Rezension über:

Maria Schimke (Bearb.): Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten. Band 8: Regierungsakten des Kurfürstentums und Großherzogtums Baden 1803-1815, München: Oldenbourg 2012, VIII + 809 S., ISBN 978-3-486-58677-0, EUR 148,00
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Rezension von:
Harald Stockert
Stadtarchiv Mannheim / Institut für Stadtgeschichte
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Harald Stockert: Rezension von: Maria Schimke (Bearb.): Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten. Band 8: Regierungsakten des Kurfürstentums und Großherzogtums Baden 1803-1815, München: Oldenbourg 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 5 [15.05.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/05/19772.html


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Maria Schimke (Bearb.): Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten

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Mit dem vorliegenden Band über das Kurfürstentum / Großherzogtum Baden finden die von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen Quelleneditionen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten eine erfolgreiche Fortsetzung. Bearbeiterin Maria Schimke, die bereits für den Reihenband über Bayern verantwortlich zeichnete [1], beleuchtet anhand von 90 ausgewählten Quellen den Werdegang und vor allem die Schwierigkeiten der badischen Reformpolitik.

Letztere speisten sich im Wesentlichen aus der Tatsache, dass in Baden - anders als etwa in Württemberg oder Bayern - der Regent als bestimmender politischer Faktor weitgehend ausfiel. Der greise Kurfürst bzw. Großherzog Karl Friedrich durchlebte während der Reformzeit sein achtes bzw. neuntes Lebensjahrzehnt, war kränklich und zuletzt völlig dement. Das dadurch entstandene Kräftevakuum wurde von Beamten gefüllt, die sich hinsichtlich der Zielsetzung wie auch der Umsetzung der Politik alles andere als einig waren. Es waren vor allem der Staatsrat Johann Nikolaus Friedrich Brauer sowie Sigismund von Reitzenstein, die hierbei unterschiedliche Politikrichtungen vertraten und sich gewissermaßen als Antipoden gegenüberstanden. Als weiterer einflussreicher Faktor kam schließlich der mächtige Nachbar Frankreich hinzu, der sich immer wieder in die badische Innenpolitik einschaltete. Vor diesem Hintergrund war die badische Reformpolitik alles andere als geradlinig - sie oszillierte zwischen einer eher traditionell eingestellten und vorhandene Strukturen berücksichtigenden Richtung mit Brauer an der Spitze einerseits und den modernistischen, dem französischen Vorbild nacheifernden Zielsetzungen Reitzensteins andererseits. Immer wieder verschob sich so das Kräftegleichgewicht und damit die Richtung der badischen Politik.

Dieses Wechselspiel findet seinen eindrucksvollen Niederschlag in den von Maria Schimke ausgewählten Quellen, die sie insgesamt fünf Themenbereichen zuordnet: a) Voraussetzungen und Zusammenhänge der Reformen, b) Behörden und Beamte, c) Zivil- und Strafgesetzgebung, d) Einordnung des Adels in den Staat sowie e) Religions- und Kirchenpolitik. Diese Kapitel sind jeweils mit einer einführenden Darstellung inklusive Forschungsüberblick versehen; anschließend werden die einzelnen Quellen teils vollständig, teils in Auszügen wiedergegeben und jeweils für sich nochmals kurz regestiert.

Dabei dominieren im Zeitalter des "Staatsabsolutismus" (Walter Demel) die normativen Quellen. So finden sich im vorliegenden Quellenwerk erstmals an einer Stelle die zentralen Texte der badischen Reformpolitik zusammengetragen, allen voran ein Großteil der 1803 erlassenen und von Brauer maßgeblich beeinflussten "Organisationsedikte", welche die Grundlage für den neuen badischen Staat bilden sollten. Sie fanden ihre Fortsetzung in den so genannten "Konstitutionsedikten" aus der zweiten Reformphase nach 1807, die ebenfalls bis auf eine Ausnahme vollständig wiedergegeben werden. Der verstärkte französische Druck auf Karlsruhe seit 1808 führte zu einem Machtzuwachs der Fraktion um Reitzenstein, der 1809 eine umfangreiche zentralistische Behördenorganisation nach französischem Vorbild initiierte und sich damit über die bisherige Brauer'sche Politik hinwegsetzte. Reitzensteins Reform wurde als umfangreiche Verordnung mit zahlreichen Beilagen veröffentlicht und findet sich ebenfalls in ihren wesentlichen Auszügen ediert.

Doch Maria Schimke beschränkt sich nicht nur auf die Wiedergabe dieser Edikte und Verordnungen, sie gibt auch Einblicke in ihren Entstehungsprozess. Knapp die Hälfte der vorgestellten Quellen sind Briefe, Gutachten, Stellungnahmen und Protokolle und geben die unterschiedlichen Standpunkte, Wissens- und Diskussionsstände in den verantwortlichen Ministerien wie im Geheimen Rat wieder. Die französische Einflussnahme spiegelt sich in Gesandtenberichten, aber auch in diplomatischen Noten aus dem Pariser Außenministerium wider.

Schließlich lenkt die Bearbeiterin auch den Blick auf die "Objekte" der staatlichen Reformpolitik. Die Auswirkungen etwa des zweiten Konstitutionsedikts über die Gemeinden von 1807 illustriert eine Eingabe der Stadt Freiburg, die sich über den Wegfall der städtischen Grundherrschaft und Gerichtsbarkeit beschwert. Die sich hieraus ergebende Diskussion zwischen der staatlichen Regierung in Freiburg und dem Karlsruher Geheimen Rat zeichnet die unterschiedlichen Standpunkte von Provinz und Zentrale im Hinblick auf die Ausgestaltung der Reformpolitik nach. Das badische "Adelsproblem" - die schwierige Integration der in der Rheinbundakte mit hoheitlichen Sonderrechten versehenen Standesherren in das badische Staatswesen - wird anhand einer Auseinandersetzung um die Ämterneuordnung veranschaulicht, die mit den Grafen von Löwenstein-Wertheim 1809 geführt wurde. In einer umfangreichen gedruckten Denkschrift, die hier erstmals in Auszügen veröffentlicht wird, wandten sich diese Standesherren gegen die Reitzenstein'sche Verwaltungsreform von 1809, durch die sie sich in ihren Rechten beschnitten sahen. Empfahl zu diesem Zeitpunkt noch eine interne Stellungnahme des Justizministeriums mit Blick auf die Öffentlichkeit, den Konflikt dilatorisch zu behandeln, so schreckte der Großherzog 1813 auf Druck Napoleons nicht mehr davor zurück, sich mit der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit endgültig über die Rheinbundakte hinwegzusetzen. Die abgedruckte Stellungnahme des zu dieser Zeit weitgehend einflusslosen Brauers gegen diesen Schritt weist einmal mehr auf das wechselnde Kräfteverhältnis unter den badischen Spitzenbeamten hin.

Maria Schimke ist es mit ihrer Auswahl gelungen, ein eindrucksvolles Bild von der badischen Reformpolitik zu vermitteln. Die wichtigsten Quellen sind nun endlich leicht zugänglich und müssen nicht mehr in diversen Regierungsblättern und Archiven zusammengesucht werden. Für die badische Landesgeschichtsforschung ergänzt der vorliegende Band aufs Beste die Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden und bildet zusammen mit dieser den zentralen edierten Quellenfundus für das so wegweisende erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. [2]


Anmerkungen:

[1] Maria Schimke (Bearb.): Regierungsakten des Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799-1815, München 1996.

[2] Badische Historische Commission (Hg.): Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden. 1783-1806, 6 Bände. Heidelberg 1888-1915.

Harald Stockert