Alessandro Brogi: Confronting America. The Cold War between the United States and the Communists in France and Italy (= The New Cold War History), Chapel Hill, NC / London: University of North Carolina Press 2011, XII + 535 S., ISBN 978-0-8078-3473-2, USD 55,00
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Eckart Conze / Martin Klimke / Jeremy Varon (eds.): Nuclear Threats, Nuclear Fear and the Cold War of the 1980s, Cambridge: Cambridge University Press 2017
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Richard Wolin: The Wind from the East. French Intellectuals, the Cultural Revolution, and the Legacy of the 1960s, 2nd ed., Princeton / Oxford: Princeton University Press 2012
Alessandro Brogi, Professor für die Geschichte Internationaler Beziehungen an der University of Arkansas, setzt sich in seinem 2011 erschienenen Werk mit dem schwierigen Verhältnis zwischen der US-Regierung und den kommunistischen Parteien Italiens und Frankreichs im Kalten Krieg auseinander. Beide Parteien waren seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs integrale Bestandteile der jeweiligen politischen Systeme. In der direkten Nachkriegsphase waren sowohl der Partito Comunista Italiano (PCI) als auch der Parti Communiste Français (PCF) Regierungspartei, der PCF wurde in den ersten Nachkriegswahlen im Oktober 1945 gar zur stärksten Partei Frankreichs gewählt. Seit Mitte der 1970er-Jahre standen beide Parteien erneut an der Schwelle zur Regierungsbeteiligung. Während die französischen Kommunisten 1981 als Juniorpartner in die vom Parti Socialiste dominierte Regierung eintraten (bis 1984), konnte sich der PCI durch die Tolerierung der christdemokratischen Regierung Italiens von 1976 bis 1979 ein indirektes Mitspracherecht sichern. Der Einfluss beider Parteien in ihren jeweiligen Staaten, aber auch auf die kommunistische Weltbewegung und die internationale Politik im Allgemeinen ist unbestritten und evozierte in den US-Regierungen wiederkehrende Ängste vor einem Sieg des Kommunismus in zwei zentralen westeuropäischen Staaten. Brogi versucht, in seinem Werk eine Gesamtschau dieses zeitweise bizarren Verhältnisses zwischen den beiden kommunistischen Parteien und der US-Regierung zu liefern. Eindrucksvoll ist die Liste der Archive, die Brogi für seine Monografie besucht hat. Neben den einschlägigen Partei- und Staatsarchiven in Rom und Paris wurden ein Großteil der entsprechenden Presidential Libraries sowie weitere US-amerikanische Archive aufgesucht.
In weiten Teilen ist die Monografie eine Weiterentwicklung einer Publikation des Autors aus dem Jahr 2002, wobei inhaltliche Wiederholungen nicht ausbleiben. [1] Brogis Forschungsschwerpunkt lag bislang auf der Frühphase des Kalten Krieges, und hier hat der Text auch seine Stärken. Detailgetreu zeichnet er die Entwicklung der US-amerikanischen Position gegenüber PCI und PCF nach, wobei die kommunistischen Krisenjahre 1956 und 1968 besondere Berücksichtigung erfahren. Problematisch wird der Text an einigen Stellen, wenn es über Italien, Frankreich und die USA hinausgeht. Das zeigt sich insbesondere im zweiten Teil des Buches. Der Eurokommunismus der 1970er-Jahre lässt sich kaum ohne die Haltung bundesdeutscher und weiterer internationaler Akteure erklären. Hier zeigen sich jedoch Schwächen des Autors. Vor allem die mangelnde Kenntnis der (bundes)deutschen Situation offenbart sich an einigen Stellen. So wird beispielsweise der damalige Außenminister und FDP-Bundesvorsitzende Hans-Dietrich Genscher zum "German Christian Democrat leader" gemacht (333). Auch kann keine Rede davon sein, dass sich Bundeskanzler Helmut Schmidt als Führungsfigur in der SPD durchgesetzt habe (335) - man bedenke nur die innerparteiliche Debatte um den NATO-Doppelbeschluss zu Beginn der 1980er-Jahre. [2] Schließlich ist der Dialog mit eurokommunistischen Parteien, v.a. dem PCI, Ende der 1970er-Jahre nicht zum Erliegen gekommen, weil der Brandt-Flügel in der SPD diskreditiert gewesen wäre (335). [3]
Das Buch ist chronologisch aufgebaut. Allerdings nimmt die Nachkriegsperiode den Großteil der Monografie ein. Mehr als 200 der knapp 400 Textseiten sind den ersten 15 Jahren nach dem Krieg gewidmet. Aufgrund dessen verspricht der Untertitel des Werkes - "The Cold War between the United States and the Communists in France and Italy" - mehr als er halten kann. Denn primär ist das Buch eine Geschichte der Frühphase des Kalten Krieges. Mit lediglich 45 Seiten wird vor allem die aus der Perspektive der US-Regierung hochinteressante Phase der 1970er-Jahre mit den eurokommunistischen Reformversuchen des PCI und des PCF und den beiden prägenden Generalsekretären Enrico Berlinguer bzw. Georges Marchais vernachlässigt. Ebenfalls wenig erfährt der Leser über die Haltung der US-Regierung ab 1980/81. Die Reagan-Ära (1981-1989) und die Regierung von George H.W. Bush (1989-1993) werden nur im Epilog kurz angerissen. Sicherlich ist dieser Zeitabschnitt in seiner Brisanz nicht mit den Nachkriegsjahren oder den 1970er-Jahren vergleichbar. Dennoch hätte eine Erweiterung dieser, in der zeithistorischen Forschung bislang weitgehend ausgeklammerten Zeitspanne das Buch enorm bereichert. Gerade die unterschiedliche Positionierung der beiden kommunistischen Parteien gegenüber den Reformen Michail Gorbatschows und die fortschreitende Entwicklung des PCI hin zur Sozialdemokratie bis zu dessen endgültiger Umwandlung in den Partito Democratico della Sinistra (PDS) im Februar 1991 hätte die Entwicklung beider Parteien seit dem Zweiten Weltkrieg komplettiert und eine Antwort auf die Frage gegeben, inwieweit die eurokommunistischen Reformversuche der 1970er-Jahre ernst gemeint waren oder bloße Taktik darstellten. [4]
Sehr interessant sind die von Brogi in den Text integrierten Abbildungen von Wahl- und Propagandaplakaten, die das Feindbild "USA" beider Parteien deutlich erkennen lassen und sich wahlweise gegen den Marshallplan (120), die NATO (153), den Vietnamkrieg (262), die Inhaftierung von Angela Davies (320), die CIA (329) oder auch Ronald Reagans Strategic Defense Initiative (374) richten. Hiervon hätte man sich noch mehr gewünscht, insbesondere da es bislang an einer Bildgeschichte jener aussagekräftigen Plakate fehlt. Wünschenswert wäre darüber hinaus die Hinzuziehung des Partido Comunista de España gewesen. Vor dem Hintergrund des von der US-Regierung aufmerksam verfolgten demokratischen Transitionsprozesses Spaniens nach dem Tode des Diktators Franco hätte der Blick auf die Haltung gegenüber den spanischen Kommunisten die Perspektive um die Rolle einer kommunistischen Partei in einem potentiellen NATO- und EG-Staat sinnvoll ergänzt.
Zwar ist die Haltung der US-Regierung gegenüber dem Kommunismus in beiden Staaten während der direkten Nachkriegsperiode bereits gut erforscht, dennoch fehlte es bislang an einer Zusammenfassung des Forschungsstands. [5] Brogi hat daher ein neues Standardwerk zur Haltung der US-Regierung gegenüber dem italienischen und französischen Kommunismus während der Frühphase des Kalten Krieges vorgelegt, welches das Forschungsgebiet der Cold War History bereichern wird. Für den Experten auf dem Gebiet der Geschichte des westeuropäischen Kommunismus bringt es jedoch vor allem in der Phase nach 1968 nur in geringerem Maße neue Erkenntnisse.
Anmerkungen:
[1] Alessandro Brogi: A Question of Self-esteem. The United States and the Cold War Choices in France and Italy, 1944-1958, Westport, Conn. 2002.
[2] Friedhelm Boll / Jan Hansen: Doppelbeschluss und Nachrüstung als innerparteiliches Problem der SPD, in: Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. Der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive, hgg. von Philipp Gassert / Tim Geiger / Hermann Wentker, München 2011, 203-228.
[3] Nikolas Dörr: Die Auseinandersetzungen um den Eurokommunismus in der bundesdeutschen Politik 1967-1979, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2012, hg. von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, 217-232.
[4] Eine Minderheit im PCI schloss sich nicht der Umwandlung in den sozialdemokratischen PDS an und gründete den Partito della Rifondazione Comunista.
[5] Vgl. u.a. Alan A. Platt / Robert Leonardi: American Foreign Policy and the Postwar Italian Left, in: Political Science Quarterly 93 (1978), Nr. 2, 197-215; Mario Margiocco: Stati Uniti e PCI. 1943-1980, Rom/Bari 1981; Edward Rice-Maximin: The United States and the French Left, 1945-1949. The View from the State Department, in: Journal of Contemporary History 19 (1984), Nr. 4, 729-747; Frank Costigliola: France and the United States. The Cold Alliance since World War II, New York/Toronto 1992; James E. Miller: Roughhouse Diplomacy. The United States confronts Italian Communism, 1945-1958, in: Storia delle relazioni internazionali 5 (1989), Nr. 2, 279-311; Leopoldo Nuti: The United States, Italy, and the Opening to the Left, 1953-1963, in: Journal of Cold War Studies 4 (2002), Nr. 3, 36-55.
Nikolas Dörr