Heiko Brandl / Christian Forster (Bearb.): Der Dom zu Magdeburg. Band 1: Architektur, Band 2: Ausstattung, Regensburg: Schnell & Steiner 2011, 1027 S., teilweise farbig illustriert, ISBN 978-3-7954-2462-6, EUR 169,00
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Wolfgang Schenkluhn / Andreas Waschbüsch (Hgg.): Der Magdeburger Dom im Europäischen Kontext. Beiträge des internationalen wissenschaftlichen Kolloquiums zum 800-jährigen Domjubiläum in Magdeburg vom 1.-4. Oktober 2009 (= MORE ROMANO. Schriften des europäischen Romanikzentrums; Bd. 2), Regensburg: Schnell & Steiner 2012, 456 S., mit 28 Farb- und 286 s/w-Abb., ISBN 978-3-7954-2451-0, EUR 69,00
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Heiko Brandl: Die Skulpturen des 13. Jahrhunderts im Magdeburger Dom. Zu den Bildwerken der Älteren und Jüngeren Werkstatt, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2009
Ulrich Stevens: Burgkapellen. Andacht, Repräsentation und Wehrhaftigkeit im Mittelalter, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003
Iris Berndt: Märkische Ansichten. Die Provinz Brandenburg im Bild der Druckgraphik 1550-1850, Berlin: Lukas Verlag 2007
Rainer Kuhn / Heiko Brandl / Leonhard Helten / Franz Jäger: Aufgedeckt. Ein neuer ottonischer Kirchenbau am Magdeburger Domplatz, Halle/S.: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 2005
Heiko Brandl: Die Skulpturen des 13. Jahrhunderts im Magdeburger Dom. Zu den Bildwerken der Älteren und Jüngeren Werkstatt, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2009
Die anzuzeigenden Veröffentlichungen zum Magdeburger Dom haben Jubiläen zum Anlass, stehen aber in erster Linie in Zusammenhang mit Forschungs- und Ausstellungsprojekten, die den substanziellen Bestand des Bauwerks und seine Stellung in dem weitgespannten Kontext europäischer Architektur- und Kunstgeschichte zum Inhalt hatten. Nach dem Vorangang der Ausstellung "Otto der Große. Magdeburg und Europa" 2001 folgte 2009 die Jubiläumsausstellung "Aufbruch in die Gotik. Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit" unter Bezugnahme auf die Grundsteinlegung für den gotischen Neubau des Domes 1209. Während die Ottonen-Ausstellung und ihre Kataloge noch die großen Namen einschlägiger Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts als Berater verzeichneten, stellt der Gotik-Katalog den Auftritt einer neuen Generation dar, verbunden mit einem interdisziplinär ausgerichteten Paradigmenwechsel in der Forschung. Noch deutlicher wird das in dem von Wolfgang Schenkluhn und Andreas Waschbüsch herausgegebenen Band "Der Magdeburger Dom im Europäischen Kontext". Es handelt sich um einen Sammelband mit 29 Beiträgen von einem Kolloquium, das zwar zu besagtem Domjubiläum 2009 in Magdeburg stattfand, aber dennoch sowohl dem ottonischen wie auch dem staufischen Bau inhaltlich gewidmet war. Die Herausgeber betonen ausdrücklich, keine Neuauflage der internationalen Tagung von 1986, die unter dem Titel "Ottonische Gründung und staufischer Neubau" stattfand, angestrebt zu haben. [1] Vielmehr begründen sie ihre Tagung mit dem "Wunsch der Inventarisierungsgruppe zum Magdeburger Dom nach einer abschließenden Konferenz zum Inventarprojekt, das bis Ende 2009 am Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt wurde." Seit 2011 liegen die beiden Inventarbände in der Bearbeitung von Heiko Brandl und Christian Forster vor.
Ein klassisches Denkmalinventar hat es für Magdeburg und damit auch für den Dom nicht gegeben. Die Autoren nennen im Vorwort als Aufgabe eines solchen "die wissenschaftliche Dokumentation, um Denkmalpflege und Forschung ein solides empirisches Fundament zu liefern." Als ihr Vorbild sehen sie die inzwischen recht selten gewordenen "Großinventare" an, erkennen aber in ihrem Werk den Charakter einer "Denkmal-Monographie", die über jene "im Einzelnen" hinausgehe. Die Gliederung hält sich jedoch im Rahmen der Konvention: Im ersten Band folgen auf das Kapitel I ("Topographie und historische Einführung") die Kapitel II ("Vorgängerbauten") und III ("Architektur"), im zweiten Band Kapitel IV ("Ausstattung"). Vor den Beschreibungen stehen eingehendere Darlegungen zu dem jeweils zugehörigen Geschichtsabschnitt. Wissenschaftsgeschichte ergibt sich aus der Auflistung der "Archäologischen Befunde" von der frühen Neuzeit bis in die 1920er-Jahre. Die einmal gefundene Form der Darstellung wird in beiden Bänden strikt eingehalten. Voran stehen "Bildquellen", "Planmaterial", historische "Quellen", "Literatur" und "Überlieferung" (neuzeitliche Geschichte). Dem folgt die Beschreibung, unterstützt durch eine instruktive Bildzusammenstellung und hervorragende Planzeichnungen. Vielleicht hätte man den jeweiligen Vorspann in der Druckart vom Fließtext absetzen und damit das Lesen doch etwas erleichtern können, und die zugehörigen Anmerkungen wären am Seitenende leichter auffindbar gewesen. Ohne einen farbigen Bildteil kommt heute wohl auch eine wissenschaftliche Veröffentlichung nicht mehr aus, auch wenn er wie im vorliegenden Band zur Architektur nicht notwendig gewesen wäre. Berechtigter ist ein farbiger Bildteil eher im zweiten Band.
Die Dombeschreibung beginnt beim Fundament, dann folgen die einzelnen Bauabschnitte, der Chor mit dem Umgang und den Kranzkapellen, außen und innen, mit einem Schwergewicht auf den Einzelformen, vor allem auf dem "Baudekor", worunter in erster Linie die Kapitelle fallen. Die Bebilderung ermöglicht jedweden Nachvollzug und reizt, die Analyse weiter zu treiben, gäbe es da nicht Richard Hamanns Frühwerk, auf das die Bearbeiter erfreulicherweise immer wieder Bezug nehmen. [2] Die Wertung Hamanns von einer durch Planwechsel verursachten Störung der ursprünglich gewollten gotischen Baustruktur des Binnenchores ("Rumpelkammer älterer Formbestände") übernehmen die Autoren selbstverständlich nicht, mit dem Wissen um den Bedeutungsgehalt von Spolien, von Marmorsäulen mit antikischen Kapitellen und Standfiguren von einem nicht ausgeführten Portal. Für die Chorumgangsempore - der in der bisherigen Forschung wohl am meisten strapazierte Bauteil - wird der landläufige Name "Bischofsgang" nur selten verwendet und die Beschreibung in der geübten Sachlichkeit durchgeführt, die "kunsthistorische Würdigung" hält sich in bescheidenen Grenzen und kommt, wie sonst oft auch, mit der bloßen Nennung eines Zusammenhangs (Walkenried) aus. Das Querhaus, die Osttürme, das Langhaus und die Westtürme sind in der gleichen Weise bearbeitet, immer einschließlich der baugebundenen Skulpturen. Den Abschluss bildet die Klausur.
Der zweite Band, der Seiten und Abbildungen im Anschluss an den ersten Band weiterzählt, beinhaltet als Kapitel IV die Ausstattung. Er beginnt mit den Altären und der "ortsfesten Ausstattung", der Porphyrtaufe, der sechzehneckigen Kapelle einschließlich des thronenden Paares, dem Chorgestühl, dem Lettner und der Kanzel. Den Hauptteil nehmen die Grabmäler und Epitaphien ein, im Dom selbst, auch in der Klausur und in Nebengebäuden. Interessant und spannend ist der Abschnitt 7 ("Bildwerke in Stein"). Das sind eben nicht die baugebundenen Figuren im Chor oder die Jungfrauen in der Paradiesvorhalle, die im ersten Band besprochen worden sind, sondern es sind die frei im Gebäude verteilten Skulpturen von der "Marmormadonna auf Löwe und Drachen" (1220/30) über die "Wundertätige Madonna" (1270/80) bis hin zum Relief der Heiligen Sippe (um 1510/20), ein höchst qualitätvolles Werk, dem die Abhängigkeit von einem Einflussbereich Riemenschneiders im Norden (die Köpfe!) kaum abgesprochen werden kann (833). Die Anhänge enthalten u.a. Tabellen mit Steinmetzzeichen und ein Verzeichnis der Grabstellen im Dom von 1830/31, ferner ein Inventarium von 1838, eine Chronologie der gedruckten Quellen und das Literaturverzeichnis.
Soviel zu den Inventarbänden zum Magdeburger Dom, deren Manuskript 2009 abgeschlossen war. Die Leistung der Autoren und ihres doch recht großen Teams an Mitarbeitern wurde im gleichen Jahr durch die Tagung gewürdigt, deren Protokollband 2012 erschienen ist. Von dem Anschein einer Parallelität zum Kolloquium von 1986 war schon die Rede. Bedenken erübrigen sich angesichts der Forschungsaktivitäten in den beiden letzten Jahrzehnten. Die veränderten Betrachtungsmethoden, die "neuen Ansätze" der geschichtswissenschaftlichen, architektur- und kunsthistorischen Forschung, haben zu vertiefenden An- und Einsichten geführt. Entscheidend waren archäologische Grabungen, die einige Korrekturen von bisher festgeschriebenen Tatbeständen zur Folge hatten, sowie restauratorische Arbeiten und die Bauforschung als neue Disziplin, die allerdings gerade am Magdeburger Dom äußerst kontrovers diskutierte Ergebnisse gebracht hat (Brandl/Forster gegen Rogacki-Thiemann). [3]
Unter den einleitenden zwei "Prolegomena" nimmt Gerd Althoff die "heute gern als Sakralkönigtum bezeichnete Herrschaftsform" als Credo für die Interpretation: "Der Dom war ein Zentralort nicht nur für die Ausübung der christlichen Religion, sondern auch für die Selbstdarstellung." Folglich sei "eine Zuordnung, die religiöse, politische und rechtliche Aktionen im Mittelalter voneinander zu trennen versuchte [...] unbefriedigend und unzureichend", eigentlich sogar unzutreffend, und zwar nicht nur für die Kathedrale, sondern für jedes kommunal genutzte Kirchengebäude im Mittelalter. Der zweite Aufsatz von Christian Forster mit dem etwas abwertend erscheinenden Titel "Was vom Hamann übrig blieb" schildert gut recherchiert die Entstehungsgeschichte von Richard Hamanns fundamentaler Arbeit zum Baudekor des gotischen Doms von 1910, wie viele grundlegende Arbeiten Hamanns umgangen, vergessen oder für überholt gehalten. [4] Forster geht aber mit dem Stoff sympathisch und anerkennend um; der Niederschlag findet sich im Inventarband.
Das zweite Bündel von Vorträgen ist mit "Archäologie und Denkmalpflege" überschrieben. Rainer Kuhn gibt einen Überblick über Grabungsergebnisse zum Domhügel vor 1209 aus der Zeit nach 1990. Das bedeutendste Ergebnis war die neue Deutung der Fundamente auf der Nordseite des Domes als die einer zweiten Kirche und nicht mehr als Reste der von Otto I. in Magdeburg errichteten Pfalz, als welche sie seit Ernst Nickels Grabung 1959-68 galten. Eine Nord- und eine Südkirche bestimmen von nun an das Bild von der ottonischen Bebauung des Domhügels. Folgerichtig geht der Artikel von Paolo Piva dem Problem der "Doppelkathedralen" seit frühchristlicher Zeit nach. Bernd Nikolai vergleicht unter demselben Gesichtspunkt mit Trier. Zusätzlich lenkt er den Blick auf die ottonische Baugestalt der dortigen Kirche St. Maximin als mögliches Vorbild für den zu rekonstruierenden Westbau der Nordkirche in Magdeburg mit zwei gegenständigen Konchen. Die Vergleiche setzt Petr Sommer fort mit Prag (Dom St. Vitus und Frauenstift St. Georg) und mit neuen Erkenntnissen zur baulichen Entwicklung auf dem Hradschin. Bemerkenswert sind die Abb. 65 und 66 von den nach 1920 freigelegten zwei Domkrypten aus dem 11. Jahrhundert, die einen vergleichenden Hinweis auf die Reste der 1049 geweihten Krypta in Magdeburg verdient hätten. Mit dieser befasst sich anschließend Jens Reiche mit einer interessanten Ableitung von Chorflankentürmen und Muldennischen. Spektakuläre neue Erkenntnisse zur Grablege der Königin Editha teilt Rainer Kuhn auf der Grundlage von Ausgrabungen 2006-10 mit. Rita Mohr de Perez und Thomas Coomans beschreiben Denkmalpflege des 19. Jahrhunderts in Magdeburg und in Frankreich.
Erst mit Seite 143 beginnen die Aufsätze zum Neubau des Doms im 13. Jahrhundert. Heiko Brandl stellt die Baugeschichte nach den Ergebnissen der Inventarisationsarbeiten und den langjährigen Baubeobachtungen im Zusammenhang mit seiner Dissertation vor, in klaren und straffen, bisweilen zum Apodiktischen neigenden Formulierungen. [5] Im Wesentlichen handelt es sich um Präzisierungen von schon älteren baugeschichtlichen Feststellungen. Wichtig erscheint mir u.a. das Festhalten an dem Portal, das Adolph Goldschmidt mit den Figurenbeständen an den Wänden des Hochchores rekonstruiert hat, als Westeingang des im gebundenen System ursprünglich geplanten kürzeren Langhauses, dessen Westbau allerdings archäologisch noch nicht nachgewiesen werden konnte. Überraschend sind vielleicht zwei Daten, die Verlegung des Grundsteins schon 1207 oder 1208 und die Vollendung des Bischofsganges bis 1225. Überzeugend ist der postulierte Zusammenhang zwischen den Änderungen an der Chorempore und an der Langhausplanung (Verzicht auf Zwischenstützen und Verdoppelung der Seitenschiffsbreite) "als zwei Seiten eines (neuen) Gesamtkonzepts." Interessant ist der abschließende Hinweis auf die sog. Küsterfigur an der Unterseite der Wendeltreppe im Südwestturm (Abb. 123), die der Autor "stilistisch mit dem Adam-Eva-Kapitell am gegen 1250 errichteten Langhauspfeiler S 8 zusammengehörig" sieht.
Unmittelbar im Anschluss gibt Wolfgang Huschner einen Wirkungsabriss des aus dem thüringischen Haus Käfernburg-Schwarzburg stammenden Erzbischofs Abrecht II. (1205-32) in einer Zeit ständiger Machtwechsel "Zwischen Staufern, Welfen und Päpsten", die den Metropoliten wie auch andere Territorialmächtige fortwährend zu neuer Parteinahme gezwungen haben. Albrecht gelang es dabei, der Magdeburger Kirche neue Privilegien zu gewinnen und ihr Ansehen zu mehren. Danach kann man sich ihn auch als ambitionierten Bauherren für den neuen Dom gut vorstellen, obwohl die politischen Wirren und die häufigen Abwesenheiten Albrechts dem Bauvorgang wohl kaum dienlich waren. Dennoch lassen die häufigen Reisen den Schluss zu - die Übertragung von Mauritiusreliquien aus Burgund 1220 gehört dazu -, dass Anregungen für den Bau aus den zahlreichen Orten Italiens, die Albrechts Itinerarien ausweisen, gewonnen worden sind. Huschner betont dies und plädiert für eine stärkere Berücksichtigung des Südens bei der Suche nach Vorbildern für Magdeburg.
Doch schon der nächste Aufsatz von Dany Sandron gibt auf diese Fragestellung wieder Nordfrankreich den Vorzug mit dem Hinweis auf den Studienaufenthalt Albrechts in Paris. Bruno Klein nimmt dagegen die Hinweise auf Lausanne und Basel (u.a. Bernd Nikolai) auf und bringt sogar den gleichzeitig im Bau befindlichen Westchor des Mainzer Doms mit ins Spiel seiner Analyse, die in der "permanenten Wandlungsfähigkeit des Projektes" stilgeschichtlich "über die ganze Bauzeit hinweg ein Erbe spätromanischer Wurzeln" sieht und den gotischen Neubau für "ausgesprochen ungotisch" erklärt. Lex Bosman geht noch einmal auf die Spolien im Chorbereich als "Bedeutungsträger der Tradition" ein und listet sie im Anhang mit Maßen und Materialangaben auf. Jaqueline E. Jung versucht, den Jungfrauenzyklus am Paradiesportal der europäischen Kunst des 13. Jahrhunderts einzuordnen, wobei nicht so sehr der Faltenstil und die annähernde Freifigur eine Rolle spielen, sondern vielmehr psychologischer Ausdruck und frauliche Körpersprache.
Norbert Nußbaum eröffnet mit seinem Essay "Skizzen zur Architektur des 14. Jahrhunderts" den Abschnitt zum Dom im 14. Jahrhundert. Seine scharfsinnigen Darlegungen wirken wie eine Absage an traditionelle Betrachtungsmethoden von Architektur in der Kunstgeschichte zugunsten einer auf die Rolle und die Vermittlung von Baugeometrien gerichteten Untersuchung, exemplifiziert an der Zisterzienserkirche in Altenberg. Marc Steinmann nimmt die Fassade der westlichen Turmfront und ihre Rezeptionsmuster in Köln und Straßburg erneut in den Blick, ohne mögliche regionale Nachfolge (Prenzlau) für die Argumentation einzubeziehen. Dies tut dafür Jaroslaw Jarzewicz mit seinem Beitrag, der den Magdeburger Dom "als Quelle und Vermittler von Formen und Ideen für die gotische Baukunst in Polen" betrachtet. Er nimmt dabei einen Beobachtungsfaden Hamanns auf, der dem Magdeburger Dom Ausstrahlungen auf ganz Ostmitteleuropa zugeschrieben hat. [6] Jiri Fajt schaut auf die Bildhauer des 14. Jahrhunderts in Mitteldeutschland ("Nürnberg - Magdeburg - Erfurt"), für das Magdeburg ebenfalls ein ausstrahlungspotenter Konzentrationsort gewesen ist. Ein 2003 gemachter Skulpturenfund am Gouvernementsberg in Magdeburg wird in einem Arbeitsbericht von Katrin Steller vorgestellt.
Mit "Reliquien, Liturgie & Memoria" und "Der Magdeburger Dom in der frühen Neuzeit" sind die beiden letzten Vortragsbündel überschrieben. Sie behandeln keineswegs weniger wichtige Forschungsgegenstände als die den Hauptteil des Tagungsprotokolls bildenden Beiträge, sie machen vielmehr ein Defizit der Interdisziplinarität deutlich. Die vergleichende Zusammensicht der ottonischen Kaisergräber in Magdeburg (Otto I.) und Rom (Otto II.) von Sible de Blaauw wirft Licht auf die europäische Weite, zu der Magdeburg spätestens seit dem 10. Jahrhundert gehörte. Mauritius als "Reichsheiliger, Rechtswahrer und Eidhelfer" sowie als Patron des Domes macht diesen zu einem länderübergreifenden Rechtsort, dem anschließend Hans Reinhard Seeliger seine "rechtarchäologische Studie" widmet. Dem Bauwerk ist damit die politische Rolle zugewachsen, die seiner Gestalt entspricht, und das ist mehr als die immer wiederholte "Herrscherrepräsentation". Andreas Waschbüsch analysiert Amtsgenealogie und Stiftergedenken anhand der Putzritzzeichnungen an der Ostwand des Domkreuzganges, und Hartmut Kühne untersucht den Dom als Wallfahrtsstätte im späten Mittelalter. Zur frühen Neuzeit rechnet Markus Leo Mock die Grablege von Erzbischof Ernst (†1513), die große Halle zwischen den Westtürmen mit der prachtvollen Tumba aus der Nürnberger Vischer-Werkstatt von 1495. Markus Hörsch nimmt die "Spielarten der Rezeption des Riemenschneider-Stils" in den nördlichen Teilen Mitteldeutschlands ins Visier mit den bekannten Beispielen in Magdeburg, Halberstadt und Merseburg, und Susanne Wegmann beschließt den Band mit einer Beschreibung des Bildprogramms der Kanzel von 1597, die Christoph Kapup aus Nordhausen geschaffen hat und deren ikonografisches Programm die Autorin "als Aussage zur lutherischen Predigttheorie" verstanden wissen will.
Abschließend doch noch einmal ein Wort zur Tagung von 1986 und zum zugehörigen Protokollband, der erst 1989 herausgekommen ist. [7] Die Tagung fand unter Teilnahme von Wissenschaftlern aus den damals bestehenden zwei deutschen Staaten und mehreren anderen Ländern statt, der Protokollband enthält deren Beiträge. Wie 2009 war es das erklärte Ziel, dem Forschungsstand ein umfassendes Forum zu bieten. Manches Thema ist angeschnitten, das 2009 nicht wiederholt wurde, aber manche Problemstellung war die gleiche. Ein interessanter Aspekt, die architekturgeschichtliche Rolle Magdeburgs für die Entwicklung der Backsteinbaukunst östlich der Elbe, fand 2009 keine Berücksichtigung. Der eingangs angesprochene Paradigmenwechsel bedingt diese Unterschiede, was beide Tagungen und ihre Dokumentationen zu Zeugnissen von Wissenschaftsgeschichte in einer historischen Umbruchphase macht.
Anmerkungen:
[1] Ernst Ullmann (Hg.): Der Magdeburger Dom. Ottonische Gründung und staufischer Neubau (Symposium vom 7.-11.Oktober 1986 in Magdeburg), Leipzig 1989.
[2] Richard Hamann / Felix Rosenfeld: Der Magdeburger Dom. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik mittelalterlicher Architektur, Ornamentik und Skulptur, Berlin 1910.
[3] Birte Rogacki-Thiemann: Der Magdeburger Dom St. Mauritius et St. Katharina. Beiträge zu seiner Baugeschichte 1207-1567. Phil. Diss. Berlin 2005, Petersberg 2007; Dies.: Die Baugeschichte des Magdeburger Domes 1207-1567, in: architectura 37 (2007), 57-82.
[4] Wie Anm. 2.
[5] Heiko Brandl: Die Skulpturen des 13. Jahrhunderts im Magdeburger Dom. Zu den Bildwerken der älteren und jüngeren Werkstatt, Petersberg 2009 (http://www.sehepunkte.de/2011/01/18288.html).
[6] Richard Hamann: Deutsche und französische Kunst im Mittelalter II. Die Baugeschichte der Klosterkirche zu Lehnin und die normannische Invasion, Marburg 1923, 171ff.
[7] Wie Anm. 1.
Ernst Badstübner