David Parrott: The Business of War. Military Enterprise and Military Revolution in Early Modern Europe, Cambridge: Cambridge University Press 2012, XVIII + 429 S., 27 s/w-Abb., 10 Karten, ISBN 978-0-521-51483-5, GBP 18,99
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Jan Willem Huntebrinker: "Fromme Knechte" und "Garteteufel". Söldner als soziale Gruppe im 16. und 17. Jahrhundert, Konstanz: UVK 2010
Stephan Selzer: Deutsche Söldner im Italien des Trecento, Tübingen: Niemeyer 2001
Mercedes Blaas (Hg.): Der Aufstand der Tiroler gegen die bayerische Regierung 1809 nach den Aufzeichnungen des Zeitgenossen Josef Daney. Auf der Grundlage der Erstausgabe von Josef Steiner (1909) überarbeitete, vervollständigte und mit Anmerkungen, einer Einführung und biographischen Hinweisen versehene Neuedition, Innsbruck: Universitätsverlag Wagner 2005
Das Buch wird als ein größerer neuer Versuch angekündigt, die frühneuzeitliche militärische Revolution und das Verhältnis zwischen Kriegführung und Staatsmacht in dieser Zeit darzustellen. Es sind in der europäischen Geschichte die Jahrhunderte, in denen privates Kriegsunternehmertum und Söldnertum bisher unbekannte Höhepunkte erreichten.
David Parrott geht diesen Versuch in zwei großen Abschnitten an. Im ersten Teil beschreibt er die Grundlagen des Kriegsgeschäfts und ihre Ausweitung im Zeitraum von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Im zweiten Teil geht es dann um den Söldnerunternehmer im Krieg und das Kriegsgeschäft in all seinen Facetten.
Zunächst wird die europäische spätmittelalterliche militärische Ausgangslage dargelegt. Ein erster Blick gilt den in der traditionellen Forschungsliteratur oft gar nicht beachteten Ausnahmen: den Kosakengemeinschaften als Möglichkeit Russlands und Polens, der osmanischen Expansion zu begegnen, den Uskokengemeinden, die das Haus Habsburg zu demselben Zweck einzusetzen trachtete. Dass söldnerische Kriegführung auch die Verpflichtung privater Seestreitkräfte beinhaltete, wird ebenfalls gesehen. Die Bandbreite ist erheblich: von privat finanzierten Johannitergaleeren über genuesische Kaufleute als Flotteneigner bis zu englischen Freibeutern wie Walter Raleigh.
Als die drei Hauptsäulen, die die Grundlagen des europäischen Kriegswesens im Spätmittelalter bis in die Frühe Neuzeit hinein bilden, werden die italienischen Condottieri, die Schweizer Reisläufer und die Landsknechte gesehen. Das Zeitalter der Condottieri charakterisierte die condotta (Vertrag) und ihre oft sehr unterschiedlichen Bestimmungen, um deren genaue Auslegung es ging im Verhältnis von Kriegsherr und Condottiere, ganz besonders in Finanzierungsfragen.
Das Geschäft bestimmte auch das Schweizer Söldnerwesen. Die Söldnerelite Europas zeichnete die Kooperation ihrer Anführer ebenso aus wie das Selbstverständnis ihrer Fußknechte als dem Krieg und dem Sieg verpflichtete, furchterregende Kampfverbände. Problematisch für anwerbende Kriegsherren war der Vertragsabschluss. Neben dem Kanton oder der eidgenössischen Konföderation als Vertragspartner gab es auch den Privatvertrag mit erfahrenen und berühmten Hauptleuten. Immer mehr wurden aber die im Laufe des 16. Jahrhunderts entstehenden Familienunternehmen die Geschäftspartner der Kriegsherren.
Landsknechte waren unter vielen Aspekten dem Schweizer Vorbild ähnlich. Söldnerunternehmer spielten auch hier eine wichtige Rolle, waren allerdings nur in wenigen Fällen mit den Schweizer Familienunternehmen vergleichbar. Ein unter Geschäftsaspekten wesentlicher Unterschied ist die Frage der Quantität. Landsknechte waren in ganz anderen Größenordnungen anwerbbar als Schweizer.
Etwa von 1560-1620 erreichten das Kriegsgeschäft und die dafür aufgewendeten Summen neue Dimensionen. Bevölkerungswachstum ermöglichte die Aufstellung größerer Heere oder Flotten. Fortschritte bei der Schiffsartillerie und beim Renaissancefestungsbau waren mit hohen Kosten verbunden. Söldner wurden in dieser Zeit in ganz Europa "als schlachtenentscheidende Waffe" (77) empfunden, sei es in den französischen Religionskriegen, sei es in den kriegerischen Auseinandersetzungen der spanischen Krone mit den Generalstaaten, sei es im "Langen Türkenkrieg".
Alternativen zur Kriegführung mit Söldnern wurden von einigen Zeitgenossen durchaus gesehen: Machiavelli hatte bereits vom Söldnertum abgeraten, Justus Lipsius empfahl die Bürgermiliz. Die Kostenersparnis (45 % des Söldnerheeres) war ein überzeugendes Argument für die Miliz, der militärische Wert ein ebenso überzeugendes dagegen. Mit Ausnahme der schwedischen Armee, die zum Teil aus ausgehobenen Regimentern bestand, blieben solche Überlegungen aber Gedankenspiele.
Der Dreißigjährige Krieg brachte dann die Blütezeit des Kriegsunternehmertums und des Kriegsgeschäfts überhaupt. Söldnerunternehmer gab es nun in drei Kategorien: die mehr oder weniger auf eigenes Risiko und eigenen Gewinn Agierenden, unabhängig von jeglicher staatlicher Autorität (z. B. Ernst von Mansfeld). Diesen standen jene Unternehmer gegenüber, bei denen eine staatliche Verwaltung die wesentliche Rolle dabei spielte, die Regimenter zu unterhalten, obwohl verschiedenstes privates Engagement zur Organisation und Finanzierung der Truppen möglich und erwünscht war (z. B. in den Armeen Dänemarks und Bayerns). Und zwischen diesen beiden Grundformen existierten zahlreiche Armeen und Flotten, bei denen privates Engagement und private Entscheidungen von erheblicher Bedeutung waren, eingebettet allerdings in einen staatlichen Rahmen aus Autorität und Versorgung (die kaiserliche Armee unter Wallenstein).
Das Geschäft endete nicht mit dem Dreißigjährigen Krieg. Die Versorgung von Söldnereinheiten in Garnisonen war weiterhin großes "Business of War" mit Waffen und Ausrüstung, Uniformen und Lebensmitteln. Wenn auch die Armeen nun europaweit unter die Souveränität der Herrscher kamen, ihre Versorgung blieb privatem Unternehmertum vorbehalten.
David Parrott hat ein außergewöhnliches Buch vorgelegt. Seit Fritz Redlichs 'Military Enterpriser' von 1964 [1] gibt es zum Kriegsgeschäft keine große Darstellung des Kriegsgeschäfts mehr und schon gar keine, die so umfassend den Forschungsstand des seither vergangenen halben Jahrhunderts miteinbezieht. Er hat aber darüber hinaus den Begriff des Kriegsgeschäfts - zutreffend und notwendig - erweitert: Nicht nur die Söldner- und Kriegsunternehmer zu Land und zu Wasser stehen im Fokus, sondern auch der ganze Bereich der militärischen Finanzierung, Zulieferung, Bewaffnung und Entwicklung bis hin zu den Kleinstunternehmern (Marketender, Sudler etc.). Dass ihm dies tatsächlich mit einem europaweiten Blick gelingt, ist eine Leistung, auf die die zukünftige Forschung wohl gerne zurückgreifen wird.
Insofern sind einige Schwachpunkte wirklich überraschend. Dass Parrott in seinem Condottierikapitel die nicht unerheblichen neuen Forschungsergebnisse Heinrich Langs [2] nicht berücksichtigt, obwohl er ihm zumindest durch den zitierten Sammelband 'Rückkehr der Condottieri' [3] hätte auffallen müssen, mag insgesamt wenig schwerwiegend erscheinen. Gravierend allerdings ist, dass Parrott im selbst und zu Recht gesteckten Zeitrahmen 1450-1650 die für den mitteleuropäischen Raum in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts so wesentlichen und bestimmenden böhmischen Söldner gar nicht zur Kenntnis nimmt. Hier hätten die maßgeblichen Forschungsergebnisse Uwe Tresps durchaus zusätzliche und wichtige weitere Aspekte des Kriegsgeschäfts geliefert. [4]
Davon abgesehen ist 'The Business of War' allerdings ein beindruckendes Werk. Eine solche Analyse des Kriegsgeschäfts mit durchdachten Rückschlüssen und Folgerungen hat man in dieser Form bisher nicht gelesen. Ob allerdings das Buch den historischen Kontext zu aktuellen Debatten über die Rolle des privaten Unternehmertums in der gegenwärtigen Kriegführung auf diesem Erdball liefern kann (Klappentext), muss bezweifelt werden. Zwischen dem Kriegsgeschäft frühneuzeitlicher Jahrhunderte und privaten Militärfirmen wie Blackwater (bzw. Xe) liegen politisch-gesellschaftliche Entwicklungen, die einen Vergleich fast unmöglich machen bzw. geradezu verbieten und die mit Schlagwörtern wie Nationalstaat und Nationalarmee, Demokratisierung und Globalisierung nur unvollkommen charakterisiert werden können. Die durch diese Entwicklungen in der Weltgesellschaft geradezu normierte Ablehnung von Söldnerverwendung und Kriegsgeschäft (5) dürfte auch durch den von Parrott gelieferten historischen Kontext unumkehrbar sein.
Anmerkungen:
[1] Fritz Redlich: The German Military Enterpriser and his Work Force. VSWG Bd. 47/48, Wiesbaden 1964.
[2] Heinrich Lang: Cosimo de' Medici. Die Gesandten und die Condottieri, Diplomatie und Kriege der Republik Florenz im 15. Jahrhundert, Paderborn 2009.
[3] Stig Förster / Christian Jansen / Günther Kronenbitter (Hgg.): Rückkehr der Condottieri. Krieg und Militär zwischen staatlichem Monopol und Privatisierung: Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2010.
[4] Uwe Tresp: Söldner aus Böhmen, Im Dienst deutscher Fürsten: Kriegsgeschäft und Heeresorganisation im 15. Jahrhundert, Paderborn 2004.
Reinhard Baumann