Kirsi Salonen / Jussi Hanska: Entering a Clerical Career at the Roman Curia, 14581471 (= Church, Faith and Culture in the Medieval West), Aldershot: Ashgate 2013, XII + 295 S., ISBN 978-1-4094-2839-8, GBP 70,00
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Kirsi Salonen / Sari Katajala-Peltomaa (eds.): Church and Belief in the Middle Ages. Popes, Saints, and Crusaders, Amsterdam: Amsterdam University Press 2016
Kirsi Salonen / Kurt Villads Jensen / Torstein Jørgensen (eds.): Medieval Christianity in the North. New Studies, Turnhout: Brepols 2013
Kirsi Salonen: Papal Justice in the Late Middle Ages. The Sacra Romana Rota, London / New York: Routledge 2016
Die mittelalterliche Kirche leidet unter schlechter Presse. Gierige Päpste, korrupte Prälaten und eine ungeeignete, bestenfalls halbgebildete Pfarrgeistlichkeit hätten, so die landläufige, in der Forschung allerdings seit längerem kritisch revidierte Meinung, ihre eigenen, oft wenig christlichen Anliegen betrieben und sich auf Kosten der sogenannten einfachen Gläubigen selbstherrlich bereichert. Und das Herz der klerikalen Finsternis in diesem düsteren Gemälde ist - natürlich - der päpstliche Hof in Rom.
Diesem vielgeliebten Vorurteil wollen Kirsi Salonen und Jussi Hanska in ihrer gemeinsam verantworteten Studie zu Leibe rücken, indem sie an der vermeintlichen Quelle der spätmittelalterlichen Krise der Kirche und der Seelsorge ansetzen: der päpstlichen Zentrale. Denn diese steht vielfach im Ruf, mit ihrer Dispens- und Benefizialpraxis erst die oft beklagten Mengen an ungeeigneten oder schlicht abwesenden Geistlichen auf die Christenheit losgelassen zu haben. Die beiden Autoren plädieren stattdessen für einen unvoreingenommenen Blick auf die kirchliche Situation des Spätmittelalters. Sie interpretieren das rechtlich streng reglementierte päpstliche Dispenswesen des 15. Jahrhunderts im Kontext der zeitgenössischen Reformbestrebungen der römischen Kirche, denen es über die Zulassung hinreichend gebildeter, aber etwa illegitim geborener Bewerber gerade um eine Hebung des Bildungsniveaus der niederen Geistlichkeit gegangen sei.
Die Monographie gliedert sich in zwei auf je eine Autorin zurückgehende Hauptteile, die von gemeinsam verfassten Einleitungs- und Schlusskapiteln ergänzt werden. Die Einleitung leistet einen auf die kurien- und kirchenkritische Literatur konzentrierten Forschungsüberblick und liefert eine Einführung in die kirchenrechtlichen Vorgaben zur Klerikerbestellung im Mittelalter wie in die juristischen Grundlagen des päpstlichen Dispenswesens. Dieser Teil des Buches kann geradezu Handbuchcharakter beanspruchen, indem er auf verständliche und doch differenzierte Weise in die oft verschlungenen Wege der kirchenrechtlichen Theorie und ihrer Auswirkungen in der vor allem kurialen Praxis einführt. Dabei fällt allerdings die grundsätzlich apologetische Haltung der Autoren auf, denen es letztlich um eine Ehrenrettung des spätmittelalterlichen Papsttums geht. Und man muss die kritische Frage stellen, ob diese Inversion der oft unreflektierten Kurienkritik der Vergangenheit der Sache gerecht wird. Denn auch wenn Klerikerschelte wohl zu allen Zeiten ihr leicht echauffierbares Publikum gefunden hat, wird man davon ausgehen dürfen, dass die konkrete Lage in den Diözesen bisweilen tatsächlich nicht dem entsprach, was das Kirchenrecht eigentlich vorsah bzw. genau jene Phänomene aufwies, auf die Kurie und Kirchenrecht regulierend zu reagieren versuchten. Die Möglichkeiten, diese lokale Situation zu untersuchen, sind mangels Überlieferung jedoch meist bescheiden. Dem steht die sehr gute Überlieferung der Kurie gegenüber, die einen differenzierten Einblick in die päpstlichen Dispensgewohnheiten wie in die Natur der supplizierenden Kleriker erlaubt. Doch sollte bei der Auswertung ein wohlbekanntes Ergebnis der neueren Kurienforschung stets bedacht werden und hätte auch im vorliegenden Buch stärker berücksichtigt werden können: Die Kurie reagiert nur auf Anfragen von aussen und überliefert nur das, was positiv beschieden worden ist. Was an den Papst nicht herangetragen wird, entzieht sich im Allgemeinen seiner Kenntnis und Einflussnahme. Und alle Anfragen von Klerikern, die zu anmaßend oder zu unseriös waren, um berücksichtigt zu werden, sind verschwunden. Ebenso unbekannt bleibt, was mit den erfolgreichen Petenten und ihren Reskripten dann vor Ort passiert ist. Die Ergebnisse der Studie sind damit repräsentativ allein für das praktische Dispensverhalten der Kurie, über die Zustände vor Ort lässt sich hingegen nichts sagen.
Dies ist auch zu bedenken, wenn Salonen sich mit der päpstlichen Pönitentiarie und ihrem Umgang mit Geburtsdefekten und Weihehindernissen im Pontifikat Pius' II. auseinandersetzt. Auf den ersten Blick beeindruckende 4400 (161) diesbezügliche Petitionen wurden in dem etwa sechsjährigen Papat bewilligt, doch betreffen diese Urkunden tatsächlich nur einen verschwindenden Bruchteil des europäischen Klerus der Zeit. Salonen schlüsselt die in den verschiedenen Registerserien überlieferten Dispense nach unterschiedlichen Aspekten, etwa den Diözesen, dem kirchlichem Rang der Supplikanten und dem im Reskript genannten Defekt auf und kommt zu dem Schluss, dass die päpstliche Kurie wohl nicht jedem Anliegen stattgab, sondern das Instrument des Dispenses mit Blick auf die cura animarum verantwortungsvoll und in dem Bestreben einsetzte, ansonsten geeigneten Kandidaten den Weg zu einer Karriere in der Kirche nicht zu versperren. Indem Salonen sich auf ein Pontifikat beschränkt, aber die gesamte Überlieferung einschlägiger Urkunden einbezieht, erlaubt ihre Untersuchung zudem einen willkommenen Blick auf das regionale Interesse an der Kurie und ihrem Rechtsangebot.
Jussi Hanska widmet den zweiten Hauptteil der Frage nach den an der Kurie vollzogenen und in den libri formatarum dokumentierten Ordinationen. Aufgrund der Überlieferungslage liegt der Schwerpunkt hier auf dem Pontifikat Pauls II. Auch Hanska stellt heraus, dass der Weg über Rom in keiner Weise als Schleichweg zur Umgehung womöglich kritischer örtlicher Ordinarien zu sehen ist, sondern es "perfectly legal and morally acceptable reasons" (259) für die Weihe an der Kurie gab, etwa weil der Kandidat an der Kurie lebte und arbeitete oder an einer der römischen Universitäten studierte. Ebenso konnte auch der Widerstand oder die Absenz des örtlichen Bischofs die Weihe an der Kurie erforderlich machen.
Die Zusammenfassung nimmt die Frage aus der Einleitung wieder auf, inwiefern die Kurie durch ihr vorgeblich unkritisches Dispenswesen die kirchlichen Zustände des Spätmittelalters mindestens mitverschuldet habe. Die Antwort ist erwartbar eindeutig. Das über die Jahrhunderte entwickelte Kirchenrecht legte der Ordination ungeeigneter Kandidaten fast unüberwindliche Hindernisse in den Weg. Die demographische Situation vor allem in den bevölkerungsreicheren Gebieten Europas erforderte zur Gewährleistung der Seelsorge jedoch eine gewisse Nachsicht mit ansonsten geeigneten Klerikern, die durch ihre uneheliche Geburt oder einen körperlichen Makel von einer kirchliche Karriere ausgeschlossen waren. Indem die Dispense in den meisten Fällen die illegitime Geburt des Antragsstellers betreffen, ist eine unmittelbare Relation zur grundsätzlichen seelsorgerischen Eignung aber nicht zu konstruieren. Auch die vorgebliche Benefizienjägerei des spätmittelalterlichen Klerus führen die Autorinnen lakonisch auf die schlichte Notwendigkeit zurück, sich dorthin zu begeben, wo die lukrativen Benefizien vergeben wurden, denn "staying in one's home village was a very unlikely means of ever getting an ecclesiastical benefice" (270).
Es bleibt der Eindruck, dass die Autoren auf der Grundlage ihres kurialen Materials und beseelt von dem Anliegen, das schlechte Ansehen des spätmittelalterlichen päpstlichen Hofes zu heben, einen etwas einseitigen Standpunkt vertreten. Trotzdem liest sich das gut geschriebene und oftmals plastisch erzählte Werk mit Gewinn, bietet es doch eine Fülle an Informationen über die kirchenrechtlichen Grundlagen wie über die Praxis des Dispenswesens im 15. Jahrhundert. Und eines ist nach der Lektüre sicher: Wie krisenhaft die kirchlichen Zustände vor Ort im Spätmittelalter tatsächlich auch ausgesehen haben mögen, die päpstliche Dispenspraxis wird man dafür nicht verantwortlich machen können.
Kerstin Hitzbleck