Eva Labouvie (Hg.): Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte weiblicher Kommunikation, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2009, 450 S., ISBN 978-3-412-20358-0, EUR 49,90
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Der vorliegende Band dokumentiert eine Tagung, die im Herbst 2008 in Magdeburg stattgefunden hat und die im Rahmen einer ganzen Reihe von interdisziplinären Konferenzen zur Frauen- und Geschlechtergeschichte durchgeführt wurde. Einen explizit interdisziplinären Ansatz verfolgt auch die Publikation selbst, in der insgesamt 18 Beiträge versammelt sind. In ihnen äußern sich Historikerinnen, Soziologinnen, Literaturwissenschaftlerinnen, Ethnologinnen und Psychologen zu Aspekten von Freundschaft, Familienbeziehungen und Kommunikation. Der Band ist damit, obwohl er einen Zeitrahmen von der Antike bis zur Gegenwart aufweist, keineswegs allein auf historische Aspekte von Freundschaft unter Frauen und Schwesternschaft fokussiert, sondern bietet in einem breiten Betrachtungsfeld zahlreiche, allerdings keineswegs immer aufeinander bezogene Zugangsweisen zum Themenfeld.
Dies entspricht freilich der Zielstellung von Tagung und Beiträgen: Diskussion anzuregen, Impulse zu setzen und Fragestellungen zu eröffnen (19) für ein Forschungsfeld, dass nicht nur in der historischen, sondern auch in der soziologischen und psychologischen Forschung bislang noch wenig Beachtung gefunden hat. In ihrer Einleitung verweist die Herausgeberin dabei zurecht darauf, dass es freilich am Ende nicht allein um die berühmte Lücke der Forschung geht, sondern dass die Beschäftigung mit Schwesternschaft und Freundschaft es zugleich erlaube, grundlegende Fragen von Verwandtschaft und Geschlechtszugehörigkeit zu reflektieren, ebenso wie Kommunikationsformen in ihrem historischen Wandel, die Gestaltung weiblicher Beziehungsmuster ebenso wie Emotionen und Emotionalität (19f.).
Entsprechend seiner breiten Anlage ist der Band in zwei Hauptteile mit jeweils drei Themenfeldern gegliedert, die ihrerseits jeweils drei Beiträge beinhalten. Im ersten Teil "Freundschaften unter Frauen" werden zunächst psychologische, soziologische und ethnologische Zugänge zu Begriff und Phänomen "Freundschaft" präsentiert (35-98), dann "Modelle, Orte und Rituale der Freundschaft" anhand von drei Beispielen aus dem deutschen Bildungsbürgertum aufgezeigt (101-173) und schließlich "Sprachen der Freundschaft - Briefe, Tagebücher, Bilder und Gedichte" mit einem zeitlichen Schwerpunkt im 18. und 19. Jahrhundert vorgeführt (177-240).
Im zweiten Teil "Schwestern: Eine besondere Beziehung" wird zunächst unter der Überschrift "Der 'Mörtel des Verwandtschaftssystems'?" (243-302) für die römische Antike, das 19. Jahrhundert im katholischen Tirol und in soziologischer Sicht der Rolle von Schwestern für die Perpetuierung verwandtschaftlicher Beziehungen nachgegangen. Drei weitere Beiträge widmen sich anschließend dem Thema "Adlige Schwestern: Kommunikationen der 'longue durée'" (305-355). Vorgestellt und teilweise ausgewertet werden Briefwechsel zwischen österreichischen Adligen und Fürstinnen aus kleineren deutschen Fürstenhäusern in der Frühen Neuzeit. Ein Abschnitt zu "Schwestern im Geiste" (359-410) befasst sich dann mit Schwesternschaft nicht im verwandtschaftlichen Sinne, sondern als Ausdruck von Verbundenheit durch Glauben, Lebensbedingungen oder Gefühle. Eine Auswahlbibliographie (418-440) beschließt den Band.
Räumlich gesehen bildet der deutschsprachige Raum eindeutig einen Schwerpunkt des Bandes. Inhalt oder Ergebnisse der einzelnen Beiträge zusammenzufassen jedoch fällt schwer, sind die Texte doch zeitlich wie inhaltlich verschiedenen Epochen und Gegenständen - vom Werk der Dichterin Marina Cvetaeva (1892-1941) über die Bilder der Angelika Kaufmann (1741-1807) bis zum Kult der Mater Matuta im Alten Rom - sowie differierenden fachlichen und methodischen Zugängen verpflichtet. Diese Vielfalt ermöglicht einerseits einen breiten Zugang zu weiblichen Wissens- und Kommunikationskulturen und vielfältige Anregung für künftige Forschung, wie es das erklärte Ziel der Tagung gewesen ist. Andererseits vermisst man vielfach Einordnungen der konkreten Einzelbefunde.
Bis zu einem Überblick über Kommunikationsformen zwischen Schwestern und Freundinnen im historischen Längsschnitt, bis zu einem Bild von deren Rolle im Gesamtfeld menschlicher Beziehungen bedarf es umfangreicher weiterer Forschung. Dabei wäre es aus historischer Sicht nicht zuletzt wünschenswert, den auch im vorliegenden Band postulierten Stellenwert des 18. Jahrhunderts als Zäsur (12, 16) nicht nur hinsichtlich emotionaler Aspekte von Freundschaft und Schwesternschaft zu hinterfragen. Eine Ausweitung der Betrachtung etwa auf Briefkultur und weibliche Netzwerke seit dem späten Mittelalter dürfte erkennbar machen, dass zumindest in kommunikativer Hinsicht Netzwerke unter Frauen weiter verbreitet waren, als es die im Band erkennbare Fokussierung auf die Zeit seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nahe legt.
Katrin Keller