Sarah-Jane Corke: U.S. Covert Operations and Cold War Strategy. Truman, Secret Warfare and the CIA, 1945-53 (= Studies in Intelligence series), London / New York: Routledge 2008, IX + 240 S., ISBN 978-0-415-42077-8, GBP 85,00
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Die Welt der Geheimdienste bleibt für Historiker ein vermintes Gelände. Es gehört gewissermaßen zum mission statement der Schlapphüte, dass sie nicht allein vor und während, sondern auch nach ihrer Tätigkeit Stillschweigen über ihre verdeckten Operationen wahren. Und wagt sich ein schriftstellerisch begabter Ex-Agent wie Ian Fleming oder John le Carré ans Licht der Öffentlichkeit, so darf stets die Frage nach dem schmalen Grat zwischen Fakten und Fiktion erlaubt sein, zumal das geheimnisumwitterte Flair der Geheimdienste einer glamourösen Ausstaffierung eines mitunter wohl vergleichsweise drögen Bürokratenalltags Vorschub leistet. Die historische Forschung muss daher ihre Quellen sorgsam taxieren und eine erhebliche Grauzone zwischen selektiv veröffentlichten Regierungsdokumenten, Presseberichten über coram publico gescheiterte Missionen und einer opulenten Memoirenliteratur in Rechnung stellen. In Deutschland hat sich vor allem Wolfgang Krieger um die historische Analyse der Geheimdienste verdient gemacht. Doch auch er muss eingestehen, dass dieses schwierige Terrain oft "phantasievollen Sachbuchautoren und Journalisten" [1] überlassen bleibt. So gebührt Sarah-Jane Corke zweifellos Respekt für ihre Absicht, die verdeckten Operationen diverser US-Akteure mit der globalen Strategie der Truman-Administration zu Beginn des Kalten Kriegs abzugleichen. Ihr Befund ist wenig schmeichelhaft für die Protagonisten in Washington. Erst unter Präsident Dwight D. Eisenhower nämlich habe eine "strategic convergence" (7) stattgefunden.
Corkes ceterum censeo ist so eindeutig wie allgegenwärtig: Von der ersten Seite an betont sie ein ums andere Mal das Unvermögen der Truman-Administration und der nachgeordneten Behörden, eine kohärente Strategie für den aufziehenden Kalten Krieg zu formulieren. Deswegen vermochte auch der noch von Präsident Franklin D. Roosevelt mit Fragen der psychologischen Kriegsführung betraute William Donovan eine bürokratische Kultur des bindungsarmen Einzelgängers zu etablieren, der sich nicht um die großen Linien der US-Außenpolitik zu kümmern brauchte. Erfolge bei der Bekämpfung des kommunistischen Einflusses in Frankreich 1947 sowie wenig später in Italien schienen den Agenten Recht zu geben.
Das "Long Telegram" George F. Kennans vom Februar 1946 und der erzwungene Rücktritt von Handelsminister Henry Wallace im September 1946 deuteten auf eine härtere Gangart gegenüber der Sowjetunion hin, wenngleich Corke unablässig davor warnt, eine Strategie aus einem Guss zu vermuten, wo in Wirklichkeit kein Einvernehmen über den Kurs gegenüber Moskau herrschte. Daher sei auch die Politik der Eindämmung bestenfalls das Mantra der strategic community jener Zeit gewesen, möglicherweise aber auch nur ein Mythos aus der Feder von Historikern wie John Lewis Gaddis. Allerdings muss Corke konzedieren, dass die 1947 gegründete CIA Kennans Postulat der Eindämmung durchaus ernst nahm und zum Ausgangspunkt ihrer verdeckten Ermittlungen machte. Kennan war es auch, der im Mai 1948 in seiner Funktion als Director of Policy Planning im Außenministerium zumindest den Versuch unternahm, den Zweck und Umfang politischer Kriegsführung zu definieren. Freilich untergrub Kennan das Streben nach strategischer Kohärenz selbst, indem er allzu starre Zielvorgaben abschlägig beschied und stattdessen auf "direction" (72) schwor. Und als ob die in amerikanischen Sicherheitskreisen kontrovers diskutierten Maßnahmen zur Bekämpfung des sowjetischen Einflusses nicht schon verwirrend genug gewesen wären, brachten Mitarbeiter Kennans 1949 die Idee des Titoismus ins Spiel: Anstatt den nahtlosen Übergang vom Kommunismus zur liberal-demokratischen Ordnung erzwingen zu wollen, sollten sich die Vereinigten Staaten vorerst auf den zersetzenden Einfluss kommunistischer Häretiker im Ostblock kaprizieren. Allerdings wurde die Luft für Advokaten einer nicht-konfrontativen Strategie dünner, als 1949 spektakuläre Spionagefälle in den USA, in Großbritannien und Kanada Senator Joseph McCarthy auf den Plan riefen.
Die "Operation Valuable" gegen das albanische Regime unter Enver Hodscha dient Corke als Paradebeispiel für die mangelhaft koordinierte und politisch nur lose verankerte Vorgehensweise bei verdeckten Operationen. Bis 1951 waren die 1949 initiierten paramilitärischen Aktionen nicht mit den Propagandakampagnen der westlichen Dienste abgestimmt. Flüchtlinge aus Osteuropa bildeten das Rückgrat der Operation, während zur gleichen Zeit das State Department die Unzufriedenen als politisches Ferment jenseits des Eisernen Vorhangs belassen wollte. Die britische Regierung verabschiedete sich 1950 aus Furcht vor kriegerischen Verwicklungen von der "Operation Valuable", die Corke zufolge "reckless and foolhardy" (99) war und für die meisten Agenten tödlich endete.
In Paul Nitze erwuchs Kennan obendrein ein intellektuell geschliffener Widerpart, der ihn 1950 als Director of Political Planning ablöste und mit dem Dokument NSC 68 schärfere Töne gegenüber dem Kreml anschlug. Corke sieht darin freilich nur ein rhetorisches Manöver, denn die Doktrin des Rollback, im Gefolge der "Who lost China?"-Debatte lanciert, hinterließ im politischen Alltag ebenso wenig markante Spuren wie die Eindämmung. Nichtsdestotrotz gewannen im Vorfeld des Präsidentschaftswahlkampfs 1952 die Falken die Oberhand. So verhalf das Kersten Amendment 1951 den Geheimdiensten zu 100 Millionen Dollar für verdeckte Operationen, welche die republikanischen Verächter des big government als kostengünstiges Instrument zur Verteidigung der Freiheit hochhielten. Mit NSC 16/2 läutete Eisenhower wenige Monate nach seinem Amtsantritt den New Look ein, der einerseits der Sowjetunion mit massiver Vergeltung im Fall eines atomaren Angriffs drohte, andererseits aber - und darauf legt Corke ihr Hauptaugenmerk - die Tür für Gespräche mit Moskau und Peking offen hielt. Die letzten Agenten der "Operation Valuable" wurden übrigens 1954 in Albanien verhaftet.
Corkes Studie durchziehen zwei zentrale Argumentationsstränge. Erstens vermochte die Truman-Administration keine praktikable Strategie zur Abwehr der sowjetischen Herausforderung zu formulieren. Und zweitens unterschied sich das, was an strategischer Konzeption gemeinhin unter den Bezeichnungen Eindämmung und Rollback firmiert, allenfalls in Nuancen voneinander. Beide Stränge verknüpfen sich zu der Schlussfolgerung, dass die verdeckten Operationen der US-Geheimdienste zum Scheitern verurteilt waren, da sie solipsistischen Impulsen isolierter Akteure entsprangen. Freilich gerät Corkes wertungsfreudige Argumentation dort an ihre Grenzen, wo sie die folgenschweren Konsequenzen von Ideen aufzeigt, die ihrer Ansicht nach von der bisherigen Forschung erheblich überbewertet worden seien.
Anmerkung:
[1] Wolfgang Krieger: Einleitung, in: ders. (Hg.): Geheimdienste in der Weltgeschichte. Spionage und verdeckte Aktionen von der Antike bis zur Gegenwart, München 2003, 7-18, hier 17.
Gerhard Altmann