Rezension über:

Michael Falser / Monica Juneja (Hgg.): Kulturerbe und Denkmalpflege transkulturell. Grenzgänge zwischen Theorie und Praxis (= Architekturen; Bd. 12), Bielefeld: transcript 2013, 367 S., ISBN 978-3-8376-2091-7, EUR 34,80
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Tino Mager
Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Tino Mager: Rezension von: Michael Falser / Monica Juneja (Hgg.): Kulturerbe und Denkmalpflege transkulturell. Grenzgänge zwischen Theorie und Praxis, Bielefeld: transcript 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 2 [15.02.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/02/23120.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Andere Journale:

Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.

Michael Falser / Monica Juneja (Hgg.): Kulturerbe und Denkmalpflege transkulturell

Textgröße: A A A

Mit dem Sammelband präsentieren Michael Falser und Monica Juneja die Beiträge der internationalen Tagung Kulturerbe-Denkmalpflege: transkulturell, die im September 2011 vom Lehrstuhl für Globale Kunstgeschichte am Heidelberger Exzellenzcluster Asien und Europa im globalen Kontext und dem Arbeitskreis für Theorie und Lehre der Denkmalpflege in Heidelberg verwirklicht wurde. Kern der Tagung war es, das Konzept der Transkulturalität in Bezug auf das Kulturerbe vorzustellen und durch diverse Fallbeispiele und Standpunkte einen Zugang zu einer neuen, herkömmliche nationalstaatliche und eurozentristische Blickwinkel überwindenden Konzeption des globalen Kulturerbes zu erschließen. Die postkoloniale, im Zeichen der Globalisierung stehende Gegenwart erfordert eine Revision vieler kunsthistorischer als auch denkmalpflegerischer Standpunkte, die nur durch übernationale und transkulturelle Ansätze zu erzielen ist. Dabei geht es sowohl um die Überwindung von Kulturgrenzen als auch um die dynamische Konzeption von Kultur, die sich durch grenzüberschreitende Transformationsprozesse stets neu bedingt. Nach einer aufschlussreichen Einleitung, die dem Konzept der Transkulturalität verpflichtet ist, gliedern sich die Beiträge in drei Themenkomplexe, die sich der Sache mittels Betrachtungen zu Artefakten, Soziofakten und Mentefakten - jeweils in vier Unterpunkte unterteilt - annehmen.

Zur Problematik der transkulturellen Artefakte werfen die beiden Herausgeber in ihren Beiträgen jeweils einen Blick nach Asien. Monica Juneja widmet sich der Masjid-i Jama, der ersten Moschee Delhis, und legt die diversen Wiederverwendungs- und Aneignungsprozesse offen, denen der Bau im Spannungsfeld religiöser und herrschaftlicher Veränderungen ausgesetzt war. Sie konzipiert das Bauwerk dabei als einen transkulturellen Raum, der nicht als Manifestation eines von einer dominanten Kulturgruppe ausgehenden nationalen Kulturbegriffs, sondern als ein von diversen Identitäten dynamisch ausgehandelter Beziehungsrahmen zu verstehen ist. Michael Falser untersucht die transkulturelle Vermittlung der Tempelanlagen von Angkor Wat, die eine materielle Aneignung in Form von innovativen Gipsabgüssen erfuhren, und im späten 19. Jahrhundert in Paris und später in Berlin als Nachbauten der Tempelanlagen ausgestellt wurden. Falser hebt darin die Übersetzungsleistung hervor, die hier als zerstörungsfreier materialbasierter Austausch zwischen Kulturen bewerkstelligt wird. Die dabei entstehenden, neuartigen und auf Selektion und Interpretation basierenden Produkte stehen dabei noch im Zeichen eines europäischen Blicks auf die Architekturgeschichte und prägten die Imagination der fernen Kultur maßgeblich. Dabei wird deutlich, dass es sich um einen Prozess handelt, der keineswegs abgeschlossen ist und weitere wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfordert. Die weiteren Beiträge des Komplexes fokussieren auf den Transfer architektonischer Artefakte in museale sowie neue bauliche Zusammenhänge, weiterhin auf die Rematerialisierung architektonischer Formen durch deutsche Aussiedler in Chile.

Die sich dem Soziofakt widmende Sektion konzentriert sich auf die Implementierung deutscher Architektur und deren Nachleben in den ehemaligen Kolonien. Kernpunkt ist dabei die Frage nach der Integration der fremden Elemente in die eigene Geschichte, die sich durch eine Aneignung charakterisiert, die nur mittels einer transkulturellen Perspektive hinreichend zu durchdringen ist. Gert Kaster zeigt in einer Fallstudie zu Qingdao, dass Neubauten in der Altstadt rund einhundert Jahre nach der Kolonialzeit noch stets an die Formensprache der Gründerzeit angelehnt sind. Die Aneignung und Adaption des kolonialen Erbes kommt darin als eine übernationale Kulturleistung zum Ausdruck, die das ursprünglich fremde Erbe erfolgreich integriert. Weiterhin analysiert Frauke Michler die grenzübergreifende Kommunikation von Einzelakteuren, die für einen intensiven Austausch relevanter Denkmalpflegekonzepte zwischen Deutschland und Frankreich im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts verantwortlich zeichnen. Diesbezüglich fordert sie im Hinblick auf das European Heritage Label einen transkulturellen Blickpunkt auf das europäische Erbe, der über eine auf europäische Ebene gehobene, staatliche und zentralisierte Kulturerbepolitik hinausgeht. Zwei weitere Fallstudien von Franko Ćorić und Georg Maybaum erörtern die Aneignung kultureller Einflüsse in den von diversen ideologischen und kulturellen Faktoren geprägten Ländern Kroatien und Mexiko.

Der abschließende Teil des Bandes nimmt sich der theoretischen Seite der Problematik an. In einer Fallstudie zum britisch-indischen Kolonialkontext konzentriert sich Katharina Weiler auf die Entwicklung intangibler Aspekte der Denkmalpflege von einer regionalen Provenienz hin zu ihrer weltweiten Akzeptanz. Winfried Speitkamp nähert sich dem transkulturellen Mentefakt in einer Betrachtung deutscher Bemühungen, die Kolonialgebiete vor dem kulturellen Einfluss des Okzidents zu bewahren. Aus den dabei stattfindenden, wechselseitigen Transferprozessen ergibt sich zwangsläufig eine gegenseitig beeinflusste Vorstellung der eigenen und fremden Kultur. Dabei verdeutlicht er in einem aufschlussreichen und exemplarischen Bild der Konstruktion des afrikanischen Kulturerbes, inwiefern statische Kulturerbekonzeptionen versagen und jenes stets als dynamisch und offen verstanden werden müsse. Zwei Beiträge zur juristischen Situation sowie der Genese internationaler Doktrinen runden die Publikation mit einem Rekurs auf die politischen Bedingungen ab, die den Rahmen der praktischen Realisierung transkultureller Schutzstrategien darstellen und auf dabei anstehende Probleme verweisen.

Mit der Präsentation eines auf die gegenwärtigen kulturellen als auch politischen Umstände einer zeitgenössischen Kulturerbekonzeption gerichteten Themenkomplexes gewährt der Sammelband Einblick in wertvolle, sich am Puls der Zeit befindende Reflexionen. Da die einzelnen Beiträge auf diverse Aspekte der Transkulturalität eingehen, erweist sich deren Zuordnung innerhalb der drei Bereiche des Bandes nicht immer als evident. Darin ist jedoch kein Wermutstropfen der insgesamt fesselnden und sorgfältig erstellten Beiträge zu sehen, die sich zu einer wegweisenden Publikation zusammenfügen. Die zahlreichen Impulse, dem globalen verstandenen Themenkreis Kulturerbe und Denkmalpflege einen neuartigen und zeitgenössischen Bezugsrahmen zu unterlegen, bereichern auf anspruchsvolle Weise und entfachen Neugier auf die zu erwartenden wissenschaftlichen und faktischen Konsequenzen.

Tino Mager