Rezension über:

Sarah D. P. Cockram: Isabella d'Este and Francesco Gonzaga. Power Sharing at the Italian Renaissance Court (= Women and Gender in the Early Modern World), Aldershot: Ashgate 2013, XVIII + 256 S., 11 s/w-Abb., 2 Karten, ISBN 978-1-4094-4831-0, GBP 65,00
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Rezension von:
Sebastian Becker
Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Sebastian Becker: Rezension von: Sarah D. P. Cockram: Isabella d'Este and Francesco Gonzaga. Power Sharing at the Italian Renaissance Court, Aldershot: Ashgate 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 4 [15.04.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/04/24423.html


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Sarah D. P. Cockram: Isabella d'Este and Francesco Gonzaga

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Sarah Cockram nimmt ein verbreitetes, in der italienischen Forschung aber noch oft vernachlässigtes Szenario in den Blick. Welche Rolle(n) spielten die Ehefrauen der italienischen Territorialherren, die sich ihr Auskommen zumeist als gut bezahlte, vom eigenen Hof abwesende, Söldnerführer verdienten, für die Regierung und Sicherung der eigenen Territorien? Wie funktionierte die Interaktion zwischen der Ehefrau am heimischen Hof und dem nicht selten hunderte von Kilometern entfernt stationierten Gatten? Welche Rolle spielten dabei genderspezifische Zuschreibungen? Lange Zeit standen die Bedeutung der (italienischen) Fürstinnen im Bereich von (Kunst)Patronage und ihr Einfluss auf höfische und dynastische Netzwerke im Fokus einer oft rein angelsächsischen Forschung. Cockram sucht nun am Beispiel des mantuanischen Hofes nach politischem Einfluss dieser Frauen und fragt dafür nach der Regierungspraxis und -beteiligung einer Markgräfin in der Renaissance.

Isabella d'Este (1474-1538) und Francesco II. Gonzaga (1466-1519), Markgräfin und Markgraf von Mantua, sind für die Beantwortung solcher Fragen in mehrfacher Hinsicht besonders geeignet. Zum einen ist Isabella - dank einer langen historiografischen Tradition - als beinahe einzigartige Patronin der Künste gut bekannt. Zum anderen war ihr Ehemann Francesco II. Gonzaga als Condottiere häufig außerhalb seines Herrschaftsgebiets stationiert. Noch dazu gilt er - so jedenfalls die Historiografie des 19. und 20. Jahrhunderts - als seiner Frau intellektuell unterlegen, grobschlächtig und unfähig. Man möchte also meinen, dass der Markgräfin keine andere Möglichkeit blieb, als die Politik selbst in die Hand zu nehmen. Und tatsächlich tritt sie in den herangezogenen Quellen nicht nur als Förderin der Künste, sondern als brillante Diplomatin und selbstbewusste Herrscherin hervor. Ohne die Isabella zugeschriebene Einzigartigkeit und Brillanz zu negieren, relativiert Cockram aber auch das negative Bild Francescos, der durchweg als machtbewusster und geschickt agierender Territorialherr auftritt. Zutage tritt "a blueprint for the power sharing of ruling couples [...]." (4) Unter Rückgriff auf Erving Goffmann betrachtet die Autorin Isabella und Francesco als "performance team" (7), das in unterschiedlichsten Situationen auch mit den üblichen Genderzuschreibungen kollidierende Rollen einnimmt, um gemeinsame Ziele zu erreichen. So ist es überzeugend, wenn sie konsequent im Plural von den marchesi als politischer Einheit spricht.

In sechs Kapiteln nimmt Cockram jeweils unterschiedliche Szenarien in den Blick, die dem Leser das ausgeklügelte Teamwork und die wechselnde Rollenverteilung ihrer Protagonisten exemplarisch vor Augen führen: (Staats)Korrespondenz und Korrespondenznetzwerke (I), das Teilen von Autorität und Herrschaft (II), den Umgang mit (internen) Bedrohungen der Macht und Autorität der Markgräfin (III), ihre Bedeutung innerhalb des höfischen Mikrokosmos (IV), die Bedrohung Mantuas durch Cesare Borgia und Isabellas Rolle innerhalb der mantuanischen Diplomatie (V) sowie Spannungen und (vermeintliche) Missverständnisse zwischen ihr und ihrem Gatten (VI). Ein Anhang mit einer Auswahl zentraler Briefe Isabellas und ein Register runden die lebendig geschriebene und quellennahe Studie ab.

Wie eng die Zusammenarbeit der marchesi im alltäglichen Regierungsgeschäft war, wird schon beim Blick auf den Umgang mit eingehender Korrespondenz jeglicher Art deutlich. "[It] was natural that issues of state dictated that Isabella should open Francesco's correspondence while he was away on military business and she governed Mantua [...]." (36) Wie Cockram zeigen kann, reagierte Francesco sogar irritiert, wenn seine Frau ungeöffnete Briefe an ihn weiterleitete. Wenngleich Isabellas Autorität als Statthalterin im Allgemeinen am Hof anerkannt wurde, wusste sie auf Versuche Dritter, ihre Position in Frage zu stellen, machtbewusst zu reagieren. So erhielt sie 1494 von ihrem in Venedig Dienst leistenden Ehemann Lob für ihr Selbstbewusstsein: "[T]he demonstration made against Antonio Donato for his disobedience against you was well done [...]." (61)

Auch im dritten Kapitel zeigt Cockram die enge Zusammenarbeit der marchesi. Eindrücklich ist in dieser Hinsicht der Umgang mit Francesco Secco, der als Vertrauter von Francescos Vorgängern eine für das neue Herrscherpaar gefährliche Machtposition am Hof eingenommen hatte. Weil er die Institutionalisierung Isabellas als Statthalterin ihres Gatten gefährdete, wurde er in einer zwischen den marchesi perfekt abgestimmten Aktion in die Verbannung getrieben. Am Beispiel der Klientelpolitik, besonders gegenüber zweier Favoriten Francescos, zeigt Cockram aber auch die Grenzen dieses Teamworks. Weil die beiden Hofmänner Isabella persönlich, nicht zuletzt aber auch den Interessen des Hauses Este, im Weg standen, wurden sie, so lassen zitierte Briefe vermuten, unter Mitwissen Isabellas aus dem Weg geräumt.

Augenfällig werden das diplomatische Geschick Isabellas, ihre Bedeutung für die Sicherheit Mantuas und die perfekte Zusammenarbeit der marchesi auch vor dem Hintergrund der Bedrohung der mittel- und oberitalienischen Signori durch Cesare Borgia. Während Francesco wie so häufig als Condottiere außerhalb seines Territoriums Dienst tat, steuerte Isabella geschickt die Beziehungen zu dem Papstnepoten, dem gegenüber sie je nach Bedarf mit den ihr als Frau zugeschriebenen Eigenschaften spielte. Obwohl die Markgräfin vor den Borgia das alleinige Entscheidungsrecht ihres Mannes betonte, sich selbst also als Frau und daher nicht entscheidungsbefugt inszenierte, hielt sie die politischen Zügel stets fest in der Hand. Ihr Fingerspitzengefühl sei beispielhaft an einer Episode gezeigt: Als Isabella befürchtete, Cesare Borgia könnte die Loyalität der Gonzaga in Frage stellen und einen Krieg auch gegen Mantua in Betracht ziehen, forderte Sie ihren Mann auf, in einem an sie adressierten Brief seine Loyalität und Verbundenheit mit ihm hervorzuheben. Diesen Brief, so der an ihren Mann übermittelte Plan, würde sie dem Gesandten Borgias am Hof in Mantua vorlegen und damit alle Zweifel an der eigenen Loyalität aus dem Weg räumen. Als der Markgraf ihr das bestellte Schriftstück übersandte, war sie mit dessen Formulierungen aber keineswegs zufrieden. Sie setzte daher ein eigenes, vermeintlich aus Ferdinandos Hand stammendes Schreiben auf, in dem sie die Ausführungen ihres Gatten überarbeitete. Ihre Version gab sie dann an den Gesandten der Borgia weiter. Francescos Lob für ihre Verbesserungen zeigt, wie das Teamwork der marchesi auch im Bereich der Diplomatie funktionierte und wie beide als gleichberechtigte Partner agierten.

Gegenüber Borgia spielte Isabella ihre Rolle als Frau weiter. Die Bitte nach dem Ausleihen mantuanischer Truppen an Cesare Borgias (innerhalb mantuanischen Territoriums!) wies sie unter Hinweis auf ihre Stellung als Frau und die einzig ihrem Gatten zustehende Entscheidung zurück. Wie Cockram zeigt handelte es sich offensichtlich um eine Verzögerungstaktik, bei der die Erfahrungen der Verwandtschaft in Urbino handlungsleitend gewesen sein dürften. Der mit Isabellas Schwester vermählte Guidobaldo da Montefeltro hatte auf eine ähnliche Bitte Borgias hin seine Infanterie unter dessen Kommando gestellt, woraufhin letzterer die Truppen gegen den Herzog selbst gerichtet und ihn zur Flucht gezwungen hatte. Cockram argumentiert hier wie in der gesamten Studie überzeugend, dass die unterschiedlichen geschlechterspezifischen Erwartungen an den Markgrafen und die Markgräfin es den beiden erlaubten, die jeweils bestpassende Rolle zur Sicherung der eigenen Ziele zu spielen und dafür genderspezifische Zuschreibungen zielgerichtet einzusetzen.

Es bleibt zu hoffen, dass diese blendende, quellengesättigte und facettenreiche Studie tatsächlich als Blaupause für weitere Arbeiten dieser Art dient, die die politische Rolle der Frauen an den (kleinen) italienischen Höfen im 15., 16. und 17. Jahrhundert ins rechte Licht rücken.

Sebastian Becker