Corinna von List: Frauen in der Résistance 1940-1944. "Der Kampf gegen die 'Boches' hat begonnen!" (= Krieg in der Geschichte (KRiG); Bd. 59), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2010, 311 S., ISBN 978-3-506-76913-8, EUR 39,90
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Daniel Blatman: Die Todesmärsche 1944/45. Das letzte Kapitel des nationalsozialistischen Massenmords, Reinbek: Rowohlt Verlag 2011
Frauke Geyken: Wir standen nicht abseits. Frauen im Widerstand gegen Hitler, München: C.H.Beck 2014
Alwin Meyer: Vergiss deinen Namen nicht. Die Kinder von Auschwitz, Göttingen: Steidl-Verlag 2015
Frankreich hat nach dem Zweiten Weltkrieg über Jahrzehnte hinweg den Widerstand gegen die deutsche Besatzung während der Jahre 1940-1944 in den Mittelpunkt der historischen Betrachtung gestellt. Kollaboration mit den Besatzern und Teilhabe am Judenmord durch das französische Vichy-Regime wurden nicht thematisiert. Darüber hinaus reduzierte sich die Geschichte des Widerstands nahezu ausschließlich auf militärisch-bewaffnete Aktionen, so als ob sich das Land scheinbar aus eigener Kraft befreien konnte. Der Mythos vom heldenhaften Aufstand einer ganzen Nation unter der Führung von General Charles de Gaulle wurde bis in die 1980er Jahre aufrechterhalten. Da Frauen im Widerstand nur zu sehr geringem Anteil an Sabotageakten oder militärischen Aktionen beteiligt waren, fand ihre Rolle so gut wie überhaupt keine Beachtung.
Die Historikerin Corinna von List hat nun zum ersten Mal in einer detailreichen Studie die Geschichte der Frauen in der französischen Résistance aufgearbeitet. Die Publikation fußt auf ihrer Dissertation, die überarbeitet und ergänzt wurde. List definiert Widerstand "als ein Ineinandergreifen von ziviler und militärisch-bewaffneter Aktion. Widerstand ist ein intentionales, uneigennütziges Handeln mit dem Ziel, den Kreis Gleichgesinnter zu erweitern, um so unter Inkaufnahme der eingegangenen Risiken für Leib und Leben ein totalitäres Regime zu schädigen. Im Unterschied zu Widerstand ist ziviler Ungehorsam zwar auch ein bewusstes, aber rein individuelles und einmaliges Handeln, ohne sich mit Dritten zusammenzuschließen." (48)
Als Quellen dienten ihr in erster Linie Unterlagen des französischen wie des deutschen Unterdrückungsapparats, die bisher noch nie systematisch ausgewertet wurden, sowie Akten des Britischen Geheimdienstes. Auf Zeitzeugeninterviews hat sie weitgehend verzichtet. Allerdings wurden die Daten von überlebenden Widerstandkämpferinnen mit Hilfe von Fragebögen aufgezeichnet, die als Grundlage für zwei Datenbanken dienten. Es entstand ein umfangreicher "Biographischer Katalog" mit Angaben zur Person, zum Engagement in der Résistance und mit soziografischen Daten. In einer zweiten Datenbank wurden die Straftaten erfasst, derer die Frauen beschuldigt wurden, sowie die, sowohl von deutschen wie von französischen Verfolgungsinstanzen verhängten Strafen.
Nach einem Exkurs über die soziale Stellung von Frauen in Frankreich zwischen 1890 und 1940 wurden die Motive der Widerständlerinnen sowie ihre Risiken dargestellt. Grundsätzliche patriotische Einstellungen waren meist ausschlaggebend, gefolgt von spezifischen politischen Überzeugungen. An dritter Stelle wurden humanitär-religiöse Gründe angeführt. Damit unterschieden sich die Motive von Frauen in der Résistance nicht von denen der Männer. Unterschiedlich waren vielmehr die Mittel, derer sich Frauen bedienten, und ihre Einsatzgebiete. Dass Frauen zumeist unspektakulär handelten und unbewaffnet waren, trug sicherlich dazu bei, dass sie nach Ende des Kriegs in der nationalen Mythenbildung über den militärisch-bewaffneten Widerstand keinen Platz fanden.
Die Autorin legt dar, dass Risiken für Frauen in der Kommunistischen Partei Frankreichs von Anfang an besonders hoch waren, da die Partei - vor dem Hintergrund des Hitler-Stalin-Pakts - bereits im September 1939, also bereits vor der Niederlage Frankreichs im Sommer 1940, verboten worden war und durch Polizei und Justiz verfolgt wurde. Die Situation verschlechterte sich ab Juli 1940 unter der Regierung Petain. Dabei war die Lage in der besetzten Zone Frankreichs bis zum Frühjahr 1942 ungleich gefährlicher als im "freien" Süden, da dort doppelte Verfolgung durch französische und deutsche Institutionen drohte. Dies galt dann ebenso für Aktionen des nichtkommunistischen Widerstandes. Frauen waren besonders vom Verbot der Fluchthilfe, eines ihrer wichtigsten Tätigkeitsfelder - betroffen, das im Herbst 1940 noch verschärft wurde, als die Beherbergung von französischen Kriegsgefangenen und britischen Soldaten unter Todesstrafe gestellt wurde. Als nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 Anschläge und Sabotageakte gegen die deutschen Besatzer in Frankreich zunahmen, verschärften sich die Repressionen erneut. Am 7.12.1941 wurde auf Anordnung Adolf Hitlers der so genannte "Nacht-und-Nebel-Befehl" erlassen, der für Männer wie für Frauen galt. Neben einer Aufzählung von Straftaten, die mit der Todesstrafe geahndet werden sollten, ordnete er massive Strafverfolgung und Deportation an, wobei über den Verbleib der Verhafteten keine Auskunft gegeben werden durfte. Als im Mai 1942 durch den Höheren SS-und Polizeiführer Oberg die Sippenhaft eingeführt wurde, um die logistische Unterstützung von Widerstandkämpfern durch Freunde und Familienmitgliedern zu unterbinden, nahm der Verfolgungsdruck auf Frauen weiter zu. Nach Landung der Alliierten auf französischem Territorium im Juni 1944 stieg die Zahl der Anschläge und Sabotageakte sprunghaft an. Gleichzeitig verschärfte sich der Terror der deutschen Besatzer gegen die Zivilbevölkerung noch einmal dramatisch.
Frauen mit Kindern waren in besonderer Weise gefährdet. Aber obwohl auch Frauen gefoltert wurden, waren sie in geringerer Zahl als ihre männlichen Gesinnungsgenossen physischen Misshandlungen oder schwerer Folter ausgesetzt, vor allem wenn sie der männlichen Vorstellung des "schwachen Geschlechts" entsprachen. Es wurden auch weniger Todesurteile gegen Frauen verhängt, jedoch war die Alternative zumeist die Deportation ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, wo Überlebenschancen, vor allem in den letzten Monaten vor der Befreiung, immer schlechter wurden.
In drei Kapiteln wird dargestellt, was die Frauen im französischen Widerstand eigentlich taten. Der Abschnitt "Die logistische Basis der Arbeit im Untergrund" beleuchtet die Arbeit der Kurierdienste. Es musste sowohl innerhalb Frankreichs ein Netz an Kurieren aufgebaut werden, mit dessen Hilfe die Verbindung und den Austausch unter den einzelnen Widerstandsgruppen zwischen besetzter und "freier" Zone gewährleistete, wie auch ein Verbindungsnetz zwischen der Résistance in Frankreich, de Gaulles Exilorganisation "Freies Frankreich" in London und dem Britischen Geheimdienst. Kurierdienste waren das häufigste Einsatzgebiet für Frauen, die sowohl Informationen und Dokumente wie auch Waffen, Sprengstoff, falsche Papiere, Funkgeräte, Lebensmittelkarten oder Bargeld transportierten. Das Führen von Sekretariaten war ebenfalls ein Bereich, der weitgehend von Frauen besetzt war. Das traditionelle Aufgabengebiet bot oftmals Schutz für Untergrundtätigkeiten wie beispielsweise der Anmietung von Räumen, der Unterbringung von Druckmaschinen, Propagandamaterial, Lebensmitteln oder das Herstellen von Flugblättern. Ein weiterer wichtiger, vielleicht der schwierigste Arbeitsbereich war der Einsatz von Funkerinnen in einem Funknetz, das vom britischen Geheimdienst aufgebaut wurde, um einen schnellen Informationsaustausch zwischen Frankreich und England zu ermöglichen. Funker und Funkerinnen, in Großbritannien ausgebildet, sowie die nötigen Geräte wurden per Fallschirm über Frankreich abgesetzt. Die Gefahr nach kurzer Zeit entdeckt zu werden, war extrem hoch. Die Autorin schildert weiterhin die Bereitstellung von privaten Räumen für die Vorbereitung und Durchführung von Widerstandsaktionen, die oftmals von Frauen organisiert wurde, sowie die Beschaffung falscher Papiere.
Ein weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld für Frauen waren soziale Dienste, die Familien von verhafteten Widerstandskämpfern, aber auch Personen, die im Untergrund lebten, betreuten und unterstützten. Gleichzeitig organisierten Mitarbeiterinnen der sozialen Dienste den Austausch von Informationen zwischen Insassen von Haftanstalten und Krankenhäusern mit ihren Familien.
Auch für ihren Anteil im "Kampf mit dem Wort" haben Frauen bisher nicht die ihnen zustehende Anerkennung erfahren. Herstellung, Satz, Druck und Verteilung von Flugblättern und Untergrundzeitungen waren ebenso ein Mittel im Kampf gegen den Besatzer wie die Publizierung von Widerstandsliteratur.
Im letzten Teil der Untersuchung werden unterschiedliche Formen von Fluchthilfe beschrieben, an denen Frauen entscheidenden Anteil hatten. Neben von der Deportation in die Vernichtung bedrohten Juden wurden Widerstandskämpfer, alliierte Soldaten, entflohene französische Kriegsgefangene und politisch Verfolgte außer Landes geschmuggelt. Es gab dafür private Initiativen sowie französische Netzwerke und Organisationen des britischen Geheimdienstes. Abschließend wird der Bereich Karitative Organisationen und die Rettung Verfolgter dargestellt.
Zweifellos bereichert die Studie das Wissen über Frauen in der Résistance grundlegend. In Tabellen und Statistiken wird der soziale Hintergrund der Frauen aufgeschlüsselt. Es wird graphisch dargestellt, in welchen Bereichen wie viele von ihnen tätig waren, welche Arbeiten am gefährlichsten waren, welches Strafmaß für welche Tätigkeit verhängt wurde und wie hoch jeweils der Prozentsatz der Frauen war, die ihr Leben verloren. Doch obwohl die Verfasserin für jeden Bereich, in dem Frauen Widerstand leisteten, Beispiele anführt, lassen die Beschreibungen der Einzelschicksale den Leser seltsam unberührt. Es ist deshalb zu hoffen, dass die Arbeit auch als Anregung für eine weiterführende Auseinandersetzung mit dem Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln dient, das über ein Fachpublikum hinaus Beachtung finden sollte.
Barbara Distel