Peter-Michael Hahn: Friedrich II. von Preußen. Feldherr, Autokrat und Selbstdarsteller (= Kohlhammer Urban Taschenbücher; Bd. 658), Stuttgart: W. Kohlhammer 2013, 268 S., ISBN 978-3-17-021360-9, EUR 22,90
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Das große Jubiläum des preußischen Königs Friedrich II. im Jahr 2012 liegt nun hinter uns. Die wissenschaftliche Bilanz ist in Relation zu den zahlreichen Konferenzen, Ausstellungen und Publikationen wohl eher bescheiden. Schließlich galt es in erster Linie, die Kassen der Museen, Theater, Opern usw. zu füllen und das weit verbreitete populärwissenschaftliche Interesse vieler Leser zu stillen. Für innovative Forschungsprojekte oder zeitgemäße neue Quelleneditionen fehlte nicht nur das Geld. Immerhin war Friedrich mal wieder in aller Munde und als kulturelles Event profitierten davon auch abgelegene Kultureinrichtungen.
Quasi im Nachgang erschien das hier zu besprechende Taschenbuch, das Friedrich II. von Preußen als Feldherr, Autokrat und Selbstdarsteller in typisch Hahnscher Weise, also mit viel Ironie, Sarkasmus und Spott, darbietet. Peter-Michael Hahn, Inhaber des Lehrstuhls für Landesgeschichte an der Universität Potsdam, will nicht bilanzieren oder die vorliegenden Forschungen auf ein Taschenbuchformat zusammenfassen, sondern "in drei Schritten biographisches Wissen und Friedrich-Rezeption unter verschiedenen Aspekten" miteinander verbinden, "um ein möglichst komplexes Bild der Regentschaft dieses ungewöhnlichen Königs zu entwerfen" (15).
Einleitend ruft uns der Autor die verschiedenen Epochen der Idealisierung der "'Markenpersönlichkeit, Friedrich der Große'" ins Gedächtnis und betont, dass uns der Mythos dieses Königs eine unvoreingenommene Annäherung an diese Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts kaum ermöglicht. Im 2. Kapitel werden die wichtigsten, dem kundigen Leser bereits bekannten Stationen und Wendepunkte im öffentlichen Leben dieses Monarchen kurz beschrieben. Die Auswirkungen der Kurzsichtigkeit Friedrichs und seiner vermeintlichen Homosexualität kommen hier ebenso zur Sprache wie der in Königsdynastien durchaus nicht untypische Vater-Sohn-Konflikt. Allerdings behandelte der Soldatenkönig seinen Erstgeborenen bekanntlich besonders schlecht. Welche Folgen das schwierige Verhältnis von Vater und Sohn für die Entwicklung und die Charakterbildung des Thronfolgers hatte, wird nicht thematisiert. Die Entwicklungspsychologie hat ja auch in einem biografischen Abriss nichts verloren. Der Autor hält sich an die Fakten und an die Informationen, die der gehobene Adel aus der näheren Umgebung Friedrichs so preisgab. Dem Abschnitt "Militärischer Ruhm und politische Konsolidierung (1740-1756)" folgt die lange Zeit von 1757 bis 1786, die Hahn als "In der Defensive" betitelte. Damit gibt er eine eigenwillige Blickrichtung vor, die natürlich mit der borussischen Geschichtsschreibung kaum vereinbar ist. Am Ende dieses Kapitels betont Hahn, dass sich Friedrich um seinen Nachruhm nicht wirklich sorgte, zumal ihn die Sprache und der Lebensstil von seinen Untertanen zeit seines Lebens trennten (128). Schließlich wollte Friedrich ja auch nicht zum Volk sondern zur Gelehrtenrepublik seiner Zeit gehören, und dieses Anliegen verfolgte er vehement.
Im 3. Kapitel werden Facetten seines Herrscherlebens präsentiert. Feldherr und Theoretiker des Krieges; Bauherr, Sammler und Kunstliebhaber; sowie Schriftsteller und Biograph in eigner Sache - so sind die inhaltlichen Schwerpunkte bezeichnet. In vielen Biografien werden die "Widersprüche" (Schieder) dieses preußischen Königslebens thematisiert. Doch in einer Zeit, in der Kriege und Machtstreben zum Alltag eines Herrschers gehörten, nehmen nur die Nachgeborenen am Verhalten Friedrichs Anstoß. Für seine Zeitgenossen - und für diese Perspektive plädierte auch Ewald Frie in seiner Friedrich-Biografie - verhielt sich dieser König ganz normal. Auch Peter-Michael Hahn meint, dass Friedrichs "Verständnis vom Beruf des Königs" durchaus den Literaten / Musiker und den Feldherrn, der brutal Krieg führte und sein Land bis an den Rand des Ruins brachte, problemlos vereinte (129). Als Herrscher des 18. Jahrhunderts baute er seine Residenzlandschaft nach französischem Vorbild zielgerichtet aus, sammelte Kunst und erfreute sich an ihr. Das Geld dafür musste eben beschafft werden. Während man an anderen Höfen schon zum Klassizismus überging, blieb Friedrich dem Rokoko bis an sein Lebensende treu. Der alternde Monarch zehrte von seinem Wissen aus Jugendtagen, neuere Trends erreichten ihn nicht mehr. Friedrich ruhte in sich und er schrieb, um der Nachwelt seine Sichtweise auf die militärischen und politischen Verhältnisse seiner Zeit zu vermitteln. Seine Strategie funktionierte, wie das Jubiläum 2012 zeigte. "Wer schreibt, der bleibt" anders im Gedächtnis der Nachgeborenen als Herrscher, die eben nicht zur Feder griffen. Friedrich II. war und ist "Ein langes Nachleben" (4. Kapitel) beschert worden, weil - so vermittelt es uns der Autor - er zum einen im Gedächtnis der deutschen Protestanten eine besondere Rolle spielte und zum anderen viele Historiker das ihre dazu beitrugen. Abschließend diskutiert Hahn die Frage, ob Friedrich ein deutscher König ist und das nationale Empfinden mitprägte. Mit Blick auf die Feierlichkeiten, "ein von den lokalen Landesfürsten getragener Staatsakt, der Friedrich, den stolzen Hohenzollernkönig - eher ungewollt - in der bundesdeutschen Provinz einsortiert hat" (244), endet der biografische Abriss.
Literatur und Anmerkungen spiegeln die subjektive Sichtweise Hahns gewollt wider. Ein Personenregister ermöglicht die gezielte Suche, die mit dem großen Gelehrten des 18. Jahrhunderts Thomas Abbt, einem Freund Moses Mendelssohns, der natürlich hier weder konfessionell noch als Gelehrter oder Wirtschaftsakteur eine Rolle spielte, beginnen und mit dem Philosophen Christian Wolff enden könnte. Wahrlich - ganz im Sinne des "Gelehrtenkönigs".
Dieses Taschenbuch bietet dem geneigten Leser einen facettenreichen und sachkundigen Einblick in ein besonderes Königsleben des 18. Jahrhunderts mit eigenwilligen Schwerpunktsetzungen und erfrischend anderen historischen Deutungen. Es liest sich durchgehend gut, nicht nur wegen der Neologismen und der unterhaltsamen Ironie. Auch in diesem Buch schimmert wieder Kritik des Lehrstuhlinhabers an der Landespolitik durch die Zeilen. Wofür sollte das Land Geld ausgeben? Für solide wissenschaftliche Forschungen oder für museales Eventmanagement - das ist nicht nur hier die Frage.
Brigitte Meier