Rezension über:

Martin Hundt (Hg.): Der Redaktionsbriefwechsel der Hallischen, Deutschen und Deutsch-Französischen Jahrbücher (1837-1844), Berlin: Akademie Verlag 2010, 3 Bde., LIV + 1655 S., ISBN 978-3-05-004513-9, EUR 298,00
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Rezension von:
Christine Haug
Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Nils Freytag
Empfohlene Zitierweise:
Christine Haug: Rezension von: Martin Hundt (Hg.): Der Redaktionsbriefwechsel der Hallischen, Deutschen und Deutsch-Französischen Jahrbücher (1837-1844), Berlin: Akademie Verlag 2010, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 11 [15.11.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/11/18999.html


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Martin Hundt (Hg.): Der Redaktionsbriefwechsel der Hallischen, Deutschen und Deutsch-Französischen Jahrbücher (1837-1844)

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Martin Hundt legt mit seiner dreibändigen Ausgabe des Redaktionsbriefwechsels der Hallischen, Deutschen und Deutsch-Französischen Jahrbücher (1837-1844) mit über 1.000 Briefen eine beeindruckende Editionsleistung vor, die in vielerlei Hinsicht Innovations- und Forschungspotenzial birgt und vielfältige Anschlussmöglichkeiten für die Vormärzforschung bietet. Und dies nicht allein aus literatur- und philosophiehistorischer Sicht, sondern auch für die Buchhandels- und Verlagsgeschichtsschreibung sowie für die Presseforschung.

Die Hallischen, Deutschen und Deutsch-Französischen Jahrbücher erschienen zwischen Julirevolution und 1848er Revolution, also in einer politisch aufgeregten Zeit, die sich in den Redaktionskorrespondenzen eindrucksvoll widerspiegelt. Der Typus des "Kritischen Jahrbuchs" war um 1800 in romantischen Kreisen konzipiert worden und zielte (hier im Gegensatz zur Tagesjournalistik) auf eine stärkere Profilierung und Selektion von literarisch-philosophischen Themen. Die Hallischen, Deutschen und Deutsch-Französischen Jahrbücher entwickelten sich zu einem wirkungsmächtigen Medium im philosophischen Diskurs der 1830er/1840er Jahre in Deutschland. Während die Gründungsvoraussetzungen, die programmatischen Zielsetzungen und Wirkungskraft der Jahrbücher inzwischen gut erforscht sind, weiß man meist wenig über die internen Arbeits- und Organisationsabläufe, über die Autorenakquise oder über Vermarktungsmaßnahmen sowie das enge Zusammenspiel zwischen Zeitschriftenredaktion und Verlag. Die Überlieferung des Redaktionsbriefwechsels ist daher ein Glücksfall allein für die Erforschung des vormärzlichen Pressemarkts.

Die Edition macht sich zur Aufgabe, die komplexen Organisationsstrukturen einer Zeitschriftenredaktion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Die eigentlichen Redaktionsarchive sind zwar erhalten, aber nur ein wichtiger Teil der umfänglichen Redaktionskorrespondenz, nämlich der Hauptteil der eingegangenen Briefe. Ausgehende Briefe sind wiederum kaum auffindbar, weil sie über den Adressatenkreis weit verstreut sind. In die Edition aufgenommen werden 200 Briefe aus den Beständen der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Berlin-Lichterfeld (SAPMO), 175 Briefe aus den Beständen der Klassik Stiftung Weimar aus dem Goethe- und Schillerarchiv (GSA) und 350 Briefe aus den Beständen der Sächsischen Landesbibliothek/Staats- und Universitätsbibliothek Dresen. Teilnachlässe von Theodor Echtermeyer und Robert Prutz (etwa 100 Briefe) recherchierte Hundt in Moskau (Bd. 3, 8-11). Dieses Quellenkorpus ergänzte er um zahlreiche in Einzelnachlässen verstreute Autographen von Mitarbeitern und Beiträgern, so dass die Gesamtedition schließlich 1.222 Briefe zusammenführt.

Anders als Journale und Broschüren, die über ihre Verfasser und Rezensenten im eigenen sozialen und politischen Umfeld wirken, also externe, häufig transnationale Netzwerke bedienen, gewährleisten Redaktionsbriefwechsel eine Innenansicht, die allein wegen der schlechten Überlieferung von Verlagsarchiven nur selten in einem solchen Umfang erhalten geblieben sind. Bei Redaktionsbriefen handelt es sich um Dokumente hoher Authentizität und Aussagekraft. Sie spiegeln die enge Verflechtung von privaten und geschäftlichen Anliegen und illustrieren die multifunktionale Rolle des Verlegers, der zugleich Freund, Vermögensverwalter und Kreditgeber seiner Autoren war. Der Redaktionsbriefwechsel bietet aber auch neue Einblicke für die Erforschung der junghegelianischen Bewegung und ihrer Akteure und Sympathisanten. Somit stellen diese Briefe ein wichtiges kulturhistorisches Dokument, ein Dokument vormärzlicher Streitkultur dar.

Auf der Grundlage des umfänglichen Redaktionsbriefwechsels profiliert Hundt in zwei umfänglichen Aufsätzen, die dem Apparat beigegeben werden (Bd. 3, 1-79), die junghegelianische Bewegung. Geographischer Ausgangspunkt war Halle, wo junge Intellektuelle in den 1820er/1830er Jahren der Aufklärungsuniversität entscheidende politisch-progressive Impulse verliehen. Das personelle Umfeld der Jahrbücher entwickelte sich zu Keimzellen literarisch-politischer Gruppen- und Zirkelbildung sowie von politisch motivierten Lesegesellschaften, die zweifelsohne als wichtige Wegbereiter der 1848er Revolution zu sehen sind.

Der Redaktionsbriefwechsel ist von verschiedenen Diskursen geprägt, die sich durch den kompletten Berichtszeitraum ziehen. An erster Stelle ist sicherlich die anhaltende Auseinandersetzung über die vorherrschenden Zensurzustände, die offene Kritik an der pressepolitischen Repression, die Strategien der Verschleierung von Druck- und Publikationsvorgängen, die Bitte an Redakteur und Verlag, eingeschickte Artikel doch anonym zu veröffentlichen, zu nennen. Die Briefe geben Auskunft über Erfolge bei der Umgehung der Zensur, sei es durch einen strategisch klugen Wechsel des Druckortes (bspw. Verlegung von Halle in das bereits sächsische Grimma) oder aber die Veröffentlichung in einem anderen Bundesstaat. Offensichtlich wird auch die Einflussnahme Preußens auf andere Territorien hinsichtlich deren oftmals als zu liberal empfundener Literaturpolitik. Der Briefwechsel wirkt als Seismograph der politischen, insbesondere der pressepolitischen Tendenzen und Trends.

Von kaum zu unterschätzendem Interesse sind die vielfältigen Psychogramme über Verleger des Vormärz, im Fokus hier der Leipziger Verleger Otto Wigand. Der Redaktionsbriefwechsel bietet wichtige Einblicke in das Alltagsgeschäft eines geradezu prototypischen Verlegers im Vormärz, der politisch liberal und mit hoher Risikobereitschaft sich in den Dienst der politisch-progressiven Bewegung stellte. Diese Kerneigenschaften werden in der Autorenkorrespondenz häufig hervorgehoben. Das Leipziger Verlagsunternehmen der Brüder Georg und Otto Wigand hätte längst eine eigene verlagsmonographische Darstellung verdient (wie auch die Leipziger Verleger Carl Behrend Lorck und Johann Jakob Weber). Die Qualität der hier vorgelegten Briefedition liefert wichtige Bausteine zu einer solchen Unternehmensgeschichte.

Martin Hundt legt mit dieser opulenten Redaktionskorrespondenz eine bemerkenswerte Briefedition vor, die noch viel Forschungspotenzial birgt. Für eine wissenschaftliche Edition eher ungewöhnlich ist die Entscheidung von Hundt, im Apparat bereits zwei umfängliche Beiträge mit aufzunehmen, in denen er das vielschichtige Material ansatzweise erschließt. Die Handhabe dieser dreibändigen Briefausgabe ist durch exzellente Register gewährleistet. Generell zu würdigen ist zweifelsohne die Bereitschaft des Akademie Verlags, diesen Redaktionsbriefwechsel noch in Printform herauszubringen.

Christine Haug