Gertraud Zeindl: Meran im Mittelalter. Eine Tiroler Stadt im Spiegel ihrer Steuern (= Tiroler Wirtschaftsstudien; 57), Innsbruck: Universitätsverlag Wagner 2009, 152 S., ISBN 978-3-7030-0465-0, EUR 28,00
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Lange Zeit stand Meran im Zentrum landesherrlicher Politik in Tirol. Erst als Innsbruck diese Rolle zu Beginn des 15. Jahrhunderts übernahm, verlor die Stadt am Zusammenfluss von Passer und Etsch zunehmend an Bedeutung.
Seit 1438 bis weit in das 16. Jahrhundert hinein sind zahlreiche Steuerregister im Stadtarchiv von Meran erhalten geblieben, welche tiefere Einblicke in die Verwaltungs- und Sozialstruktur der Stadt erlauben. Gertraud Zeindl hat sich in ihrer 2004 an der Universität Innsbruck angenommenen Dissertation mit diesen Quellen intensiv auseinandergesetzt und eine eingehende, teils statistische Auswertung derselben vorgenommen.
Nach einer einleitenden theoretischen Auseinandersetzung mit der modernen Stadtgeschichtsforschung und der Analyse der Aussagekraft dieser Art Quellen generell sowie der Auslotung der Grenzen der statistischen Methode in der Vormoderne, unternimmt Zeindl zahlreiche Bewertungen und Interpretationen des erhobenen Quellenmaterials. Unter anderem versucht die Verfasserin Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Entwicklung Merans und die Bevölkerungszusammensetzung in dieser Stadt zu ziehen.
So kann Zeindl trotz aller Schwierigkeiten, die bei der Bestimmung der Bevölkerungszahl anhand solcher Quellen auftreten, plausibel machen, dass die Einwohnerzahl Merans im 15. und 16. Jahrhundert wohl stagnierte. Mit etwa 1.500 Einwohnern war Meran auch für spätmittelalterliche Verhältnisse eine verhältnismäßig beschauliche Stadt. Auch Rückschlüsse auf die Sozialstruktur lassen sich aus den Quellen ableiten. Zwar sind hier gesicherte Erkenntnisse nur schwer zu gewinnen, da etwa nur bei jedem dritten Steuerzahler auch der Beruf angegeben war, dennoch lässt sich sagen, dass die überwiegende Zahl der Einwohner im Metall- und Textilgewerbe tätig war. Nur verhältnismäßig wenige Bewohner der Stadt lassen sich dagegen einer Tätigkeit im Handel zuordnen. Meran war also eine überwiegend von Handwerkern geprägte Stadt. Nachdem die Stadt im 15. Jahrhundert bereits an politischer Bedeutung verloren hatte, schwand insbesondere während des 16. Jahrhunderts auch ihre wirtschaftliche Kraft.
Aufschlussreich ist ferner die Analyse des Steueraufkommens. Wenn sich auch weder die Grundlage der Besteuerung, noch der Steuerfuß genau fassen lassen, so belegen die Steuerregister doch, dass die sonst in vergleichbaren Studien zu Tiroler, Schweizer bzw. süddeutschen Städten üblicherweise angenommenen 1% des Gesamtbesitzes hier nicht ohne weiteres angelegt werden können. Die Situation stellt sich im Falle Merans komplizierter dar: Das Steueraufkommen schwankte jährlich. Zur regelmäßig aufzubringenden Steuer traten zudem außerordentliche Abgaben, so genannte "Rais- oder Hilfssteuern". Weiterhin waren bei weitem nicht von allen Häusern Steuern zu entrichten. Vielmehr musste im Falle einer Besteuerung von Immobilien eine gewohnheitsrechtliche Festlegung vorliegen, und auch Klerus und Adel waren dann hiervon keineswegs ausgenommen. Ansonsten waren vornehmlich von denjenigen Einwohnern, welche das Bürgerrecht besaßen, Steuern zu entrichten; für Besitzlose galt eine Mindeststeuer. Allerdings waren insgesamt nur etwa 20% der Stadtbewohner steuerpflichtig. Aufschlussreich, wenn auch wenig verwunderlich, ist ferner der Befund, dass die Stadtverwaltung Merans offenbar fest in den Händen vermögender Bürger lag, da das Steueraufkommen bei den Stadtbewohnern, die Ämter innehatten, außerordentlich hoch ausfiel. Die exemplarische Edition des Steuerregisters von 1492 (135-143) sowie ein Quellen- und Literaturverzeichnis beschließen den Band.
Gertraud Zeindl hat bei aller Einschränkung in der Aussagekraft dieser Quellen eine instruktive und solide gearbeitete Arbeit vorgelegt, die nicht nur Aufschlüsse über die Sozialgeschichte Merans zu geben vermag sowie zum Verständnis des Steueraufkommens in einer spätmittelalterlichen Kleinstadt beiträgt, sondern überdies einen Baustein für eine differenzierte Sozialgeschichte der mittelalterlichen Stadt insgesamt darstellt.
Bernhard Lübbers