Frank Metasch: Exulanten in Dresden. Einwanderung und Integration von Glaubensflüchtlingen im 17. und 18. Jahrhundert (= Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde; 34), Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2011, 321 S., ISBN 978-3-86583-137-8, EUR 49,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Bei der Gruppe, der sich Frank Metasch in seiner der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Dresden 2006/07 vorgelegten Dissertation widmet, handelt es sich um die rund 2000 bis 2500 Protestanten, die zwischen 1600 und 1730 in mehreren Wellen vor der habsburgischen Rekatholisierung nach Dresden geflohen waren und sich in der kursächsischen Residenzstadt auf Dauer niederließen. Die Einwanderer kamen vorwiegend aus Böhmen, einzelne Familien aber auch aus Mähren, Schlesien, Österreich und Ungarn. In sozialer Hinsicht markierte das Ende des Dreißigjährigen Krieges eine deutliche Zäsur - nach 1650 entstammten die Migranten größtenteils städtischen und ländlichen Unterschichten. Waren es in den ersten Jahrzehnten vor allem deutschsprachige Exulanten gewesen, die sich nach Dresden begaben, so überwogen seit Mitte des 17. Jahrhunderts Einwanderer mit tschechischer Muttersprache. In seiner quellennahen Untersuchung verfolgt Metasch ein doppeltes Anliegen: zum einen will er den "Einwanderungsverlauf der habsburgischen Migranten mit seinen feststellbaren quantitativen und qualitativen Veränderungen" beschreiben und in die kursächsische beziehungsweise Dresdner Aufnahmepolitik einbetten, zum anderen die "Integration der Einwanderer in die städtische Gesellschaft" (24) näher in den Blick nehmen.
Nicht wenige Ergebnisse der Untersuchung korrespondieren mit den Befunden anderer Fallstudien, die in den letzten Jahren zum breiteren Untersuchungsfeld von Migration und Integration in den frühneuzeitlichen Gesellschaften Mittel- und Ostmitteleuropas vorgelegt wurden: So lässt sich die Auswanderung größerer Gruppen bei Lichte besehen nie auf ein einzelnes Motiv reduzieren; eine bereitwillige Aufnahme der Fremden ist empirisch nur in Ausnahmefällen nachzuweisen; weltliche wie geistliche Behörden, die mit dem Phänomen der Massenmigration nahezu allerorts überfordert waren, fanden nach anfänglichen Einzelfallentscheidungen erst langsam zu Grundsatzbestimmungen; dem sich zunehmend verdichtenden Territorialstaat war in erster Linie an der Kontrolle und Disziplinierung der neuen Untertanen gelegen.
In anderen Bereichen wiederum vermag Metasch deutlich eigene Akzente zu setzen und den bisherigen Kenntnisstand zu erweitern. So weist er zum Beispiel detailliert nach, wo die landesherrlichen und städtischen Interessen deckungsgleich waren beziehungsweise wo die Akteure unterschiedliche Ziele in der Integrationspolitik verfolgten. Erfolgversprechend war auch hier ein abgestimmtes Vorgehen: "Für die Obrigkeit wiederum konnte mit der Integration der Exulanten die Entstehung kontrollfreier Räume verhindert werden, und sowohl das Land als auch die Stadt Dresden profitierten wirtschaftlich von den Immigranten - sei es nun als Konsumenten, Steuerzahler, qualifizierte Handwerker oder billige Lohnarbeiter" (234).
Die Untersuchung, die neben zahlreichen Diagrammen, Tabellen und Abbildungen im Anhang noch genaue biografische Informationen zum Kirchenpersonal der Dresdner Exulantengemeinde enthält und durch ein Personen- und Ortsregister erschlossen ist, hat ihre Stärken vor allem dort, wo es um die minutiöse Rekonstruktion der örtlichen Verhältnisse in Dresden geht. Ob diese das Siedlungsverhalten der Einwanderer ("Wohntopografie"), den Erwerb von Häusern und Grundstücken oder Fragen von Innungsbeitritt und Berufsstruktur betrifft: Hier erhält der Leser eine Fülle neuer, bisher unbekannter Informationen, die eine dichte Beschreibung des Migrations- und Integrationsgeschehens in Dresden erlauben.
Joachim Bahlcke