solche von "links" wie beispielsweise repräsentiert durch die Herausgeber dieses Sammelbandes, werden daran Wesentliches ändern können.
Bernd Schäfer