Wolfgang Schmale (ed.): Time in the Age of Enlightenment. 13th International Congress for 18th-Century Studies (= Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts; Bd. 27), Bochum: Verlag Dr. Dieter Winkler 2012, 364 S., ISBN 978-3-89911-189-7, EUR 55,50
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Der 27. Band des Jahrbuchs der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts (OGE 18) steht im Zeichen des 2011 von der OGE 18 für die International Society for Eighteenth-Century Studies (ISECS) in Graz ausgerichteten 13. Internationalen Kongresses zur Erforschung des 18. Jahrhunderts. Fast eintausend Teilnehmer aus über fünfzig Ländern, die in fünf Tagen über 950 Vorträge in Französisch, Englisch oder Deutsch präsentierten, nahmen am Weltkongress teil, der unter den beiden Generalthemen "Die Zeit in der Ära der Aufklärung: Gegenwartsvorstellungen und Zukunftskonzepte" und "Mittel- und Osteuropa im Zeitalter der Aufklärung" stand. Im Vorfeld fanden neben dem "Early Career Scholar's Seminar" der ISECS zwei 2009 und 2010 von der OGE 18 organisierte Workshops für Nachwuchswissenschaftler statt, deren Teilnehmer auch mit Vorträgen auf dem Kongress selbst vertreten waren. [1]
Mit einem Geleitwort des scheidenden Obmanns der OGE 18, Wolfgang Schmale, und einem knappen Kongressbericht von Christoph Gnant, der einen Blick hinter die Kulissen der Kongressorganisation gewährt, wird der aktuelle Jahresband eingeleitet.
Der erste Teil des Jahrbuches ist dem Generalthema der Zeitvorstellungen in der Aufklärung gewidmet und versammelt sieben Beiträge, darunter die drei Plenarvorträge und erfreulicherweise zwei Vorträge von Nachwuchswissenschaftlern aus dem "ISECS Early Career Scholar's Seminar".
Eröffnet wird diese Kongressrubrik mit dem französischsprachigen Plenarvortrag von Jean Mondot (17-34) über das neue Verständnis von und die Sicht auf Zeit in den 1780er Jahren. Der deutschsprachige Plenarvortrag ist musikwissenschaftlich ausgerichtet (35-43). Harald Haslmayr beschäftigt sich darin mit dem historischen Quellenwert musikalischer Kunstwerke und fragt danach, was die Frage nach dem "kulturellen Gedächtnis" und der spatial turn - die sich in der Untersuchung der "Gedächtnisorte" zusammenfänden - für die Betrachtung von Musik bedeuten. Haslmayrs Fallbeispiele werden dabei an sechs Tonbeispielen festgemacht, die beim reinen Lesen - im Gegensatz zum musikalisch untermalten Vortrag - etwas an ihrer Kraft einbüßen. Knud Haakonssen (45-57) dagegen widmet seinen englischsprachigen Plenarvortrag der Räumlichkeit des Naturrechts in der Aufklärung.
Aus den Reihen der Nachwuchswissenschaftler wurden zwei französischsprachige Vorträge aufgenommen. Stéphanie Roza (59-68) nähert sich dem Kongressthema "Zeit" über den französischen Philosophen Gabriel Bonnot de Mably und dessen republikanischen Vorstellungen. Adeline Gargam (69-80) kann in ihrer Untersuchung über den Schutz vor Krankheiten und sozialen Gefahren durch die weibliche Gelehrsamkeit im Diskurs der Aufklärung feststellen, dass der intellektuelle und literarische Diskurs der Aufklärung Träger einer sehr konservativen Ideologie war, die die Auffassung vertrat, Frauen seien nicht zum Denken oder Studieren geschaffen, und damit als Bollwerk gegen den geistigen Aufbruch der Frauen diente.
Als Beispiel für einen der zahlreichen Sektionsvorträge wurde der reich bebilderte kunsthistorische Vortrag von Michael Wenzel (81-115) ausgewählt, der sich mit den Anfängen der Kunst- und Kulturguterhaltung anhand des Entwurfes eines Deckengemäldes für die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel aus dem Jahre 1714 befasst. Abgerundet wird der erste Teil durch einen knappen Sektionsbericht über die Zeitkonzeption in den Medien des 18. Jahrhunderts von Esther-Beate Körber (113-115), der stellvertretend für die über 140 Sektionen des Kongresses stehen kann.
Die Aufsätze und Miszellen nehmen mit acht Beiträgen den größten Raum des Jahrbuches ein. Über die Armenfürsorge in Südmähren zwischen 1700 und 1789 informiert der Beitrag von Tomáš Malý (119-135). Einen schönen Einblick in die finanziellen Verbindungen zwischen Brüssel und Wien zur Zeit Maria Theresias liefert Marie-Laure Legay (137-160).
Im Mittelpunkt des Beitrages von Simon Karstens steht der Herrschaftsbeginn Karls VI. in den südlichen Niederlanden im Jahre 1716 und die damit einhergehenden Inklusions- und Exklusionsprozesse, bei der die Exklusionspolitik Karls VI. an vier Fallbeispielen, den Anhängern Philipps von Anjou, den protestantischen Garnisonstruppen, den protestantischen Einwohnern und den katholischen Jansenisten untersucht wird.
Domenica Elisa Cicalas Beitrag (197-212) behandelt die Erinnerungen des Juristen, Historikers und Schriftstellers Pietro Giannone an dessen Zeit am Wiener Kaiserhof zwischen 1723 und 1734 in dessen "Vita", während Bernhard A. Macek eine sechsteilige Bilderserie zur Krönung Josephs II. im April 1764 zum römischen König in Frankfurt - bedauerlicherweise ohne Bebilderung - vorstellt (213-225). Einen Beitrag zur Biografie des langjährigen österreichischen Vizestaatskanzlers Philipp Graf von Cobenzl leistet Christian Hlavac (227-241).
Mit dem Beitrag von Guglielmo Gabbiadini über die Antikenrezeption des jungen Wilhelm von Humboldt (243-256) wurde ein weiterer Vortrag aus dem ISECS-Nachwuchsworkshop in den Band aufgenommen. Friedrich Wilhelm Schembor (257-290) thematisiert den von Kaiser Franz I. vereitelten Plan des Erzherzogs Franz IV., Italien von Sardinien und Sizilien aus, durch die Lieferung von Waffen und Freiwilligen und mit finanzieller Hilfe aus England, in Revolution gegen die napoleonische Herrschaft zu bringen.
Hieran schließen sich drei Forschungsberichte an: Harald Heppner und Dorin Rus präsentieren die Planungen eines im Dezember 2011 begonnenen FWF-Projektes (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) zum Verhältnis zwischen dem Wald und der habsburgischen Ressourcenpolitik in Transsylvanien. Wolfgang Schmale, Marion Romberg, Josef Köstlbauer und Martin Gasteiner berichten von einem ebenfalls vom FWF geförderten Projekt, einer Diskurs- und kunsthistorischen Analyse von Allegorien der vier Kontinente im Süden des Heiligen Römischen Reiches, während Thomas Wallnig einen Einblick in die Ergebnisse der ersten FWF-Förderphase des Projektes "Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik. Die Korrespondenz der Brüder Pez" gewährt.
Abgeschlossen wird der Band durch einen ausführlichen Literaturbericht Wolfgang Schmales zur Geistes- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts sowie von elf Rezensionen neu erschienener Werke.
Alles in allem wurde ein vielseitiger, interessanter Zeitschriftenband vorgelegt, der dem Ereignis ISECS-Weltkongress Rechnung trägt und der internationalen Ausrichtung der Erforschung des 18. Jahrhunderts gerecht wird.
Anmerkung:
[1] Das gesamte Programm des Weltkongresses ist unter http://www.18thcenturycongress-graz2011.at/congressprogramme.html online abrufbar.
Sascha Weber