Rezension über:

Lucy Donkin / Hanna Vorholt (eds.): Imagining Jerusalem in the Medieval West (= Proceedings of the British Academy; 175), Oxford: Oxford University Press 2012, XXI + 277 S., 8 Farb-, 60 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-726504-8, GBP 70,00
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Rezension von:
Thomas Pratsch
Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Pratsch: Rezension von: Lucy Donkin / Hanna Vorholt (eds.): Imagining Jerusalem in the Medieval West, Oxford: Oxford University Press 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 10 [15.10.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/10/22140.html


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Lucy Donkin / Hanna Vorholt (eds.): Imagining Jerusalem in the Medieval West

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Von den neun Beiträgen dieses Sammelbandes beruhen acht auf Vorträgen, die auf einer Konferenz gehalten wurden, die im März 2009 unter demselben Titel in Oxford stattfand. Die Beiträge beschäftigen sich, wie der Titel der Konferenz und des Bandes bereits ankündigt, mit dem Bild, das man sich im mittelalterlichen Westeuropa zwischen dem 7. und dem 16. nachchristlichen Jahrhundert von der Stadt Jerusalem und dem sie umgebenden Heiligen Land machte. Dabei geht es einmal um das Bild bzw. die Vorstellung von einzelnen Plätzen und Gebäuden in Jerusalem wie etwa biblischen Stätten, dem jüdischen Tempel oder der christlichen Grabeskirche und zum anderen um die Vorstellung vom Komplex der Stadt und ihrer Umgebung insgesamt. Diese Bilder bzw. Vorstellungen fanden ihren konkreten Niederschlag in Handschriftenilluminationen und frühen Buchdrucken als erklärende Illustrationen zu verschiedenen Texten, in denen Jerusalem und das Heilige Land Erwähnung finden. Bei den dafür in Frage kommenden Texten handelt es sich im wesentlichen um biblische Texte und spätere Kommentare zu biblischen Texten, um Texte zur Kirchengeschichte oder um Pilgerführer für Jerusalem und das Heilige Land. Dabei ist die Bildhaftigkeit dieser Illustrationen recht unterschiedlich ausgeformt. Sie zerfallen im Grunde genommen in zwei große Gruppen, einmal die mehr oder weniger präzisen, aber am originalen Erscheinungsbild angelehnten Zeichnungen von einzelnen Gebäuden, Gebäudeteilen oder ganzen Stadtlandschaften und zum anderen die schematischeren Stadtpläne, Diagramme und Tafeln, Darstellungsformen, die sich etwa für Stationstafeln in den Itineraria für Jerusalem- und Heilig-Land-Pilger recht gut eigneten.

So beschäftigt sich der erste Beitrag von Thomas O'Loughlin mit den Jerusalem-Darstellungen in der Schrift De locis sanctis des Adomnán von Iona. Der nachfolgende Beitrag von Catherine Delano-Smith ist den Jerusalem- und Palästina-Darstellungen gewidmet, die sich im Rahmen der biblischen Überlieferung des Buchs Ezechiel des Alten Testaments und in der Kommentarliteratur zu diesem Buch in verschiedenen Handschriften finden lassen. Der Beitrag von Lesley Smith befasst sich mit den Jerusalem-Darstellungen in dem Bibelkommentar des Franziskanermönchs Nicolaus von Lyra aus dem 14. Jahrhundert, der bereits im 15. Jahrhundert als erster Bibelkommentar auch gedruckt erschienen ist. Im Anschluss untersucht Mary Carruthers die Jerusalem-Darstellungen in einer Handschrift der Bodleian Library in Oxford, nämlich im MS Laud Misc. 156. Auch der nächste Beitrag von Andrea Worm befasst sich mit Jerusalem-Darstellungen in der biblischen Kommentarliteratur, in diesem Fall mit Texten von Peter von Poitiers (12. Jahrhundert) und Werner Rolevinck (15. Jahrhundert). Hanna Vorholt untersucht Jerusalem- und Heilig-Land-Darstellungen in zwei Handschriften aus dem 13. Jahrhundert. Evelyn Edson nimmt dagegen Jerusalem-Darstellungen im Liber secretorum fidelium crucis des Marino Sanudo, eines venezianischen Geographen und Anhänger des Kreuzzugsgedankens aus dem späten 13. bzw. frühen 14. Jahrhundert in den Blick. Schließlich setzt sich Kathryn M. Rudy mit ebensolchen Darstellungen in einem illuminierten englischen Pilgerführer für das Heilige Land auseinander. Etwas andersartig ist dagegen der Zugang von Bianca Kühnel im neunten und letzten Beitrag. Sie beschäftigt sich mit dem Bild bzw. der Vorstellung von Jerusalem und Heiligem Land, wie es in westeuropäischen Nachbauten einzelner Gebäude und Gebäudeteile aus Jerusalem oder in parkartigen Nachbildungen ganzer Landschaften des Heiligen Landes seinen Niederschlag gefunden hat. Solche Imitationen finden sich etwa in Deutschland in Eichstätt, Nürnberg und Görlitz, in Italien in Bologna und Pisa sowie in Valdelsa und Varallo, um nur einige zu nennen.

Der Band ist mit acht farbigen und 62 schwarz-weißen Abbildungen überaus reichlich illustriert. Dem Inhaltsverzeichnis folgt ein Abbildungsverzeichnis, dem schließen sich eine kurze Vorstellung der Herausgeberinnen sowie der acht Autorinnen und des Autors der Beiträge des Bandes, Danksagungen und die Einführung an, zwischen deren Seiten 8 und 9 auch die acht farbigen Abbildungen Platz gefunden haben und zu der auch eine kurze Beschreibung der Ausstellung von Handschriften in der Bodleian Library in Oxford gehört, die anläßlich der eingangs genannten Konferenz durchgeführt wurde. Die 62 schwarz-weißen Abbildungen sind über die nun folgenden neun Beiträge verteilt, die alle in englischer Sprache abgefasst sind. Ein allgemeiner Index und ein Verzeichnis der in den Beiträgen angeführten Handschriften schließen den Band ab.

Insgesamt vermittelt der Band sicherlich keinen vollständigen, aber doch einen repräsentativen Überblick über die Bilder bzw. Vorstellungen von Jerusalem und dem Heiligen Land im mittelalterlichen Westeuropa. Festzustellen bleibt dabei eine gewisse Abstraktion und Distanziertheit dieser Vorstellungen von der tatsächlichen Realität, die weder durch das Pilgerwesen noch durch die Kreuzzüge wesentlich abgemildert wurde. Auch sind diese Vorstellungen häufig anachronistisch und nehmen kaum Rücksicht auf verschiedene Phasen der Stadtentwicklung. Um diese Diskrepanzen abzugleichen wäre die ergänzende Lektüre von Literatur zur Stadtgeschichte Jerusalems und zur Geschichte Palästinas sicherlich hilfreich. [1] Um aber sich selbst ein Bild zu machen, welche Vorstellungen im mittelalterlichen Westeuropa von Jerusalem und dem Heiligen Land vorherrschten, ist der Band sehr zu empfehlen.


Anmerkung:

[1] Empfehlenswerte zusätzliche Literatur: Eckart Otto: Jerusalem - die Geschichte der Heiligen Stadt. Von den Anfängen bis zur Kreuzfahrerzeit, Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1980; Jürgen Krüger: Die Grabeskirche zu Jerusalem. Geschichte - Gestalt - Bedeutung, Regensburg 2000; Colin Morris: The Sepulchre of Christ and the Medieval West. From the Beginnings to 1600, Oxford 2005; Spiegel Geschichte 3 / 2009: Jerusalem. Geburtsstadt des Glaubens; Simon Sebag Montefiore: Jerusalem. Die Biographie, Frankfurt a. M. 2011; Konflikt und Bewältigung. Die Zerstörung der Grabeskirche zu Jerusalem im Jahre 1009, hg. von Thomas Pratsch, Berlin - Boston 2011 (=Millennium-Studien; 32).

Thomas Pratsch