Finbarr B. Flood: Objects of Translation. Material Culture and Medieval "Hindu-Muslim" Encounter, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2009, XV + 366 S., ISBN 978-0-6911-2594-7, USD 45,00
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In seiner neuesten Publikation hat sich der in New York lehrende Islamische Kunstwissenschaftler Finnbar Flood zum Ziel gesetzt, unter Zuhilfenahme verschiedener kulturwissenschaftlicher und kunsthistorischer methodischer Ansätze die frühe indo-islamische Herrschaft zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert und ihre materielle Kultur neu zu beleuchten. Die von ihm angewandten Methoden schließen unter anderem die der Kunstgeschichte, der Anthropologie, Geschichtswissenschaft, der Linguistik und der Kulturwissenschaft mit den Postcolonial Studies ein. Sein Ziel ist es dabei, aus dem Materialkorpus mithilfe der diversen Methoden die kulturellen Übersetzungsprozesse herauszuarbeiten, die sich aus den Mechanismen der Zirkulation von Objekten ergeben.
Im ersten Kapitel beschäftigt sich Flood mit den sozialen, politischen und ökonomischen Kontakten zwischen den beiden kulturellen Sphären, die in der wissenschaftlichen Welt zumeist den Kategorien "islamisch" und "indisch" zugeordnet werden. Flood geht dabei zunächst auf die Siedlungsformen des 9.-12. Jahrhunderts in Nordwestindien ein, in denen muslimische Gemeinden offenbar eine teils sehr wichtige soziale Funktion übernahmen. Teile dieser Gebiete bildeten zwar die östlichen Grenzen des abbasidischen Reiches, waren jedoch, wie die Saffariden oder die arabischen Fürsten in Sind, häufig de facto von Baghdad unabhängig. Das besondere Augenmerk Floods liegt in diesem Zusammenhang auf den merkantilen Netzwerken, in denen muslimische, zumeist arabische Händler eine wichtige Rolle spielten. Diese Netzwerke, die sich vom Mittelmeerraum bis nach Südindien erstreckten, gründeten auf einer Tradition des Austauschs von Waren, Gütern und kulturellen Ideen, die bereits lange vor der Ausbreitung des Islams entstand. Beispielhaft für die wenigen heute noch nachweisbaren architektonischen Zeugnisse, aus denen sich Rückschlüsse auf muslimische Gemeinden ziehen lassen, geht Flood auf die Freitagsmoschee von Banbhore ein. Nach seiner Meinung profitierte dieser Ort, ebenso wie andere wichtige Verkehrsknotenpunkte in der Indus-Region, von dem anhaltenden Strom von Menschen und Luxusgütern, der aus dem Osten in Richtung Westen floss. Ein Teil der Objekte gelangte wohl in Form von Tributzahlungen und als Beute aus Raubzügen sogar bis nach Mekka und Medina. Wie der Autor nachweisen kann, bildeten diese östlichen muslimischen Reiche so ein kulturelles Bindeglied zwischen Indien und der westlichen islamischen Welt mit Baghdad im Zentrum. Infolge dieses Transfers materieller Kulturzeugnisse entstand eine Reihe von Objekten, z.B. aus Metall und Elfenbein, an denen sich die Verschmelzung der verschiedenen kulturellen und künstlerischen Traditionen erkennen lässt. Diese kulturelle Hybridität demonstriert Flood anhand der Münzfunde aus dieser Region, auf denen neben arabischen Texten auch religiöse hinduistische Darstellungen zu sehen sind. Weiterhin führt er als Beispiel eine Elfenbeinfigur aus der Bibliothèque Nationale de France an, deren Ausführung er auf der Basis von ikonografischen und stilistischen Vergleichen einem indischen Handwerker zuspricht, die jedoch auf Grund einer lapidaren arabischen Inschrift in einen islamischen Kontext eingebettet werden muss.
Im zweiten Kapitel seiner Publikation untersucht Flood die kulturellen Bezüge, die sich auf der Grundlage des Vergleichs der Darstellungen von "türkischen" Textilen zwischen dem persischsprachigen Kulturraum und Indien herstellen lassen. Im Vordergrund seiner Überlegungen stehen hier wiederum die Prozesse des Austauschs von Produkten, mit besonderem Fokus auf der herrscherlichen Mode und der damit verbundenen Repräsentation. In diesem Kontext postuliert Flood unter anderem die Adaption der vor-islamischen, indischen Mode an den östlichen muslimischen Höfen des 10.-11. Jahrhunderts genauso wie die Übernahme der perso-türkischen Mode durch die buddhistische Oberschicht des westlichen Himalaya. Zudem bespricht er in diesem Zusammenhang auch die Funktion der khilʿa (Verleihung von Ehrenkleidern) und ihre Bedeutung für das Hofzeremoniell als Bestandteil ritueller Praktiken und als nonverbales Kommunikationsmittel. Die von Flood exemplarisch herangezogenen Referenzobjekte reichen von abbasidischen und armenischen Herrscherdarstellungen über Mönche mit ihren fürstlichen Besuchern auf jainistischen Miniaturen des 14.-15. Jahrhunderts aus Gujarat bis hin zu Wandmalereien aus dem Kloster in Alchi/Ladakh.
Im dritten Kapitel beschäftigt sich Flood mit der Zeit nach dem Zusammenbruch der Ghaznaviden-Dynastie und der Übernahme ihres Herrschaftsbereichs durch die Ghuriden ab 1150. In dieser Zeit wurden in Nordindien von einer muslimischen Oberschicht beherrschte Reiche etabliert. Das kulturelle Leben in diesen Territorien war auch nach ihrer Eroberung weiterhin durch einen gegenseitigen Fluss von Objekten, Moden, zeremoniellen Praktiken und kulturellen Einflüssen gekennzeichnet. In diesem kürzeren Teil seiner Arbeit analysiert er die durch die Verschiebung der Machtverhältnisse beeinflussten, unterschiedlichen kulturellen und religiösen Voraussetzungen, mit denen sich die neuen Machthaber auf dem indischen Subkontinent konfrontiert sahen.
Im Anschluss beschäftigt sich Flood mit dem Akt der Plünderung als Ausdruck von Macht und Herrschaft. Dabei stellt er eine in der Islamischen Kunstgeschichte bisher kaum untersuchte Frage, nämlich die, welche Funktion und Bedeutung das Beutenehmen für den übergeordneten kulturellen und identitätsbildenden Gesellschaftsprozess in Nordindien hatte. Dabei zeigt er, dass Beutestücke im Sinne einer Trophäe zwar zu einem Attribut des Herrschenden wurden, häufig jedoch ihre ursprüngliche Funktion verloren und im Verlauf eines kulturellen Übersetzungsprozesses den Bedürfnissen des Herrschers angepasst wurden. Beutenahme war ein Teil des indo-islamischen Herrscherprogramms und Selbstverständnisses. Eng verbunden hiermit war auch die Zerstörung von Tempeln und Götterbildern. Flood demonstriert sehr schlüssig, dass der Beutenahme - entgegen der bisherigen Meinung westlicher Wissenschaftler - weniger eine ökonomische Bedeutung zukam, sondern dass sie vielmehr Ausdruck souveräner Herrschaft war. In diesem Punkt unterschieden sich die muslimischen Machthaber nicht von anderen, nichtmuslimischen Herrschern in Südasien.
In den letzten beiden Kapiteln beleuchtet Flood schließlich die Konsolidierungsphase der muslimischen Macht auf dem indischen Subkontinent. Dabei zeigt der Autor sehr deutlich, dass sich die neu entwickelte Kultur nicht durch eine radikale Veränderung, sondern durch ein Wechselspiel von Kontinuität und Diskontinuität beziehungsweise Tradition und Innovation und durch hybride Strukturen auszeichnete. Markante Beispiele hierfür sind die Verwendung von figürlichen Spolienelementen, wie kirttimukha oder Löwenfiguren, die von ihrem ursprünglichen Bedeutungsinhalt getrennt in einem neuen inhaltlichen Kontext (besonders im Bereich der Herrscherlogen) gesetzt wurden. Abschließend geht Flood kurz auf die kulturellen Schaffensprozesse nach 1206 in Nordindien ein, die maßgeblich unter Iltutmish von statten gingen. Flood macht diesen Prozess, der von der Suche nach einem neuen Stil gekennzeichnet ist, am Beispiel des Dekors der unter diesem Herrscher entstandenen Moscheen fassbar. Anders als in den vorangegangenen Kapiteln bleibt diese Diskussion jedoch summarisch und lässt eine intensivere Auseinandersetzung mit den Objekten vermissen.
Die Stärke der Arbeit liegt in dem gewaltigen Materialkorpus, das Flood für seine Überlegungen heranzieht. Aus den vorgetragenen Gedanken zu Form und Verlauf der kulturellen Entwicklungsprozesse im besprochenen Zeitraum ergeben sich etliche gewinnbringende Ansatzpunkte, die die Forschung zur indo-islamischen Kunst und Kultur auf neue Wege führen können. In allen Kapiteln lassen sich die Bemühungen des Autors erkennen, die festgefahrenen, teils anachronistisch anmutenden Zuordnungen und Abgrenzungen innerhalb der indo-islamischen Forschung aufzubrechen und neu zur Diskussion zu stellen.
Das Buch macht andererseits auch deutlich, wie viel Grundlagenarbeit etwa im Bereich von Bauaufnahmen für die früheste Sultanatszeit oder einer Aufarbeitung der islamisch geprägten Kleinkunst aus Südasien noch bewältigt werden muss. Gleiches gilt auch für die zeitgenössischen literarischen Quellen; die Mehrheit der Manuskripte ist bislang nicht textkritisch ediert, die Zahl noch gar nicht bearbeiteter oder sogar völlig unentdeckter Texte lässt sich kaum abschätzen.
Abschließend kann aber gesagt werden, dass die Publikation nicht nur für den Islamischen oder Indischen Kunsthistoriker viele neue und frische Anregungen enthält, sondern auch für jeden, der sich weiterführend mit Fragen der Objektkultur im Kontext kulturwissenschaftlicher Fragestellungen befasst, eine anregende Lektüre ist.
Daniel Redlinger