Rezension über:

David L. Roll: The Hopkins Touch. Harry Hopkins and the Forging of the Alliance to Defeat Hitler, Oxford: Oxford University Press 2013, 520 S., ISBN 978-0-19-989195-5, GBP 20,00
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Rezension von:
Marcus Gräser
Johannes Kepler Universität, Linz
Redaktionelle Betreuung:
Empfohlene Zitierweise:
Marcus Gräser: Rezension von: David L. Roll: The Hopkins Touch. Harry Hopkins and the Forging of the Alliance to Defeat Hitler, Oxford: Oxford University Press 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 3 [15.03.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/03/22900.html


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David L. Roll: The Hopkins Touch

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Harry Hopkins zählt zu den "großen Männern" - in der zweiten Reihe. 1931 geriet der engagierte Sozialarbeiter als Leiter der Temporary Emergency Relief Administration im Staat New York in das Umfeld des Gouverneurs Franklin Delano Roosevelt - und als dieser 1933 in das Amt des amerikanischen Präsidenten gewählt wurde, nahm er Hopkins (wie auch manch andere New Yorker Wohlfahrtspolitiker) mit nach Washington. Hopkins wuchs zum "Relief Czar" des New Deal heran: 1933 baute er die Federal Emergency Relief Administration auf, die durch schnelle Geldtransfers an Städte und Staaten die unmittelbare Not der zahlreichen Arbeitslosen durch finanzielle Unterstützung und öffentliche Arbeiten linderte. Im selben Jahr übernahm er die Leitung der Civil Works Administration (ab 1935 Works Progress Administration), die bis 1938 zahllose Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanzierte und koordinierte. Von 1938 bis 1940 versah Hopkins das Amt des secretary of commerce und schied dann aus offiziellen Ämtern aus.

In den Jahren 1940/41 vollzog Hopkins einen Rollenwechsel. Aus dem Administrator der Arbeitsbeschaffung und einem gewieften Innenpolitiker wurde einer der wichtigsten außenpolitischen Berater des Präsidenten und dessen Emissär zu den Verbündeten im Krieg: Churchill und Stalin. Auf den ersten Blick ist dieser Weg in die Weltpolitik schwer zu verstehen: Nichts in der Karriere Hopkins' bis 1940 hatte darauf hingewiesen, dass er einmal eine außenpolitische Rolle zu spielen haben werde. Ausschlaggebend für den Rollenwechsel aber war das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Hopkins und Roosevelt. Längst war er zu einem engen Freund und Vertrauten des amerikanischen Präsidenten geworden: Der Witwer Hopkins zog 1940 mit seiner Tochter Diana sogar ins Weiße Haus ein und blieb dort auch noch nach seiner erneuten Heirat zusammen mit seiner Frau Louise bis 1943.

David Rolls Buch widmet sich fast ausschließlich dem Weltpolitiker Hopkins der Jahre zwischen 1941 und 1945 - die Jahre zuvor sind ihm nur "Vorgeschichte". Ganz ähnlich hielt es schon Robert E. Sherwood in seinem 1948 erschienenen Klassiker "Roosevelt and Hopkins. An Intimate History", mit dem der Autor 1949 den Pulitzer-Preis in der Sparte Biographie errang. Ganz abwegig ist diese Konzentration auf die letzten Lebensjahre Hopkins' (er starb bereits im Januar 1946 im Alter von nur 55 Jahren) nicht, denn seine Bedeutung als außenpolitischer Emissär ist tatsächlich kaum zu überschätzen: Er besaß nicht nur das unbedingte Vertrauen des Präsidenten, sondern konnte umstandslos und sofort auch eine Vertrauensbeziehung zu Churchill und Stalin aufbauen. Rätselhaft ist das nicht: Hopkins war ebenso unkompliziert wie willensstark, und Churchill wie Stalin brauchten die Unterstützung der USA, um den Krieg bestehen zu können. Den direkten Kontakt zu Roosevelt konnte Hopkins jederzeit sicherstellen: Er war "the one and only individual with close personal relationships with the big three: Roosevelt, Churchill, and Stalin" (178f.)

Roll ist von der enormen Bedeutung seines Helden überzeugt: "Take him out of the picture, and the alliance might not have coalesced and held" (407). Vor allem unter Engländern genoss Hopkins schnell großes Ansehen: Seit seiner ersten Mission nach London im Frühjahr 1941 ließ er keinen Zweifel an der amerikanischen Unterstützung für Großbritannien; und der Lend-Lease Act, der im Februar 1941 vom amerikanischen Kongress verabschiedet worden war und die Lieferung von militärischen Gütern an Staaten erlaubte, deren Verteidigung den Sicherheitsinteressen der USA diente, ließ diese Hilfe dann nicht zuletzt aufgrund des Einflusses von Hopkins schnell konkret werden. Roll zitiert einen englischen Journalisten, der sich von Hopkins an eine Stelle aus Shakespeares "Henry V." erinnert fühlte: "A little touch of Harry in the night" (93). Hopkins entfaltete eine "personal diplomacy" (98), die für die außerordentliche Situation des Krieges und die Notwendigkeit, unterschiedliche Regime in der Allianz gegen die Achsenmächte zusammenzubinden, offenbar passgenau gewesen ist. Auch die später lange umstrittene Entscheidung, die Invasion Nordfrankreichs zugunsten einer Landung in Nordafrika und einem verstärktem Engagement im Mittelmeerraum zu verschieben, ist ohne Hopkins' Einfluss nicht zu erklären. Er war, so Roll, "arguably the most powerful presidential aide in the history of the American republic" (55).

Rolls biographische Studie ist bisweilen freilich etwas einfach gestrickt: Hopkins steht derart im Scheinwerferlicht, dass alle anderen (mit der Ausnahme Roosevelts und Churchills) fast zwangsläufig in seinen Schatten geraten. Mit wem beriet sich eigentlich Hopkins - nur mit Roosevelt? Wie stand es um das State Department? Roll sieht Hopkins spätestens mit der Konferenz von Teheran 1943 in der Rolle eines "de facto secretary of state" (320). Tatsächlich mag kein Senior Official des State Department ähnlich einflussreich gewesen sein wie Hopkins, zudem war der langjährige Außenminister Cordell Hull alt, sein Nachfolger Edward Stettinius (ab 1944) eher schwach im Gefüge. Hopkins hatte Stettinius ausgesucht und Roosevelt davon überzeugt, "that Stettinius would be a good choice to succeed Hull, politically acceptable, and content to reorganize the State Department while the two of them would manage foreign affairs" (350). Aber stieß Hopkins nicht auch an Grenzen oder auf Widerstände? Gewiss, die Gegnerschaft des mächtigen secretary of the interior Harold Ickes wird erwähnt und auch der Spott mancher Militärs, die in Hopkins kaum mehr als einen "drugstore strategist" (251) sehen wollten. Aber eine wirkliche Ausleuchtung der Struktur der amerikanischen Außenpolitik im Krieg gelingt nicht - es wird zu viel erzählt und zu wenig analysiert. Dennoch liefert Roll ein gut zu lesendes Porträt einer Figur, für die Sympathie zu erwecken nicht schwerfällt.

Marcus Gräser