Beat Näf: Testimonia Alt-Paphos (= Ausgrabungen in Alt-Paphos auf Cypern; Bd. 8), Mainz: Philipp von Zabern 2013, XVIII + 116 S., ISBN 978-3-8053-4579-8, EUR 49,00
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Testimonia-Bände ausgegrabener Orte stellen zumal für Althistoriker und für Erforscher der Geschichte der Altertumsforschung besonders wertvolle Hilfsmittel dar. Daher wird man von vornherein den nun erschienenen Testimonia-Band der Ausgrabungen von (Alt-)Paphos begrüßen. Dies wird man umso mehr tun, als Paphos nicht irgendeine Stadt, sondern durch sein Heiligtum für die von Griechen und sodann Römern Aphrodite / Venus genannte große Zyprische Göttin für die gesamte Insel und darüber hinaus zeitweise für den ganzen Mittelmeerraum bedeutend gewesen ist.
Zunächst sei auf das hingewiesen, was dieser Band nicht enthält: Von den vielen griechischen Inschriften aus diesem Ort, insbesondere aus dem Heiligtum, sind die silbenschriftlichen bereits in einem anderen Band der Paphos-Ausgrabungsreihe erschienen, die alphabetisch geschriebenen werden in absehbarer Zeit veröffentlicht. [1] Berücksichtigt sind indes z. B. assyrische Inschriften wie die des Königs Asarhaddon, in der unter den zyprischen Königen auch der paphische Herrscher Ituander (Eteandros) aufgeführt ist (23). Münzen sind zwar berücksichtigt, jedoch nicht fotografisch wiedergegeben. Bildliche Quellen wie Lageskizzen, historische Karten oder gar Gemälde sind ebenfalls nicht in die Sammlung aufgenommen. [2] Der Wert des Testimonia-Bandes liegt daher nicht in der Sammlung, Übersetzung und Kommentierung dokumentarischer, sondern literarischer Quellen.
Die Gliederung einer Testimoniensammlung ergibt sich nicht von allein, und eine thematische Gliederung wird zur Folge haben, dass dasselbe Testimonium an zwei oder mehreren Stellen zitiert bzw. auf sie rückverwiesen werden muss. Näf hat unterschiedliche Kriterien gewählt: Zunächst präsentiert er Zeugnisse zu einem Sachgebiet, nämlich zur Geographie einschließlich der für das Verständnis der Geschichte der Städte Zyperns so folgenreichen Erdbeben (Kap. I). Es folgen Zeugnisse über einzelne Personen sowie Mythos und Kult (Kap. II). Dieses Kapitel hat indes nur die Funktion einer Übersicht, weil Näf diese Gegenstände und Personen in Kapitel III ausführlich behandelt, das den antiken Testimonia gilt. Zwei Kapitel mit mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen und neuzeitlich-modernen Texten bis zum Jahr 1913 (IV und V) schließen sich an. Folgen die mittelalterlichen und neuzeitlichen Texte einer einfachen Chronologie, nämlich der ihres Entstehens bzw. der Lebenszeit ihrer Autoren, so gilt das nicht für die Anordnung der antiken Texte: Hier folgt Näf, wie dies bereits die unterschiedlichen Überschriften der Lemmata zeigen, teils der Chronologie der Werke bzw. Autoren wie "Hymni Homerici" oder "Hesiod" (27, 30), teils der von historischen Personen, Gegenständen oder Ereignissen wie "Timarchos und sein Sohn Nikokles (vor 321-306)" (37-38), das übrigens vor dem Zeugnis "Aristoteles (384-323): Zum kyprischen Königtum; zu Timarchos, Nikokles, Agapenor und einer zweifüßigen Schlange in Paphos" (39-40) steht, oder "Erdbeben 77 n. Chr.(?)" (53). Die Suche des Lesers nach etwas Bestimmtem wird dadurch schwierig, zumal kein Index beigegeben ist. Man wäre wohl besser auch hier ausschließlich der Chronologie der Zeugnisse und ihrer Autoren gefolgt, hätte die Texte durchnummeriert und eine Liste der historischen Personen, Gegenstände und Ereignisse unter Angabe der jeweiligen Testimoniennummern beigefügt.
Näf übernimmt soweit möglich gedruckte Übersetzungen. Seine reich durch Literatur gestützten Kommentare wird man gern nutzen. Nur ein Punkt sei hier kritisiert: Dass Näf (37-38) immer noch dazu tendiert, die bei Diodor 20,21 und Polyaen 8,48 erzählte Geschichte vom Selbstmord des Nikokles und seiner Familie auf Nikokreon von Salamis zu beziehen, und wohl deswegen die beiden Texte nur nennt, aber nicht wiedergibt, sollte nach dem von ihm zitierten Aufsatz Helga Gesches aus dem Jahr 1974, weiterer von ihm zitierter Literatur, sodann der von ihm nicht zitierten Arbeit von Catheryn L. Cheal und schließlich einer Arbeit des Rezensenten ad acta gelegt sein. [3] Mit großem Gewinn und auch Vergnügen wird man die unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Interessenhorizonte der mittelalterlichen und neuzeitlichen Reisenden und Forscher kennenlernen und vergleichen.
Anmerkungen:
[1] Olivier Masson / Terence B Mitford: Les inscriptions syllabiques de Kouklia-Paphos. Ausgrabungen in Alt-Paphos auf Cypern, Band 4, Konstanz 1986. Das ist nun bald dreißig Jahre her. Die Edition der alphabetischen Inschriften wird von Anne Kolb vorbereitet. Vor allem aber wird derzeit innerhalb der "Inscriptiones Graecae" (Band 15) sowohl die Edition der zyprischen Syllabar-Inschriften als auch die der zyprischen Alphabet-Inschriften in getrennten Bandteilen betrieben.
[2] Vgl. etwa die 1878 von Edmond Pottier gezeichnete Grundrissskizze des Heiligtums der Aphrodite, abgedruckt bei Antoine Hermary: Die Franzosen und die Archäologie auf Zypern, in: Sabine Rogge (Hg.): Zypern und der Vordere Orient im 19. Jahrhundert. Die Levante im Fokus von Politik und Wissenschaft der europäischen Staaten. Symposium, Münster 27.-28. Oktober 2006, Münster etc. 2009, 101-113, hier 110, oder einige Karten im Kalender der Bank of Cyprus für 2003, dessen Monatsbilder ausschließlich historische Karten Zyperns bzw. des Mittelmeers oder der Levante mit Zypern wiedergeben. Bei den Landkarten ist freilich die Bemerkung Franz Georg Maiers im Vorwort des hier besprochenen Bandes zu berücksichtigen, dass die geographische Lage von (Alt-)Paphos und seinem Heiligtum vergessen bzw. fälschlich mit der des Kastells "Saranda Kolones" nahe dem Hafen von (Neu-)Paphos gleichgesetzt worden war und erst 1519 von Ludwig Tschudi (wiedergegeben 77) wieder richtig erkannt wurde.
[3] Catheryn L. Cheal: Early Hellenistic Architecture and Sculpture in Cyprus: Tumulus 77 at Salamis, Diss Brown University, Providence 1978; Andreas Mehl: Zypern und die großen Mächte im Hellenismus, in: Ancient Society 26, 1995, 93-132, hier 104-109. Näf zitiert hingegen aus der - nach Aussage griechischer Kollegen unzureichenden - griechischen Übersetzung in der Istoria tes Kyprou, Band II, 2000 und nennt die Seiten 633-635. Damit blendet er - wissentlich oder unwissentlich - die erst auf den Seiten 636-637 gebotene archäologische Diskussion um den Grabhügel 77 von Salamis aus, der zeitweise ebenfalls, und zwar zu Unrecht, für die Übertragung der Geschichte des Selbstmordes von Nikokles und Paphos auf Nikokreon und Salamis hat herhalten müssen.
Andreas Mehl