Mark Häberlein / Christian Kuhn (Hgg.): Fremde Sprachen in frühneuzeitlichen Städten. Lernende, Lehrende und Lehrwerke (= Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart; Bd. 7), Wiesbaden: Harrassowitz 2010, 272 S., ISBN 978-3-447-06192-6, EUR 54,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Mark Häberlein / Alexander Keese (Hg.): Sprachgrenzen - Sprachkontakte - kulturelle Vermittler. Kommunikation zwischen Europäern und Außereuropäern (16.-20. Jahrhundert) (= Beiträge zur Europäischen Überseegeschichte; Bd. 97), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010, 421 S., ISBN 978-3-515-09779-6, EUR 62,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Mark Häberlein / Thomas Müller-Bahlke / Hermann Wellenreuther (Hgg.): Hallesche Pastoren in Pennsylvania, 1743-1825. Eine kritische Quellenedition zu ihrer Amtstätigkeit in Nordamerika. Band 1: Diarien und Lebensläufe, Wiesbaden: Harrassowitz 2019
Christian Kuhn: Generation als Grundbegriff einer historischen Geschichtskultur. Die Nürnberger Tucher im langen 16. Jahrhundert, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010
Mark Häberlein (Hg.): Im Auftrag Halles nach Nova Scotia. Johann Gottlob Schmeißer und die Anfänge der lutherischen Kirche in Kanada, Wiesbaden: Harrassowitz 2022
Die Geschichte des Fremdsprachenlernens gehört in den letzten zwei Jahrzehnten nicht nur in Deutschland zu den Fächern, die immer mehr Aufmerksamkeit der Forscher anziehen. Der Tagungsband "Fremde Sprachen in frühneuzeitlichen Städten" veröffentlicht dreizehn Beiträge, die im Juli 2007 auf einem Bamberger Kolloquium im Rahmen eines Vorbereitungsprojekts zur Geschichte des Fremdsprachenlernens in den Reichsstädten Augsburg und Nürnberg vorgetragen wurden. Die Beiträger untersuchen den Fremdsprachenerwerb reichsstädtischer Patrizier und Kaufleute, konzentrieren sich auf die Tätigkeit und Bedeutung von Sprachmeistern in frühneuzeitlichen Städten und analysieren die Bedeutung der Reichsstädte als Druckorte für Sprachlehrbücher und Wörterbücher. Neben Augsburg und Nürnberg widmen sie ihre Aufmerksamkeit den Städten Basel, Freiburg im Breisgau, Konstanz, Lüneburg, Ravensburg und Zürich. Der Bedarf an lebenden Fremdsprachen bei frühneuzeitlichen Kaufleuten, dessen Wandel zwischen der Mitte des 15. und der Mitte des 17. Jahrhunderts und aktuelle Praktiken im Spracherwerb werden anhand von Archivquellen - von Geschlechterbüchern, privaten Briefen von Augsburger und Nürnberger Kaufmannssöhnen sowie von Basler und Zürcher Vätern und Söhnen, sogenannten Rekordanzen der Ravensburger Kaufleute, Tagebüchern und den deutsch-tschechischen Sprachlehrwerken des 16. Jahrhunderts - rekonstruiert. Am Beispiel Nürnbergs werden die wichtigsten Quellen zum Thema Fremdsprachenerwerb in einer frühneuzeitlichen Reichsstadt übersichtlich und ausführlich behandelt.
Einzelne Beiträge bieten interessante Blicke auf eine Fülle von sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Aspekten des Themas: So wird der Leser über den Professionalisierungsprozess des kaufmännischen Berufs informiert. Man erfährt, dass der Fremdsprachenerwerb ein fester Bestandteil der Sozialisation reichsstädtischer Patrizier und Kaufmannssöhne war; die Beherrschung lebender Fremdsprachen, vor allem des Italienischen und Französischen, gehörte zum Profil dieser Repräsentanten des wirtschaftlichen Lebens. Archivquellen zeigen, dass die Multilingualität der Angehörigen der Oberschichten in den Reichsstädten die Patrizier dazu befähigte, sich auch außerhalb des lateinischen Kulturraums zu orientieren. Das Buch bringt eine überraschende Vielfalt an Teilthemen, die mit dem Fremdsprachenlernen zusammenhängen. Beispielsweise ermöglichen private Briefe eine Bewertung der Lernererfolge während der Auslandsaufenthalte junger reichsstädtischer Patrizier durch ihre älteren Brüder; weitere Briefe lassen beispielsweise Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen erkennen.
Zwei kleine kritische Bemerkungen seien an dieser Stelle erlaubt. Im Beitrag über Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und Prag fehlen Zitationsangaben zu wichtigen Informationen über Andreas Klatovský, den Autor eines bekannten deutsch-tschechischen Sprachführers. Es stellt sich die Frage, ob er tatsächlich in Olmütz lebte, wie auf Seite 207 angeführt wird. Im Olmützer Archiv fehlen Belege dafür. Nützlich wäre es auch gewesen, weitere Informationen über den tschechisch-deutschen Bilingualismus in Böhmen und Mähren zu bieten, der nicht nur Sache der Grenzgebiete war (198-199).
Während das erstgenannte Buch seinen Untersuchungsschwerpunkt in Oberdeutschland hat, informieren die 18 Beiträge des Tagungsbands "Sprachgrenzen - Sprachkontakte - kulturelle Vermittler", der auf die Bamberger Jahrestagung der Gesellschaft für Überseegeschichte von 2008 zurückgeht, über ausgewählte Aspekte der sprachlichen Verständigung zwischen Europäern und Nichteuropäern. Da die chronologische und thematische Reichweite relativ groß ist, wurden die Studien in vier thematische Sektionen gegliedert. Positiv zu bewerten ist die Tatsache, dass manche Beiträge mit Bildern versehen sind, die das geschriebene Wort auf interessante Weise ergänzen.
Fünf Studien der ersten Sektion rekonstruieren das Bild frühneuzeitlicher Missionare als Linguisten und kulturelle Vermittler. Verfolgt wird die sprachliche Tätigkeit vor allem der Jesuitenmissionare, die ihre Erfahrungen im Missionsalltag zu verwerten wussten - ihre sprachlichen Übersetzungen waren eng mit Prozessen des Kultur- und Wissenstransfers verbunden. Die Jesuiten leisteten auch zur Bewahrung der indigenen Sprachen einen bedeutenden Beitrag dadurch, dass sie diese Idiome in Wörterbüchern und Grammatiken kodifizierten.
Fünf Studien der zweiten Sektion, die sich mit der Vielfalt kultureller Vermittler befasst, zeigen, dass nicht nur Missionare, sondern auch weitere Bevölkerungsgruppen als Sprach- und Kulturvermittler in der Geschichte der europäisch-außereuropäischen Kulturkontakte in Erscheinung traten. Unter anderen wird beispielsweise Antonio Pigafetta vorgestellt, der an der ersten Weltumseglung Ferdinand Magellans teilnahm und während der Reise ein Bordtagebuch führte, dessen wichtiger Bestandteil vier Wortlisten mit brasilianischen (9), patagonischen (90), philippinischen (160) und molukkischen (427) Wörtern sind. Andere Biographien der Vermittler - zum Beispiel im Prozess der spanischen Eroberung Amerikas - zeigen, dass nicht nur die Mehrsprachigkeit für Vermittler typisch war, sondern manchmal auch der Verdacht des Verrats und der Manipulation.
Die Themenbereiche Sprachwissenschaft, Sprachenpolitik und Kolonialherrschaft im 19. und 20. Jahrhundert sind fünf Studien der dritten Sektion des Sammelbandes gemeinsam. Interessant sind ein Blick auf die vergessene Selbstkritik der jungen europäischen Philologie im Umgang mit dem Erbe außereuropäischer Sprachquellen sowie die Skizze über das 1887 gegründete Berliner Seminar für Orientalische Sprachen und dessen Funktionen, unter anderem bei der Ausbildung von Kolonialbeamten und Offizieren. Die vierte Sektion widmet sich den Kontakt- und Verkehrssprachen, dem Sprachwandel und Sprachverfall. Als Kontaktsprache wird zum Beispiel das Malaiische vorgestellt, als sterbende Sprachen zwei bolivianische Indiosprachen.
Beide vorliegenden Tagungsbände bringen Resultate einer soliden, überzeugenden und faktenreichen wissenschaftlichen Arbeit. Die Autoren zeigen, was in der Forschung bisher geleistet wurde und welche Möglichkeiten die Analyse ergiebiger Archivalien in der Zukunft bietet. In jedem Beitrag finden wir gründlich verfasste Fußnoten, die oft lange Mikrotexte mit vielen zusätzlichen Informationen und nützlichen Verweisen auf weitere Forschungsliteratur darstellen. Die bearbeiteten Themen können Forscherinnen und Forscher nicht nur im Bereich der Sprach- und Bildungsgeschichte, sondern auch auf dem Gebiet der Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in anderen europäischen Ländern ansprechen.
Eine formale Bemerkung sei an die Herausgeber beider Tagungsbände gerichtet. Es ist in einem Sammelband dieser Art zu empfehlen, Teile einzelner Beiträge, die sich wiederholen (zum Beispiel Einleitung, Zusammenfassung), mit einheitlichen Überschriften in jedem Beitrag zu versehen (Schlussbemerkungen, Resümee, Fazit oder Zusammenfassung).
Libuše Spáčilová