Rezension über:

Juan Manuel Abascal / Martín Almagro-Gorbea / Rosario Cebrián / Ignacio Hotelano: Segóbriga 2007. Resumen de las intervenciones arquelógicas, Cuenca: Consorcio del Parque Arqueológico de Segobriga 2008, 54 S., ISBN 978-84-95815-03-3
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Juan Manuel Abascal / Martín Almagro-Gorbea / Rosario Cebrián / Ignacio Hortelano: Segóbriga 2008. Resumen de las intervenciones arqueológicas, Cuenca: Consorcio del Parque Arqueológico de Segobriga 2009, 62 S., ISBN 978-84-612-9952-2
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Juan Manuel Abascal / Antonio Alberola / Rosario Cebrián / Ignacio Hortelano: Segobriga 2009. Resumen de las intervenciones arqueológicas, Cuenca: Consorcio del Parque Arqueológico de Segobriga 2010, 101 S., ISBN 978-84-614-1621-9
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Rezension von:
Thomas Schattner
Deutsches Archäologisches Institut, Madrid
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Schattner: Segobriga 2007-2009 (Rezension), in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 9 [15.09.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/09/19809.html


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Segobriga 2007-2009

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Der durch Reiseberichte und Ausgrabungen seit dem 18. Jahrhundert sowie später durch die Entdeckung einer bronzezeitlichen Grabanlage mit Mehrfachbestattungen im 19. Jahrhundert (1888) bekannte Fundplatz Cabeza del Griego geriet erst seit den 1960er Jahren (Martίn Almagro-Basch) und verstärkt seit den 1990er Jahren in den Blickpunkt der Forschung. So beschloss die autonome Region Castilla-La Mancha (Toledo) Ausgrabungen in großem Stil durchzuführen mit dem Ziel, einen archäologischen Park als ein Vorzeigeobjekt der Region einzurichten. Die Bestimmung des Platzes - Cabeza del Griego ist der Name des mittelalterlichen Dorfes - als das in den Quellen (Plin. NH 3,25) genannte römische Munizipium Segobriga ist inzwischen epigraphisch gesichert.

Im Jahre 1995 wurde zunächst auf halber Höhe des Stadthügels im Bereich der flavischen Thermenanlage ("termas monumentales"), danach im Bereich einer gleichzeitigen Kryptoportikus und einer langen Halle ("aula dinástica"), schließlich in der dazwischen liegenden Fläche, dem augusteischen Forum, gearbeitet. Damit war schon fünf Jahre nach dem Neubeginn eine ganze Reihe öffentlicher Gebäuden freigelegt. Die Eingrenzung und damit der Umfang der Stadt waren schon durch die Forschungen von Almagro Basch [1] zum Verlauf der augusteischen Stadtmauern und der Lage der Tore bekannt.

Dieser forcierte Ausgrabungsrhythmus von mehrmonatigen Kampagnen von Juni bis Oktober mit einer Mannschaft aus 25 bis 30 Personen, während denen jeweils ca. 1000 bis 1500 qm gelegentlich auch mehr pro Jahr aufgedeckt werden, ist eine Konstante in Segobriga und Ergebnis des kontinuierlichen Interesses der Regionalregierung, die auch für die Herrichtung und mise en valeur der Ruine verantwortlich zeichnet.

Die Forschungen stehen seit dem Neubeginn 1992 unter der Leitung der Autoren, namentlich von Juan Manuel Abascal (Alicante). Sie wurden in vorbildlich schneller Weise in zwei stattlichen Serien - in den Serien minor (jährliche Grabungsberichte) und maior (Monographien u. dgl.) vorgelegt. Zu diesem ehrgeizigen Programm wurde eine ganze Reihe in- und ausländischer Fachleute hinzugezogen wie z. B. Géza Alföldy (Heidelberg) zur Aufnahme der über 700 Inschriften oder Markus Trunk (Trier) zur Bestimmung der Bauornamentik.

Die in der kleinen Serie veröffentlichten Kampagnen 2007 bis 2009 sind Gegenstand dieser Besprechung. Sie betrifft die Ausgrabung des Circus (seit 2004) und die neue Grabung in der westgotischen Basilika (seit 2006), den Talgrund mit dem untersten Stadtgebiet und den außerstädtischen Bereich. Die jüngsten, noch nicht veröffentlichten Aktivitäten erstrecken sich auf das Umland der Stadt, besonders auf die Minen des lapis specularis, deren Ausbeutung wesentlich zum wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt beigetragen hat, sowie auf die Wasserversorgung.

Die Untersuchung des weitgehend unfertig gebliebenen Circus (272 x 83 m) zeigte, dass er über einer Nekropole in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts. n. Chr. angelegt wurde. Die Geländemulde von ca. 50 m Breite und 3 m Tiefe, die die Circusbahn zu überqueren hatte, wurde zuvor mit den Resten der aufgegebenen Nekropole sorgfältig aufgefüllt. Die meisten Grabdenkmäler waren als Spolien in die Tribünen des Circus verbaut, einige jedoch, wie etwa die Stele der Iucunda, blieben in situ. Die Entdeckung der Nekropole wurde zum Anlass genommen, auch die bereits früher zutage gekommenen Gräber zu kartieren, so dass nun erstmals ein Bild der Stadt mit der Lage ihrer umliegenden Nekropolen aus römischer, spätrömischer, westgotischer und islamischer Zeit gezeigt werden kann (2007, 14 fig. 3). Vom Nekropolenbefund unter dem Circus abgesehen, lässt sich eine Entwicklung ihrer Lage nach beobachten: So befinden sich die ältesten Gräber des 1. Jahrhunderts. n. Chr. (2007, 14 fig. 3 Nr. 1 und 2) weit vor der Stadt, im Laufe der Zeit wird die spätrömische und dann die westgotische Nekropole immer näher an die Stadt heranrücken. Dagegen liegt die islamische Nekropole (aus Platzgründen?) am weitesten von der Stadt entfernt in der Nähe des heutigen Besucherzentrums. Wichtig ist die Beobachtung, dass die genannten Nekropolen, namentlich die römischen bis westgotischen, sich entlang der Straße von Segobriga nach Ercavica befinden. Offenbar handelt es sich um eine veritable Gräberstraße, italischen Anlagen vergleichbar. Ein derartiger Befund war in Hispania bisher, wie Philipp Kobusch in seiner Dissertation (Giessen) jüngst bemerkt hat, allein aus der Colonia Patricia (Córdoba) bekannt. [2]

Im Falle der römischen Nekropole handelt es sich um die üblichen von Mauern umfriedeten Grabbezirke (A bis G), die in einem Abstand zwischen 800 und 2500 m von der Stadt entfernt beidseits der Straße liegen. Im Grabbezirk D befand sich ein Grabbau, ein weiterer, der Inschrift nach der Familie der Porcii zugehörig, findet sich an der wenig erforschten Ausfallstraße nach Carthago Nova, die gleichfalls eine Gräberstraße gewesen sein könnte. Der letztgenannte langrechteckige Bau (4,17 x 2,97 m), durch Pilaster gegliedert, die in korinthischen Kapitellen enden, muss vielleicht als großer Altar rekonstruiert werden. Grabbezirk F enthält ein U-förmiges Ustrinum, gleichfalls der Bezirk E. Insgesamt überwiegen Brandgräber, die meisten gehören ihren Beifunden nach - Glasgefäße, Gebrauchkeramik und Bronze- und Eisenteile wohl von Kästchen und Truhen - ins 1. Jahrhundert n. Chr.

Die Nekropole unter dem Circus war über eine Gasse zugänglich, einer Abzweigung der o.g. Ausfallstraße nach Ercavica. Sie verlief auf der Sohle der Talmulde, die Grabdenkmäler standen beidseits auf den Böschungen dieses Hohlweges. Zu ihr gehörte offenbar ein großes Ustrinum, das bergseitig in den anstehenden Fels geschlagen und zur Talmulde hin von einer Terrassenmauer gefasst war. Auffällig zahlreiche Steindenkmäler wurden in situ gefunden. Darunter sind Cippi mit Maßangaben über die Parzellenbreite hervorzuheben, wie etwa derjenige (2007, 54 fig. 31) mit der Angabe: in f(ronte) p(edes) XVII s(emis), d. h. in Abstand von 17,5 Fuß, das sind ca. 5,18 m. Sie waren ebenso wie die Grabdenkmäler unmittelbar in den Boden gerammt. Die fünf erhaltenen Cippi standen sicher an den Ecken der auf die Straße ausgerichteten Parzellen, von denen sechs festgestellt wurden. Die Grabbezirke besaßen zwischen 260 und 225 Fuß Straßenfront. Man wird den Ausgräbern zustimmen, die aus dem weitgehenden Fehlen von Urnen schließen, dass diese wohl von den Familien vor der Aufgabe der Gräber geborgen und an anderer Stelle erneut beigesetzt wurden. Die Belegungsdauer der Nekropole ist über die Beifunde aus augusteisch-tiberischer Zeit bis ins frühe 2. Jahrhundert n. Chr. datiert. Nach der Anlage des Circus musste der Straßenverlauf geändert werden, der hinfort offenbar westlich um den Circus herumgeführt wurde. Ob die bei der Erbauung des Circus verwendeten zahlreichen Henkeltöpfe ("urnas"), tatsächlich, wie die Ausgräber meinen, als Sühneopfer oder Bauopfer der gestörten Nekropole zu deuten sind, kann diskutiert werden. Doch prüfenswert erscheint dem Rezensenten die Überlegung, sie als Nivelliermarken anzusehen, wie diese aus dem Osten des Reiches bekannt sind. In westgotischer Zeit wurde in dem Circus ein dreischiffiger Bau errichtet.

Seit dem Jahre 2009 wird der untere Stadtbereich von Theater, Mauer/Tor und Kryptoportikus untersucht, für dessen Ostseite sich bereits Almagro Basch interessiert hatte. Die Ergebnisse mündeten in eine im Internet vorgestellte Rekonstruktion. [3] Danach wird das Theater bergseitig von einer zweischiffigen Halle ionischer Säulenordnung überragt, die nach der Stadt- wie zur Landseite offen wie ein Scharnier zwischen beiden wirkt. Dieser Architekturtypus ist gerade in römischer Zeit verbreitet, in Hispanien findet er sich mehrfach, so etwa in Munigua. Stadtseitig schließt sich an diese Halle ein Platz an, an dem sich eine weitere Thermenanlage sowie westlich und östlich Hallen (2009, 25 fig. 9) befinden. Die Datierung ist tiberisch. Die Grabung zeitigte hier außerdem erstmals in Segobriga auch Baureste aus republikanischer, d. h. cäsarischer Zeit, sie untermauert damit bekannte numismatische, epigraphische und keramische Zeugnisse.

Segobriga wird von Plinius (NH 27) als caput Celtiberiae bezeichnet. Die inzwischen vorgelegten archäologischen Befunde bestätigen das Prädikat. Segobriga gehört damit zu den wichtigsten römischen Städten der zentralspanischen Meseta. Dem durch die Denkmäler, die Funde und die Inschriften vorherrschende Eindruck einer zutiefst römisch geprägten Stadt und Gesellschaft stehen überkommene, einheimische Merkmale wie die Lage auf einem Hügel und nicht im Flachland gegenüber, es fehlt zudem das orthogonale Straßensystem. Möglicherweise werden künftige Forschungen einen stärkeren Anteil indigener Merkmale zeitigen, wie etwa anstelle einer zusammenhängenden Wohnbebauung mit geschlossenen Häuserfronten des Hügels (siehe das o.g. 3D-Modell) eine offene, gestreute Bebauung. Angesichts des eingeschlagenen Arbeitstempos wird die Forschung sicher schon bald Gewissheit darüber erhalten. Am Ende wird die archäologische Erforschung Segobrigas durch die spanischen Kollegen ähnlich modellartig wirken wie die vorbildlichen althistorischen Darstellungen zur Romanisierung der Meseten durch Alföldy. [4]


Anmerkungen:

[1] Siehe z.B. M. Almagro Basch: Segóbriga, ciudad celtibérica y romana. Guía de las Excavaciones y Museo. Madrid 1975 (2a ed. 1978; 3a ed. 1986, 4a ed. 1990); ders.: A. Almagro Gorbea: A.: El teatro romano de Segobriga, in: El teatro en la Hispania romana. Actas del Simposio. Mérida 1980, Badajoz 1982, 25-38; dies., El anfiteatro de Segobriga, in: Bimilenario del anfiteatro romano de Mérida. Coloquio internacional. Mérida 1992, Mérida 1995, 139-176.

[2] P. Kobusch: Die römischen Grabbauten auf der Iberischen Halbinsel, Diss., Gießen 2011.

[3] Siehe http://www.segobrigavirtual.es/ bzw. http://www.ua.es/personal/juan.abascal/Segobriga_imagenes.html.

[4] G. Alföldy: Römisches Städtewesen auf der neukastilischen Hochebene. Ein Testfall für die Romanisierung (1987).

Thomas Schattner