Rezension über:

Johannes H. Voigt: Geschichte Australiens und Ozeaniens. Eine Einführung (= Geschichte der Kontinente; Bd. 4), Stuttgart: UTB 2011, XIV + 231 S., ISBN 978-3-8252-3388-4, EUR 16,90
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Rezension von:
Wolfgang Gieler
Friedrich-Schiller-Universität, Jena
Redaktionelle Betreuung:
Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Gieler: Rezension von: Johannes H. Voigt: Geschichte Australiens und Ozeaniens. Eine Einführung, Stuttgart: UTB 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 7/8 [15.07.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/07/20872.html


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Johannes H. Voigt: Geschichte Australiens und Ozeaniens

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Die Geschichte Australiens und Ozeaniens von Johannes H. Voigt ist im Jahr 2011 im Böhlau-Verlag als vierter Band der Reihe "Geschichte der Kontinente" (herausgegeben von Martin Krieger) erschienen. Bereits im Vorwort weist der Autor darauf hin, dass die zum größten Teil englischsprachige Literatur über die historische Entwicklung der Region sich vor allem auf den australischen Kontinent fokussiert, wobei "die historische Literatur über Ozeanien relativ dürftig ist" (XI).

Das vorgelegte Werk stellt keineswegs, wie der Titel vermuten lässt, eine bloße Aneinanderreihung historischer Fakten dar. Vielmehr werden Themen wie Wissenschaft und Forschung, Mensch und Migration, Wirtschaft, Kultur und Religion sowie bestimmte Grunderfahrungen (Klima oder Flora und Fauna) einer eingehenden Untersuchung unter historischen Aspekten unterzogen. Es wird über das ganze Buch hinweg stets zwischen den beiden eigenständigen Kontinenten Australien und Ozeanien unterschieden. Die beiden Kontinente werden zwar oft in einem Atemzug genannt, sind jedoch, wie der Autor im ersten Satz der Einleitung feststellt, "unterschiedlich wie keine zwei anderen Kontinente". Als augenscheinlichstes Beispiel sei an dieser Stelle nur auf die kompakte Landmasse auf der einen Seite und die über weite Teile des Pazifiks verstreute Inselgruppe auf der anderen Seite hingewiesen. Teilweise wird bei Ozeanien auch zwischen Polynesien (mit Neuseeland), Melanesien (mit Neuguinea) und Mikronesien unterschieden. Ein weiterer Aspekt, der den Aufbau des Werkes entscheidend prägt, sind die Quellen- und weiterführenden Literaturangaben, welche sich unmittelbar an jedes Unterkapitel anschließen.

Erst im Anschluss an die gesellschaftlichen und sozialen Prozesse kommt der Autor zu einem etwa 70-seitigen chronologischen Überblick, welcher den Leser über die wichtigsten Ereignisse in der Region kompakt informiert. Berücksichtigung finden dabei die Urzeit, die Ankunft der Europäer, die Kolonialzeit, die Weltkriege, der Kalte Krieg, die Dekolonisation sowie politische Prozesse bis in die heutige Zeit hinein. Das Buch schließt mit einer ausführlichen Zeittafel, welche alle relevanten Daten für die jeweilige Region nach im vorherigen Kapitel beschriebenen Epochen tabellarisch auflistet.

Der Autor versucht erst gar nicht, eine ausschließlich neutrale Position in der historischen Erforschung der beiden Kontinente einzunehmen. Er macht deutlich, dass "der Leser sicherlich häufig mit Erkenntnissen konfrontiert [wird], die ein Werturteil implizieren" (XI). Themen wie die mit der Kolonisation verbundene Unterdrückung der australischen Ureinwohner oder die Diskriminierung von Nicht-Weißen in Australien und Neuseeland bis in die 1970er Jahre hinein ließen dies nicht anders zu. Der Verfasser "sieht darin den einzigen Weg, sich mit dem Wandel der Dinge und dem Verhalten ihrer Bevölkerungen auseinanderzusetzen und von 'Vor-Urteilen' abzurücken" (XI). Außerdem rückt der Autor von der von ihm 1988 veröffentlichten "Geschichte Australiens" [1] ab, da sich seine eigene Sichtweise seitdem verändert habe. Des Weiteren sei Ozeanien in der früheren Darstellung viel zu kurz gekommen. Ein weiterer Faktor sei die tiefgreifende Wandlung, die jene Nationen in den letzten Jahrzehnten durchgemacht hätten.

Das Buch "Geschichte Australiens und Ozeaniens" überzeugt vor allem durch den gelungenen inhaltlichen und strukturellen Aufbau. Lobenswert ist, dem chronologisch-historischen Überblick eine Einführung in gesellschaftliche und soziale Aspekte voranzustellen. Falls der Leser sich für einen dieser beiden Bereiche interessiert, braucht er nicht das ganze Werk zu durchstöbern. Ferner ist die Unterscheidung der beiden Forschungsgegenstände Australien und Ozeanien, die sich stringent durch das gesamte Werk zieht, als sinnvoll anzusehen. Die Literaturangaben am Ende eines jeden Unterkapitels ermöglichen dem Leser, sich in ein bestimmtes Thema schneller einzulesen. Weiterhin ist das Buch in einer allgemein verständlichen Sprache formuliert. Der Autor verzichtet weitestgehend auf Fachausdrücke und überzeugt durch unkomplizierten Satzbau. Die (zugegebenermaßen wenigen) Abbildungen und Karten sind größtenteils gut in den Kontext integriert und ermöglichen dem Leser, das Geschehen einzuordnen. Einzig zu bemängeln ist der Umstand, dass eine Karte für Ozeanien gänzlich fehlt, dafür jedoch die Seiten 10 und 11 komplett von einer Übersichtskarte Australiens eingenommen werden.

Ein weiterer negativer Aspekt, der Erwähnung finden sollte, besteht in dem recht knapp gehaltenen chronologischen Geschichtsteil. Gerade einmal 70 Seiten reichen dem Autor, um von der ersten Besiedlung Australiens in der Urzeit bis hin zur heutigen Zeit zu kommen. Sicherlich dient dieser historische Abriss nur als ein Überblick und eine Einführung für den Leser. Allerdings kann der Leser "Geschichte" erwarten bei einem Buch mit dem Titel "Geschichte Australiens und Ozeaniens". Eine Geschichte der Ureinwohner Australiens und Ozeaniens fehlt hier größtenteils, auch wenn diese in den Kapiteln "Mensch und Migrationen" sowie "Kultur" kurz angerissen wird. Es drängt sich ein wenig der Eindruck auf, die Geschichte Australiens und Ozeaniens wäre erst ab dem Eintreffen der Europäer interessant. Immerhin gibt die Zeittafel im Anschluss an das Geschichtskapitel noch einige zusätzliche Informationen.

Insgesamt hat der Autor eine hervorragende Einführung in die Geschichte Australiens und Ozeaniens geliefert, die sich besonders gut für Studenten (auch beispielsweise der Politikwissenschaft) als Einstieg in die Thematik eignet. Die wichtigsten Ereignisse in der australischen und ozeanischen Geschichte werden kompakt dargestellt und sind mit vielen weiteren Literaturhinweisen zur Vertiefung ausgestattet. Zudem erweitert Voigts Forschung die deutschsprachige Literatur über Australien und Ozeanien enorm.

Dieses Buch eignet sich jedoch durchaus auch für den interessierten Laien oder für Touristen, die mehr wissen wollen als übliche Reiseführer hergeben. Die politischen, gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhänge gerade der jüngeren Vergangenheit werden nämlich ausgezeichnet beschrieben. Es kann nicht schaden, wenn man in besagte Region reist und beispielsweise über die Vorkommnisse der Aborigine-Diskriminierung Bescheid weiß. Es hilft bestimmt dabei, Land und Leute besser verstehen und einschätzen zu können. Für diejenigen, die sich mit Australien/Ozeanien beschäftigen oder vorhaben, einmal dorthin zu reisen, ist dies ein absolut lesenswertes Buch!


Anmerkung:

[1] Johannes H. Voigt: Geschichte Australiens, Stuttgart 1988.

Wolfgang Gieler